Fear

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Der nächste Morgen bricht an. Ich bin schon lange wach und denke über die Situation mit Robin gestern nach. Was wollte er wirklich hier? Nach dem Rechten zu sehen nehme als Ausrede an, weil er mir davor gesagt hatte, dass er sich an uns rächen will. Und was meinte er mit seinem letzten Satz? Die Berührungen waren so intensiv gewesen, doch seine Worte machten diese bedrohlicher als die Tatsache, dass er drei gesicherte Panzertüren geknackt hat.
Ich lief zu meinem Schrank. Heute ziehe ich mir eine schwarze Leggings, ein graues Top mit meiner goldenen Glückskette und weiße Theas an. Dann flechte ich meine Haare nach rechts und betrachte mich im Spiegel. In einer normalen Anstalt würde man dieses Outfit kaum durchgehen lassen, aber für diese spezielle Abteilung geht das in Ordnung. Meine Patienten wissen, wer ich bin und zu was ich fähig bin. Bis auf Robin. Aber mit dem werde ich fertig. Ich schminke mich noch, um Zeit zu schinden bis die Durchsage kommt. Und in exakt der Minute schraube ich mein Mascarafläschen zu.
Und dann klopft es an meiner Tür. Mich fragend, wie oft das in den drei Tagen, in denen ich hier bin, schon vorkam, öffne ich sie. »Guten Morgen, Jack? Was machst du schon hier?« Jack mustert mich. »Hey, Venice.« Er kommt ganz herein und schließt die Tür hinter sich. Fragend sehe ich ihn an. Dann zieht er mich auf einmal an sich und beginnt, mich zu küssen als gäbe es kein Morgen. Ich stoße ihn unsanft von mir weg und schmiere ihm eine. »WAS SOLLTE DAS, JACK?!« Er sieht mich verletzt an. Dann senkt er den Blick und verlässt ohne ein weiteres Wort mein Zimmer. Geladen atme ich ein und aus, um mich zu entspannen. Ich bin  unglaublich schockiert. Sofort schnappe ich mir einen Block und Stifte und gehe in das Stockwerk meiner Patienten. Das ist die richtige Laune, um mit Robin zu sprechen. Ich stoße seine Tür auf. Robin wirbelt zu mir herum und sieht mich an. Ein herrschendes Lächeln legt sich auf seine Lippen. »Venice. Guten Morgen.« Ich knalle die Tür zu. Dann setze ich mich zu ihm. »Und, wie fühlt es sich für sie an, Menschen zu verarschen, Brooks? Fühlt es sich richtig an, sich wie ein Kleinkind zu benehmen, obwohl man psychologisch gesehen dieses Verhalten schon längst abgeworfen haben sollte?« Robin denkt nach. »Sie haben eine fantastische Sicht auf die Dinge, Miss Porter. Zu dumm nur, dass sie nicht der Neffe eines Killers sind, Venice. Glauben Sie mir.« Ich sehe ihn an. »Nicht einmal dann haben Sie das Recht, so mit anderen umzugehen, Robin. Dass sie Robin Brooks, der arme Neffe von Nick Hayets sind, gibt ihnen da auch keinen Freischein.« Robin lehnt an der Wand. »Das kann sein.«  Ich nicke. Dann stelle ich mich vor ihn. »Und nur um das mal klarzustellen: Ich bin diejenige von uns die mehr Ahnung von Manipulation hat, Robin. Sie können lange brauchen um mich zu- ooh.« Robin drängte mich weiter zur Wand und stüzte sich mit den Händen an dieser ab. Er war oberkörperfrei. Ein Schritt und ich würde in seinen Armen liegen. »Venice. Dass du das studiert hast, ist die eine Sache. Du könntest öfter so mutig sein, das macht dich heißer als du sowieso schon bist.« Provozierend  stoße ich ihn von mir weg. »Träum weiter deinen süßen Traum, Brooks.« Er starrt mich immer noch an. »Sagen Sie was sie wollen. Ich weiß, dass Sie mich anziehend finden.« Ich lache. »Sicher doch. Und jetzt würde ich gerne weiter mit ihnen über sie sprechen.«
Robin setzt sich mir gegenüber. »Dann schießen Sie mal los.«
Ich kann nicht. Ich muss ihn einfach anstarren, wie er mich so ansieht. Diese blauen Augen ziehen mich in ihren Bann. Seine Haare stehen in alle Richtungen ab und ich würde im Moment alles dafür geben, sie zu berühren. Und auch er scheint seinen Blick nicht von mir lösen zu wollen. Also starren wir uns einfach nur gegenseitig an. Mein Ärger ist verraucht, was bleibt, ist der Wunsch, den ganzen Tag einfach hier zu sitzen und ihn anzustarren. Dann geht auf einmal die Tür auf. Ich starre auf Jack, der vor uns steht, atemlos, als wäre er einen Marathon gerannt. Er sieht kurz zwischen Robin und mir hin und her. Peinlich scheint es ihm zu sein, erst recht nach dem Kuss vorher. »Ich störe ja wirklich nur ungern, aber es gibt einen TF6. Ich brauche Sie ganz dringend.« Sofort springe ich auf und lasse alles liegen. »Wer ist gestorben?«, frage ich ihn auf dem Korridor. Er sieht mich bedauernd an. »Courtney. Sie hat sich mit ihrem Schal erhängt.« Ich bin schockiert. »Nein.« Er zögert, bevor er die Tür öffnet. Ich sehe Courtney blass und leblos dahängen. Mir dreht sich der Magen um . Gleichzeitig spüre ich Trauer. Gestern noch habe ich ihr versprochen, dass sie es schaffen wird. Jetzt ist sie tot. Zwei Sanitäter rennen herein und versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Aber vergeblich. Sie packen Courtney in einen Leichensack und tragen sie davon.
Ich sehe in das leere Zimmer. Fassungslos.
Dann unterbricht eine Lautsprecherdurchsage unsere Trauer. »Alle Bediensteten in mein Büro!« Mr Chase klingt sehr wütend. »Tja. Ich schätze, wir sollten dann mal...« Wir gehen beide die Stufen hinab und schließen den Korridor hinter uns ab. Ich weiß nicht, was auf mich zukommt, und auch Jack scheint sich nicht ganz dessen bewusst zu sein, was auf uns zukommt.
Ich bete und hoffe das Beste, obwohl ich spüre, dass es nichts Gutes zu heißen hat, in Mr. Chase' Büro kommen zu müssen. Ich seufze.

Robin BrooksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt