Vielen Dank an: Lord_Maverik , dass ich mir seine Figur Sleepless leihen durfte :)
Es ist kalt. Eiskalt. Die Wolljacke enger um deinen Körper geschlungen, läufst du durch die fast leeren Straßen dieser Kleinstadt. Deine Heimat. Unter deinen hohen Stiefeln knirscht hörbar das Eis, welches sich die Tage und Wochen über auf dem schwarzen Asphalt ausgebreitet hat. Deine Schritte sind unregelmäßig. Du stampfst. Bist wütend. Wütend auf dich und die Welt. Erneut haben sie dich ausgelacht. Erneut haben sie dir Sachen oder gar Wörter an den Kopf geworfen. Doch du, saßt nur da, in völligem Selbstmitleid zerfressen und ließest zu, dass man dir derartiges immer wieder aufs Neue antat.
Jedoch ist heute ein Tag, indem du die Initiative ergreifst und beschließt deinen andauernden Kummer für immer zunichte zu machen. Keine Sorge, es ist kein Mord. Es liegt nicht an der Tatsache, dass du dir nicht wünschst, dein Gegenüber in seinem eignen Blut schwimmen zu sehen. Vielmehr ist es der Grund, dass du dich nicht traust. Du hast Angst vor den Konsequenzen, die auf dich zu kommen könnten. Daher ist ein kleiner Abstecher in die nächstgelegene Bar genau das richtige für dich. Ein bisschen Alkohol hat noch nie jemanden geschadet, denkst du dir mit einem begleitenden Achselzucken und gehst weiter deines Weges.
In der Bar angekommen überwältigt dich ein grauenvoller Gestank, den du als ein Gemisch aus Nikotin, ausgeschiedenen Fäkalien und menschlichen Schweiß identifizierst. Angestrengt versuchst du nicht deinen aufkommenden Mageninhalt herauszuwürgen. Die Blicke, die nun auf dir ruhen, sehen nicht gerade höflich und freundlich aus. Im Gegenteil. Purer Hass und Abscheu zeichnet jeden einzelnen von ihnen, während du langsam, dennoch bedacht auf einen freien Platz an der Theke zu steuerst und dich hin setzt. Als hättest du einen unsichtbaren Mechanismus betätigt, beginnen die zwielichtigen Leute ihre hitzigen Diskussionen und ihren weiteren Zeitvertreib von eben fortzusetzen.
Du schaust ihnen eine Weile zu. Unsicher, was du von ihnen halten sollst. Einige von ihnen scheinen um eine Waffe zu spielen, andere drohen sich gegenseitig zu erschießen, sollten sie nicht ihren Anteil des vor ihnen platzierten Geldes bekommen. Ein unangenehmes Gefühl überkommt dich. Du fühlst dich völlig fehl am Platz. Nur ein Drink. Dann bin ich weg, versuchst du dir in Gedanken Mut zu zusprechen, um dein Vorhaben durchzuziehen. „Was darf's denn sein, Kleine?", erkundigt sich die busige Bardame vor dir und schaut dich erwartungsvoll an. Du zögerst nicht lange und bestellst dir eine Bloody Mary. Die Bardame vor dir zieht die Mundwinkel nach oben, ehe sie sich mit dem bestehenden Grinsen an die Arbeit macht.
„Du bist mutig", vernimmst du plötzlich eine dumpfe Stimme. Es klingt, als spreche jemand durch einen Schal. Erst jetzt, drehst du dein Kopf zu deinem Nachbarn um, dessen Anwesenheit durch seine Stille und Zurückhaltung du nicht wahrgenommen hast. Seine Kleidung besteht aus einer braunen Staubjacke und einer verwaschenen Jeans. Bis zu den Schultern hängen seine braunen Haare glatt. Du weitest deine Augen, während dein Gehirn in Hochtouren arbeitet. „Das kann nicht sein... du bist nicht...", „Real?", entgegnet dein Gesprächspartner mit einem gespielt amüsierten Unterton. „Dann sag mir... sind diese Augen auch nur eine Ausgeburt von Fantasie?", spricht er, während er seine schwarze Sonnenbrille vom Gesicht nimmt. Blaugrüne Augen leuchten dir mit einer ungesunden Helligkeit entgegen. Das Licht ist so grell, dass du gezwungen bist, deine Augen zu schließen.
„Öffne deine Augen", kommt es streng, doch mit einer gewissen Gleichgültigkeit von seinen Lippen. Als du sie öffnest, trifft dich die Realität wie eine Wucht. Bislang hast du immer geglaubt, der Mann so wie er im Buche steht, sei nur eine Schöpfung eines Autors, dessen Werke du gerne mit Faszination und Staunen gelesen hast. Ganz besonders seine Geschichte hat es dir angetan. Die Art, wie er kämpft. Die Art, wie sein Charakter repräsentiert wird – all das war so präzise und mit reinster Hingabe geschildert, dass es für dich manchmal so wirkte, als wäre der schlaflose Killer real. Doch tief in deinem Inneren wusstest du, dass es nur eine Geschichte sein muss. Schließlich schreiben Autoren, um uns Leser in eine andere Welt zu entführen. In ihre Welt. Wo alles nach ihren Gesetzen und Regeln läuft.
