Das Schweigen der Stille

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"Was für ein nettes Paar", das dachten immer alle wenn sie Tommy und Zarra zusammen sahen. Sie schienen glücklich gewesen zu sein, zumindest dachten das immer alle.
Er öffnet die Tür zu seinem Haus und was er dort sieht, bringt ihn aus seinen Gedanken schlagartig zurück ins hier und jetzt. Die Scherben von jenem Abend liegen immer noch auf dem Boden und die Rotweinflecken auf dem hellen Teppich sehen immer noch aus wie Blut. Wie ihr Blut. Warum hatte er das getan? Er weiß es noch immer nicht.
Er geht weiter durch das Haus und merkt, dass irgendjemand aufgeräumt haben muss. Alles bis auf die Glasscheiben. Ist sie doch noch einmal zurück gekommen? Er hat allmählich das Gefühl verrückt zu werden. Er legt seine Kiste und Schlüssel auf den Tisch, dabei fällt ihm ein kleiner Zettel auf, so einer wie sie immer benutzt hatte, um ihm mit zu teilen, dass sie noch einkaufen war oder andere unwichtige Dinge. Deswegen schenkt er ihm nicht viel Aufmerksamkeit und will ihn schon zusammen knüllen und weg werfen. Doch dann fällt ihm auf, dass er von Zara ist. Von seiner Zara.

Bitte ruf mich nicht an und suche nicht nach mir.

In Liebe, Sarah

Sie musst ihn dort hin gelegt haben, bevor sie weg gefahren war. Das waren ihre letzten Worte an ihn. Er sieht ihn lange an und liest ihn immer und immer wieder, bis ihm die Tränen nur so die Wangen runter laufen. Schnell wischt er sie weg und legt den Zettel zurück auf den Tisch. Sein Blick fällt auf das Bild von ihrer Hochzeit. Wie glücklich beide dort aussahen.. Das war zu viel für ihn. Er nimmt das Bild und wirft es gegen die Wand. Wieder Scherben auf dem Boden.
Er geht auf die Terrasse und sieht runter auf den See, der sonst immer so schön in der Abendsonne funkelt, als hätte jemand Glitzer drauf gesträut. Er setzt sich in den alten Schaukelstuhl, wo sie sonst immer zu zweit saßen und wo sie immer auf ihn gewartet hatte, bis er von der Arbeit kam. Es dauert eine Weile bis er versteht, dass sie nie wieder dort auf ihn warten würde, nie wieder würden sie zusammen dort sitzen.
Bis es anfängt dunkel zu werden, sitzt er dort und starrt auf das Wasser und denkt über diesen Abend nach.

Wie jeden Samstagabend tranken sie eine Falsche Wein. Wieder hatten sie sich nur angeschwiegen. Und wieder fragte er sich: ,Warum redet sie nicht mit mir? Wieso ist sie auf einmal so eiskalt? Früher war sie anders.
Erst nach dem fünften Glas fiel ihm auf, wie lang sie schon da saßen, sich anschwiegen, sich gegenseitig anstarrten. Noch nie hatte er sie so war genommen wie jetzt. Wie sie dort saß. Wie sie sich durch die Haare fuhr, die Sommersprossen in ihrem Gesicht, die harten Gesichtszüge, die blasse Haut, die langen schwarzen Haare, die dunklen langen Wimpern, die sonst so schönen braune Augen in denen er sich einst verloren hatte, starrten nun leer und grau vor sich hin. Den schönen Glanz hatten sie schon lange verloren.
Weitere Minuten waren vergangen und er durchbrach die Stille endlich mit krächzender Stimme :,,Warum bist du so zu mir?" Er bekam keine Antwort und sie starrte nur weiter vor sich hin. Er wiederholte seine Frage. Wieder keine Antwort. Er stand auf und stellte sich hinter sie sagte mit lauter und kräftiger Stimme: ,, was ist los? Wieso redest du nicht mit mir?!". Sie zuckte zusammen, gab ihm jedoch immer noch keine Antwort. Er setzte sich wieder hin und sah sie wieder an, diesmal erwiderte sie seinen Blick. Redete aber trotzdem nicht. Er hatte mittlerweile fast die ganze Flasche Rotwein geleert, obwohl er genau wusste was passiert, wenn er so viel trinkt.
Und dann passierte es auch. Er verlor die Kontrolle über sich. Nahm sein Glas und warf es mit solch einer Wucht gegen die Wand, dass es in tausend Teile zersprang. Erschrocken sprang sie auf, sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an und began :,, Es tut.." zu sagen, Doch den Satz konnte sie nie beenden. Wollte sie sich entschuldigen? Dann nahm er noch die Flasche und warf sie genau in Ihre Richtung. Die Flasche hatte sie an der Schulter getroffen und erst als das Blut auf ihrer weißen Bluse hervor trat, kam er wieder zu sich und realisierte, was er gerade getan hatte. Entsetzt über sich selber, stammelte er ein es tut mir leid und rannte aus dem Zimmer und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Zarra nahm währenddessen ihre Jacke und Tasche und lief aus dem Haus. Die Tür fiel mit einem lauten knall ins Schloss. Worauf er ebenfalls aus dem Haus stürmte und versuchte sie fest zu halten. Er wollte sie nicht gehen lassen, nicht seine Zarra, denn er wusste das sie sonst nie wieder zurück zu ihm kommen würde. Und damit sollte er auch recht behalten. Sie wehrte sich aber so stark, dass er sie los lassen musste. Sie schlug ihm ins Gesicht, stieg dann in ihr Auto und fuhr davon. Kurze Zeit später stand die Polizei vor der Tür und sie nahmen ihn mit.

Das zirpen einer Grille reißt ihn aus seinen Erinnerungen und er beschließt wieder zurück ins Haus zu gehen. Ins Schlafzimmer, um seine Sachen auszupacken, die man ihm auf der Wache abgenommen hatte. Viel hatte er nicht bei sich nur seine Uhr, Münzgeld, sein Handy und den Ehering. Er zog ihn wieder an und nimmt sein Handy um die Nummer von Zarra zu wählen, nur um noch ein letztes mal ihre Stimme zu hören. Auf der Mailbox....

Jetzt sitzt er jeden Tag alleine in dem alten Schaukelstuhl unten am See und trinkt seinen Wein alleine. Und jeden Tag sitzt er dort und wartet, wie sie es immer tat, darauf dass sie durch die Tür kommt und ,, Ich bin wieder zu Hause, Schatz" durch das jetzt so stille Haus ruft. Und jeden Tag fährt er zum Friedhof um sie zu besuchen. Und wie oft hat er den einen Satz in seinen Gedanken nach gesprochen: Sie war eben einfach keine gute Autofahrerin.

Das Schweigen der StilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt