Ich weiß nicht, wie lange ich mittlerweile schon gelaufen bin und ich weiß auch nicht, wie lange ich noch laufen werde, denn meine Beine werden langsam taub und fangen an zu zittern, wenn ich kurz stehenbleibe, um eine neue Richtung zu wählen. Erschöpft stütze ich mich mit einem Arm an einem Baum ab und keuche. Ich bin noch nie sportlich gewesen und dieser ewige Dauerlauf lässt mich das nun bereuen.
Mit zusammengebissenen Zähnen stoße ich mich ab und jogge weiter. Wie groß kann dieser Wald noch sein? Am Anfang habe ich meinen Blick immer noch geradeaus gerichtet, doch seit einiger Zeit bin ich dazu übergegangen, auf den Boden zu blicken. So erscheint mir der Weg nicht so lang, der Wald nicht so ausweglos und außerdem neige ich dadurch weniger dazu, im Kreis zu laufen.
Daher dauert es auch eine Weile bis ich bemerke, dass ich mich nicht mehr zwischen den Bäumen befinde, sondern auf einer Straße. Es fällt mir erst auf, als der braune, mit Tannennadeln übersäte Waldboden durch grauen Asphalt ersetzt wird, was mich stutzend zum Stehen bringt.
Meine Verwunderung schlägt jedoch beinahe sofort in Erleichterung und Freude um und ich beginne ganz automatisch zu lächeln.
Ich habe eine Straße gefunden und da sind normalerweise Menschen nicht weit. Oder ein Telefon. Obwohl ich so gerne eine Pause machen würde, weiß ich, dass ich noch nicht in Sicherheit bin und zwinge mich, weiterzugehen. Zuversichtlich hoffe ich darauf, bald eine Stadt oder ein Dorf oder zumindest ein Haus zu finden. Dann kann ich den Leuten dort meine Lage erklären und sie um Hilfe bitten oder ich rufe gleich selbst die Polizei an. Egal wie, ich bin mir eigentlich sicher, dass ich bald Hilfe bekommen werde. Ich habe es fast geschafft.
Mit einem zufriedenen, aber auch müden Lächeln bewege ich mich die Straße entlang. Seit diese Albträume angefangen haben, habe ich nicht mehr richtig geschlafen und seitdem bin ich immer müde und erschöpft. Aber wenn ich es geschafft habe nach Hause zu kommen und ich mir sicher sein kann, dass Aiden, Sam, Mitchell, Paul und alle anderen, die noch irgendwie dazugehören, hinter Gittern sitzen, werde ich bestimmt keine Schlafprobleme mehr haben.
Eine Weile später ist leider noch immer keine Stadt und auch kein Dorf in Sicht, doch noch ein Stück weiter glaube ich, ein kleines Häuschen erkennen zu können, was mich sofort etwas schneller laufen lässt. Während ich immer näher komme, bin ich mir immer sicherer, dass das da vor mir eine Hütte ist, wie es scheint aber leider eine unbewohnte. Es wirkt schon ziemlich alt und heruntergekommen mit seinen verwitterten Holzwänden und den zersprungenen Fensterscheiben. Obwohl es gar nicht so klein ist, wie ich anfangs angenommen habe, sondern sogar zwei Stockwerke besitzt, erweckt es nicht den Anschein, einen Bewohner in sich zu haben. Enttäuscht lasse ich die Schultern hängen und mir steigen Tränen in die Augen. So sehr habe ich gehofft, jemanden hier anzutreffen, den ich um Hilfe bitten kann. Wie soll ich denn hier wegkommen, wenn ich nicht mal weiß wo ich genau bin?
Da nun kein Stück Zuversicht oder Vorfreude mehr in mir zu finden ist, geben meine Beine schließlich nach der ganzen Erschöpfung nach und ich sinke unsanft zu Boden. Kurz darauf straffe ich entschlossen die Schultern. Auch wenn hier niemand ist, der mir helfen kann, so ist das Haus dennoch eine zufriedenstellende Unterkunft für den Rest der Nacht. Langsam richte ich mich auf und trete durch die alte Tür, die quietschend aufschwingt.
Vorsichtig mustere ich meine Umgebung. Die Treppe, die ins obere Stockwerk führt, wirkt alt und morsch und auch der Rest sieht leblos und verwittert aus. Eine Kommode mit offenstehenden Schubladen, Scherben von einer wahrscheinlich schon vor Jahren am Boden zerschellten Vase und einige Bücher auf einem Wandregal, auf denen sich eine dicke Staubschicht angesammelt hat.
Recht viel mehr finde ich auf den ersten Blick nicht. Bevor ich mich jedoch weiter umsehen kann, höre ich Stimmen und Geräusche von draußen. Mit einem schnellen Blick über meine Schulter erkenne ich Sam und Paul, die auf der Straße herumlaufen, gefährlich nahe an meiner Unterkunft. Mit heftig klopfendem Herzen und weit aufgerissenen Augen presse ich mich an die Wand neben der Tür und spüre, wie Schweißtropfen meine Rücken und meine Stirn hinunterlaufen. Was soll ich denn jetzt machen? Wenn ich weiter hier unten herumstehe, habe ich keine Chance. Ich kann nur darauf hoffen, dass die beiden Jungs mich hier nicht sehen.
Zitternd drücke ich mein Ohr an die Wand, um dem Gespräch meiner Feinde besser lauschen zu können. „Die Frage ist nur, wie sie raus gekommen ist. Ich dachte, Aiden hätte abgesperrt? Oder war er zu abgelenkt?", höre ich Sam sagen und könnte schwören, dass er beim letzten Teil mal wieder anzüglich gegrinst hat. Pauls Antwort fällt jedoch betont gleichgültig aus: „Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist sie weg und wir sollten sie schnellstens wieder finden. Sie ist entweder weiter gelaufen, oder hat sich in dem Haus hier versteckt. Du suchst dort drin nach ihr und ich folge der Straße noch ein Stück und versuche, sie da zu finden." Sam scheint zuzustimmen, denn ich höre, wie Pauls Schritte sich entfernen und die von Sam näher kommen. Panisch überlege ich, was ich tun könnte. Hier unten sieht er mich sofort, denn eine Möglichkeit, sich zu verstecken, gibt es nicht.
Mein Blick fällt auf die Treppe. Kurzentschlossen laufe ich auf sie zu und wage mich vorsichtig eine Stufe nach der anderen nach oben, bedacht darauf, sie nicht zu zerstören.
Allerdings bin ich wohl zu langsam unterwegs, denn Sam hat die Entfernung zwischen uns schneller als erhofft verringert. „Phoebe? Hier bist du also... Lass den Scheiß und komm her, ich will nach Hause, ok?" Seine Stimme ist nah, zu nah. Mit einem kurzen Blick stelle ich fest, dass er das Haus schon betreten hat, was mein Herzrasen beschleunigt. Panisch versuche ich nun, schneller nach oben zu gelangen und nehme jetzt zwei Stufen auf einmal.
Doch plötzlich umschließt eine kräftige Hand meine Schulter.
___________________________________Hey :)
In den letzten Tagen kamen einige Reads dazu, was mich wahnsinnig freut!
Ich hoffe, euch gefällt auch dieses Kapitel und ihr lasst vielleicht einen Kommentar oder ein Vote da. Dankeschön :)
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Wenn die Hoffnung zuletzt stirbt - muss ich dann vor ihr gehen?
Novela Juvenil„Ich... bin raus gefallen. Und jetzt komm ich nicht mehr hoch.", erwidere ich hastig. Das klingt nicht ganz so doof wie „Ich wollte aufs Klo, hab dann aber beschlossen, einen umkippenden Laster zu simulieren und möchte jetzt aber doch ganz gerne wie...