11 | alcohol in the forest

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Meine Füße kommen auf einem harten Boden auf und mein Körper fällt von der Erschütterung fast um. Ich halte mich gerade so noch an einem jungen Baum fest, der eher aussieht wie ein Zweig, der aus dem Waldboden wächst.

Ich torkele und komme schließlich zum Stehen. Ich sehe mich außer Atem um und merke das Dröhnen in meinem Kopf und die Schmerzen in meinem Hintern.

Natürlich liebe ich die Schmerzen und habe sie schon immer geliebt, denn Harry ist der gewesen, der sie verursacht hat.

Ich versuche zu laufen und heraus kommt ein komisch artiges Wackeln.

In meiner Hand halte ich einen Korb. In ihm befinden sich Brot, Käse, Wein und Schinken.

Ich schüttle mich, da es so eisig kalt ist und dann ziehe ich mir den Mantel näher an meinen Körper, den ich trage.

Die Farbe ist auffällig. Rot.

Ich verdrehe die Augen.

Wirklich?

Das kann doch nicht wahr sein.

Nicht nur komme ich in keinem Märchen dazu Harry zu heiraten, sondern jetzt muss ich meiner kranken Großmutter auch noch Essen bringen?

Ich bin Rotkäppchen.

Ich seufze und marschiere in eine unbekannte Richtung. Ich sehe einen Waldweg und trampele mir dort den Dreck von den Schuhen ehe ich weiter gehe.

Ich gehe durch den Wald in einem roten Mantel. In meiner Hand einen Korb. Auf dem Weg zu einer alten Frau.

Sicherlich werde ich Harry nicht treffen. Wie auch?

Rotkäppchen hat keinen Prinzen abbekommen. Fehlt nur noch, dass ich einen Rock trage.

Was ich nicht tue. Stattdessen habe ich eine Pluderhose an, die gegen alle Modegesetze des Universums verstößt.

Ich setze mir die Kapuze des Mantels auf, um meinem Namen alle Ehre zu machen.

Und dann muss ich lachen.

Denn ich bin in einem blöden Märchenbuch gefangen und habe keine Ahnung wie ich jemals fliehen kann.

Ich habe keine Ahnung, ob es überhaupt möglich ist.

Und ob ich jemals zu einem Ende komme.

Werde ich Harry in irgendeiner verzerrten Märchen-Version heiraten?

Ich summe vor mich hin, denn auch wenn ich das Märchen kenne und weiß, dass es die Großmutter ist und nicht Rotkäppchen, die im Wald angegriffen wird, habe ich etwas Bammel vor der ungewissen Dunkelheit.

Der Mond scheint zum Glück hell, so dass ich recht weit in das Dickicht sehen kann.

Ich wünschte nur ich hätte eine Kerze oder jemanden bei mir. Einen Hund vielleicht oder Harry.

„Harry?", rufe ich stirnrunzelnd.

Kann doch sein, nicht wahr? Harry ist in allen Märchen aufgetaucht. Wieso dann nicht hier?

Ich bleibe stehen. Es ist sowieso kein Haus in Sicht und das sagt mir, dass ich noch lange zu laufen habe.

Ich habe Hunger und Durst.

Also setze ich mich auf einen Baumstumpf und krame im Weidenkorb herum.

Ich nehme mir etwas Brot und Schinken. Dann öffne ich die Weinflasche und trinke ein paar Schlucke.

Nach ein paar Minuten gehe ich weiter. Die Weinflasche halte ich weiterhin in der Hand. Immer mal wieder trinke ich einen Schluck daraus.

Das hätte ich eher tun sollen.

Ich kichere vor mich hin. Ich bin nicht betrunken und sicher tue ich das hier nicht jeden Tag. Aber wenn ich beim Großmütterchen bin, wird diese schon dahingerafft sein und ehrlich gesagt, ist mir auch egal was mit ihr passiert. Ich kenne sie nicht und bin hier nur aus irgendeinem Grund hinein gerutscht.

Es ist lächerlich.

Doch ich weiß, dass ich keine Wahl habe als das Haus zu suchen, in dem eine alte, kranke Dame lebt.

Denn was hätte Rotkäppchen sonst getan?

Das hier ist das Märchen und ich muss mich an die Regeln halten.

So läuft es jedes Mal. Ich mache unfreiwillig oder absichtlich genau das, was von meiner Rolle erwartet wird.

Und nie habe ich Einfluss.

„Niemals", nuschele ich vor mich hin.

Die Flasche ist schon fast leer und ich hickse ein paar Mal.

Mein Gang ist nicht mehr ganz so gerade und meine Beine machen schlapp.

Ich würde mich am liebsten in den Wald legen und auf Harry warten.

Harry wird mich sicherlich retten.

Doch da sehe ich ein kleines Häuschen und sofort weiß ich, dass es das Haus ist, in das ich hinein muss. Also drehe ich die Flasche zu und lege sie wieder zurück in den Korb.

Ich klopfe mir die Schuhe an der Veranda ab und dann klopfe ich.

Von innen höre ich einen Schrei.

Ich stutze. So hört sich keine alte Dame an.

„Hilfe! Hilfe!", höre ich jemanden rufen.

Ich reiße die Tür auf, die Gott sei dank offen steht und platze in eine Szene hinein, die ich nicht erwartet hätte.

Da liegt ein Junge im Bett und auf ihm liegt ein Mann, der sich seiner Hose entledigt. Er hält den Jungen fest.

wonderland | larry ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt