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Der Kaiser stand fassungslos, geradezu geschockt, vor der Ruine, einem Ascheberg gleich, der Hütte des alten Mannes, welcher einer früheren Generation auch als Prophet Nasfur bekannt war. Als Letzter eines alten und längst vergessenen Ordens und als Meister der Heilkunst, war er doch auch imstande ist eine Prophezeiung zu schreiben, deren Wortlaut so schön und doch so schrecklich zugleich klang.
Seit Jahrhunderten lebte er nun im Exil. Die Dorfbewohner wussten nicht, wie alt Narfur wirklich war, nur dass er immer da war. Wann immer seine Weisheit und sein Wissen benötigt war, fand man ihn in der soliden Hütte, von Büchern und Rollen voller Pergament umgeben. Still wartete man, bis das Kratzen ‭der Feder verstummte und der Alte sich einem zuwandte.
Nun stand Meridon vor den Überresten dessen, was einmal sein Ratgeber sein sollte. Wie schon seinem Vater, seinem Großvater, sowie dessen Vater zuvor, rechnete er mit einer Rolle oder einem Besuch des Mannes.
Es war das Schlimmste eingetreten, dass sich Meridon vorstellen konnte.
"Wenn Flammen Weisheit verschlingen -", murmelte der Monarch leise.
"Steigen Säulen schwarzen Rauches.
Die Völker geeint. Der Hass vergessen.
Ein neuer Feind. Schwärzer die Nacht.
Goldener Schleier erhebt, wenn Verrat dem Volke dient."
Der Dorfälteste zitierte den Rest des ersten Teiles der Prophezeiung und verstummte.
"Du kennst die Worte, Alter?", sprach Meridon erstaunt. "Ich dachte nur der Kaiser und seine Nachkommen bekommen sie vermittelt."
"Nicht ganz, Euer Gnaden. Der Prophet lebte seit Generationen in diesem Dorf. Er vertraute dem Dorfvorstand jedesmal die Prophezeiung an. Er meinte, dass dieser idyllische Ort eine große Rolle spielen wird, in dem dunklen Zeitalter, das uns bevorsteht."
"Soso." Der Kaiser verstummte.
Stille legte sich über die Männer. Die Leibwachen standen stramm und formatiert hinter und neben ihrem Kaiser. Das silberne Emblem blitzte in der Sonne und ließ sie woe Helden erstrahlen.
Trotz der dunklen Worte schoen die Welt unbeeindruckt. Die Vögel zwitscherten ihr Lied, während der Wind durch die dunklen Tannen fuhr.
"Habt Ihr ein ordentliches Gasthaus hier? Ich bleibe über Nacht.", beschloss Meridon und wandze sich zum gehen.
"Außerdem habe ich da noch jemanden, der mich offensichtlich nicht leiden kann, von dem ich gerne wüsste, warum."

Jurtof hielt still. Ihm war schlecht, denn der Schlag in den Magen war wohlplatziert. Er hatte seinen Wächtern gedroht und mehrmals versucht sich zu befreien. Das Ergebnis seiner Bemühungen war, dass er nun knien musste und ein Schwert, das auf seinem Nacken lag.
Die Todesangst hatte ihn schlagartig nüchtern werden lassen, das erste Mal, seit er vom Schreiner davongejagt wurde. Mit Entsetzen betrachtete er nun das Chaos, das sein Leben war, und er schwor dass er es wieder in Ordnung bringen würde.
Mit Schrecken nahm er die sich nähernden Schritte von mehreren Männern war. Jurtof schloss die Augen, ihm war himmelangst, doch dann breitete sich die Wurt erneut in ihm aus und seine Gedanken, die er hatte, waren vergessen.

Meridon schritt langsam auf den Mann zu, der im Schlamm kniete und still hielt. Amüsiert nahm er das Schwert wahr, dass unheilvoll über dem Haupt des Mannes, der ihn beleidigt hatte, schwebte.
'Da hat sich jemand mit den falschen Männern angelegt.', dachte der Kaiser belustigt.
Als er vor ihm stand, blickte er lang auf den Mann herab. Angewidert verzog er das Gesicht, als er einmal mehr roch, wie Jurtof nach Wein und Erbrochenem stank.
Mit einer kurzen Bewegung seiner Finger bedeutete er dem Soldaten, das Schwert wegzunehmen, welches blitzschnell in die kunstvoll gearbeitete Scheide zurückfuhr.
Jurtof atmete erleichtert auf und wagte einen Blick zu seinem Wärter, der ihn mürrisch ansah, danach blickte er zum Kaiser hinauf, der seinen Blick mit kaltem, hartem Blau erwiderte.
"Wer seid Ihr?", der Kaiser war kurz angebunden.
Jurtof schwieg. Er sah den Mann, der sein Kaiser war, weiterhin an, als ob er ihm die Kehle zerfetzen wollte - und das wollte er auch.
Plötzlich riss er sich los, sprang auf, stieß seine Wächter beiseite und rannte davon.
Der Kaiser lachte amüsiert.
"Fangt ihn, aber lasst ihn am Leben."
Einer der Leibwachen nahm den Bogen in die Hand, spannte seelenruhig einen Pfeil, korrigierte den Winkel und ließ die Sehne schnellen.
Mit einem lauten Schrei fand der Pfeil sein Ziel. Die, mit Widerhaken versehrte, eherne Spitze bohrte sich in die Kniekehle von Jurtof, der schreiend stürzte und sich vor Schmerzen wand.
Drei Soldaten packten ihn grob an Haaren, Armen und Beinen. Sie nahmen keine Rücksicht auf seine Wunde und schleiften ihn zurück, wo sie ihm Meridon zu Füßen warfen.
"Dummer Plan, Junge.", meinte dieser trocken. "Sperrt ihn ein, ich befasse mich morgen mit ihm. Und schickt jemand, der das Bein behandelt."

Der Wirt schüttelte immer noch den Kopf. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass der Kaiser in seinem bescheidenem Haus einkehren würde.
Und er hatte Männer mitgebracht - durstige und hungrige Männer.
Im Nu hatte er seiner Frau und seinen Töchtern befohlen die Zimmer nochmals zu reinigen, frische Binsen auszulegen und zusätzliche Decken und Kissen in das Zimmer des Kaisers zu bringen.
'Dass ich das auf meine alten Tage noch erlebe.', dachte er im Stillen.
Er zapfte einen Krug seines selbstgebrauten Bieres nach dem Anderen und freute sich. Der Kaisrr hatte die Bezahlung zugesichert und einen Bonus versprochen. Er hoffte, dass sein Junge, den er zum Fleischer geschickt hatte, bald zurückkehren würde.
Er hatte zwar ein Abendmahl bereit, doch bei weitem nicht genug. Bis jetzt konnte er nur den Kaiser, den Dorfältesten und die zwei Offiziere bedienen. Die restlichen Männer sollten ihr Essen gemeinsam erhalten.

Jurtof stöhnte und knirschte mit den Zähnen. Sein Bein brannte höllisch und er nahm kaum etwas wahr. Seine Kerkermeister hatten ihn unsanft in seine Hütte geworfen und stand nun vor der Tür.
Jurtof bekam am Rande mit, wie sie draußen über ihn und seine Torheit lachten. Als das Lachen endlich verstummte, schloss er erleichtert die Augen, riss sie doch direkt wieder auf, als die Tür geöffnet wurde.
Er blinzelte erschrocken als er Erala erkannte, die ihn hasserfüllt ansah.
"Ich bin nur hier, weil es ein kaiserlicher Befehl ist, ansonsten wünschte ich mir, dass du hier elendig verreckst, Mörder."
Sie spie diese Worte geradezu heraus.
Sie ging zu ihm und besah sich den befiederten Schaft.
"Diese Schmerzen verdienst du mehr, als alles andere auf der Welt."
Sie brach den Pfeil ab und Jurtof schrie auf.
Der Schmerz brannte sich wie Feuer durch sein Bein.  Erala machte weiter. Sie rollte eine Tasche aus, in der verschiedenste Eisenwerkzeuge, auf Hochglanz poliert, steckten.
Sie nahm eine Zange, die sie an das Ende des Pfeiles klemmte, und riss die Spitze unbarmherzig heraus. Sie nahm ein sauberes Tuch, das sie auf die Wunde drückte, um die Blutung zu stoppen. Von Jurtof kam kein Laut, denn als Erala ihm ins Gesicht sah, sah sie, dass er in Ohnmacht gefallen war.
"Weichei", knurrte sie.
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ Erala Jurtof. Als sie vor der Hütte ankam, lehnte sie sich an das grobe Holz der Tür und atmete zitternd ein und aus. Die Ruhe war gespielt, zu sehr hatte die Angst Erala im Griff. Die Kaltblütigkeit, mit der Jurtof Haselb ermordete, ließ einen kalten Schauer über ihren Rücken fahren.
Sie atmete noch einmal tief ein, dann streckte sie die Schultern durch und lief zügigen Schrittes auf das Gasthaus zu.
Dabei bemerkte sie, dass einige der Dorfbewohnerinnen sie anstarrten und leise miteinander tuschelten. Verwirrt wollte sie die Frauen zur Rede stellen, aber da drehten sich diese bereits um und liefen kopfschüttelnd davon.
'Was war das denn?', fragte sie sich im Stillen, ehe sie ebenfalls den Kopf schüttelte und weiter voranschritt.
Das Dorf war auffallend still. Sonst erklang immer Kindergelächter oder das Gezeter greise Frauen, die über die Kinder schimpften. Normalerweise war jeder zu jeder Zeit recht geschäftig und doch lag diese unheilvolle Stille über den Straßen. Erala schritt voran, besah sich die vertrauten schmutzig gekalkten Wände und blieb stehen, als sie endlich fröhliches Gelächter vernahm. Das Gasthaus erhob sich auf einem sanften Hügel vor ihr, in dessen Rücken die Sonne ihre letzten warmen Strahlen des Tages auf das Land warf. Vor dem Eingang stehen einige Wachen des Kaisers, die für den nötigen Schutz Meridions sorgten. In ihren schwarzen Umhängen und den dunklen Rüstungen sahen sie recht bedrohlich aus, verströmten aber durchaus Ruhe.
Einer der Männer bemerkte Erala und schritt gelassen auf sie zu. Seine Hand ruhte auf dem silbernem Schwertknauf und ein verschmitzten Lächeln umspielte seine schmale Lippen. Ein Dreitagebart umrahmte dieselben, während seine grünen Augen frech herausblitzten.
"Bist du Erala, das Mädchen, das dem Alten zur Habd ging?", fragte er mit warmer freundlicher Stimme.
Eingeschüchtert nickte die Angesprochene bloß. Ihre Augen huschten umher, suchten nach einem Ausweg aus dieser für sie unangenehmen Situation.
"Tut mir leid, dass das passiert ist."
Wieder diese sanfte Tonfall, der Erala ganz und gar nicht zu diesem Krieger passen wollte. Sie schüttelte den Kopf und senkte ihren Blick zu Boden, auf ihre kaputten Schuhe, an denen sich vorne das Leder von der Sohle löste.
"Ich weiß, das mag nun überraschend für dich kommen, doch seine Gnaden, Kaiser Meridion will dich sehen."
Erala riss sich vom Anblick ihrer Schuhe los und starrte den Mann entgeistert an. Dieser hatte ihren Blick jedoch wohl gedeutet, hab eine Hand, wie um ihr zu bedeuten, dass sie nichts zu befürchten habe. "Komm.", befahl er ihr sanft, aber nachdrücklich.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 07, 2020 ⏰

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