„Raphael?", flüsterst du leise, aus Angst vor seiner Reaktion. Du weißt, dass er seinen leiblichen Namen hasst und doch, verleiht der schöne Klang ein passendes Gesamtbild zu ihm selbst. „Sleepless. Mein Name ist Sleepless!", knurrt er dir entgegen. Sein Blick ist nun starr auf das würzig-alkoholische Getränk vor ihm gerichtet. Inzwischen ist dein Teil der Theke ebenfalls mit demselben Getränk versehen, doch du warst zu konzentriert auf ihn gewesen, als das du es bemerkt haben könntest. Nur langsam nippst du etwas von diesem Gesöff, kurzerhand stellst du es ab. Dein Gesicht hat sich zu einer angewiderten Grimasse verzogen. „Ist das ekelig!", stößt du angewidert hervor und erschauderst. So etwas ist dir als Getränk noch nie untergekommen. Selbst, wenn es das erste Mal war, dass du Alkohol probiert hast.
Ein leises Kichern hallt durch die Bar und verschwindet langsam im buntem Stimmengewirr der Gäste. „Ich sagte doch, du bist mutig", rekapituliert der schlaflose Killer und widmet sich wieder dir zu. Seine anfängliche Kühle, die sich auf seinem Gesicht gezeichnet hatte, hat sich blitzschnell in ein sanftes, amüsiertes Lächeln verwandelt. „Mein Getränk ist eh fast leer. Ich mach dir ein Vorschlag: Ich trinke das mit dir zusammen. Geteiltes Leid, ist halbes Leid", lacht er. Mit einem Lächeln stimmst du seinem Vorschlag zu. Kurz darauf stecken zwei Strohhalme in einem Glas. Sleepless ist bemüht langsam zu trinken, damit auch du dich an den Geschmack des blutroten Getränks gewöhnen kannst. Dennoch, egal wie oft du es auch versuchst: Nie kommst du über einen Zug, ohne gleich das Gesicht vor reinstem Ekel zu verziehen. Der Mann mit den grün-blauen Augen lacht herzhaft über deine Reaktion.
Nachdem du ihm den letzten Rest überlassen hast, begibt ihr euch beide aus der Bar. Der Himmel ist an einigen Stellen in violetten Tönen getaucht. Anscheinend bist du länger geblieben, als du es zu Anfang geplant hattest. „Das war ein netter Abend", kommentiert er, während er neben dir läuft. Seine Hände sind in seiner Jacke versteckt. Erst jetzt fällt dir auf, dass sein Kleidungsstück mit einigen, alten, eingetrockneten Blutflecken übersät ist. Ein unwohlwollendes Gefühl kommt in dir auf, je weiter du seinen Schritten standhältst. Dir ist klar, dass du umkehren musst. Länger als nötig, wirst und willst du nicht mit ihm verbleiben.
„Was ist los? Siehst angespannt aus", stellt der berüchtigte Killer fest, während er plötzlich aufhört, neben dir herzugehen. Wie aus dem Nichts packt er deinen Arm. Die Reaktion ist zu schnell und überraschend, als das du die Option besitzt, dich zu wehren. Nackte Panik kriecht deine Nervenbahnen entlang. „Was... willst du...!" Zeit um deinen Satz zu beenden bleibt dir nicht, denn schon hat er seine Lippen auf die deinen gedrückt. Pure Wärme durchflutet sie, dessen Ursprung der seinen sind. Deine Augen sind vor Erstaunen aufgerissen. Mit allem hattest du gerechnet. In deiner schlimmsten Vorstellung, sahst du bereits dein Leben an dir vorbeiziehen. Doch das der Mann, den du so fasziniert und fantastisch findest dich küssen würde, sprengt all deine Vorstellungskräfte. Nach einer halben Ewigkeit lässt er endlich von dir ab. Seine Hände umklammern deine. Die Röte, welche sein Gesicht bedeckt, geht selbst an dir nicht spurlos vorbei. „Entspann dich... Ich... wollte dir nur sagen, dass ich dich gern... hab. Du bist ein interessantes Mädchen." Seine lieben Worte bringen dich zum Kichern. „Und ein Mädchen mit einem so plötzlichen Kuss zu überwältigen, ist die beste Lösung dafür?", kicherst du weiter amüsiert und gibst ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. „Ich hab dich auch gern... Sleepless." Sleepless lächelt als er seinen Kosenamen hört.
Bald darauf verabschiedet er sich von dir. Diese Nacht bleibst du noch lange wach. Deine Gedanken kreisen ständig um ihn, um den Kuss und den Moment in der Bar, als du ihm zum ersten Mal begegnet bist. Alles ist dir recht, nur um deinen Traummann wiedersehen zu können. Doch egal wo er auch sein mag, in diesem Moment denkt er an dich, so wie du an ihn denkst. Und wenn du es dir ganz fest wünschst, kannst du seine leuchtenden Augen in der Dunkelheit sehen...
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Sleepless x Reader (Teil 1)
Short StoryEine Kurzgeschichte zu Sleepless und einem Reader. Hoffe es gefällt euch :) Beide Bilder wurden von 13NeKo13 erstellt.