Eigentlich hasse ich den Advent.

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Felix wachte an diesem Samstagmittag genervt auf.
Warum er eigentlich genervt war?
So genau wusste er es nicht.
Zumindest redete er es sich streng ein.
Es war wenige Tage vor Weihnachten.
Und schon Wochen vorher schallten überall Werbungen über den heiligen Advent. Über Weihnachten.
Dieses verdammte Weihnachten.
Felix nervte das.
Überhaupt konnte er einfach nicht nachvollziehen, wie man an all dem Stress drumherum so eine überschäumende Freude haben konnte. Und all diese überteuerten Geschenke. Er hatte sich als Kind zwar über diese Dinge gefreut, doch mittlerweile, jetzt als Erwachsener...nun. Materielle Dinge wurden für ihn nicht mehr wichtig, doch noch immer herrschte quasi ein unausgesprochener Schenkzwang.
Und das störte ihn ungemein.
Allem voran dieses Geschauspiele.
Die Heuchlerei.
Genau das verstand Felix am allerwenigsten.
Warum musste man gerade an diesen Abenden derart viel vorspielen?

Seine Leiter knarrte.
Oh, bitte nicht jetzt.
Er hatte noch nicht seinen Kaffee.
Und heute war er wirklich nicht in der besten Laune. Innerlich zählte er bereits bis zehn, als ein noch etwas müder, zerknautschter Jako zu ihm gekrabbelt kam, sich schließlich im Schneidersitz zu ihm setzte.
Er lächelte ihn freundlich an, und sofort schob Felix die bösen Gedanken weg. Jako konnte er das nicht antun.
Und außerdem...er wollte seinen besten Freund nicht verschmähen.
Überhaupt, fand der Bärtige, roch Jako in letzter Zeit noch besser,
und seine Haare waren noch ordentlicher. Doch selbst jetzt, wo er noch etwas Schlaf in den Augen hatte, diese schweren Lider, der unfassbar warme Blick, der auf ihm ruhte...
dann wusste Felix nicht mehr, auf was er eigentlich wieder so grummelig war, was mit ihm los sein könnte. Aber die Weihnachtszeit war einfach nicht seins. Das hatte er schon vor einigen Jahren immer mehr feststellen küssen. Auch, wenn es vielleicht schade war. Aber so war nun einmal der aktuelle Standpunkt.

Jako wippte mit dem Oberkörper leicht vor und zurück.
Er war unruhig.
Etwas beschäftigte ihn.
"Felix?
Kann ich dich etwas fragen?"
Er klang etwas scheu, zurückhaltend.
Und das war komisch.
Sonst war er doch nie so.
Irgendwas war in der Luft.
Aber Felix konnte jetzt noch nicht sagen, was los war.

"Klar, Jako. Was ist denn?"
Nun blinzelte Jako stark, starrte angestrengt auf die Schulter vom Älteren. "Fährst du dieses Jahr nach Hause? An Weihnachten, meine ich."
Felix brummte leicht genervt auf.
Er konnte es nicht zurückhalten.
Nein. Würde er nicht.
Die Uni hatte stark gelitten, außerdem war zuhause gerade Stress.
Das wollte er sich nicht antun. Doch er hatte natürlich die zig Mails seiner Familie gelesen, seine Antwort war aber immer verhalten gewesen. Hatte er noch gar nicht Jako davon erzählt? Hatte er so wenig daran denken wollen?
Da blinzelte auch er, weil der Jüngere ja auf eine Antwort von ihm wartete, ehe er leicht mit dem Kopf schüttelte.
"Nee. Komm dieses Jahr nicht dazu.
Zuviel Uni-Kram und so."
Jako nickte leicht abwesend und versuchte anschließend, so beiläufig wie möglich zu klingen.
"Ach so. War eh nicht so wichtig.
Ehm...willst du mit mir frühstücken?
Die anderen haben schon und wollen gleich zu ihren Familien fahren und da wollt ich fragen, ob du Lust hast, mit mir....also...zusammen...zu...zu essen. Genau. Hab auch Kaffee aufgesetzt."
Ein zarter Rotton zierte seine Wangen und er fand einfach keinen ruhigen Punkt. Jako beschäftigte auf jeden Fall etwas, so wie der stammelte.
Doch vielleicht würde er es mit etwas Geschick preisgeben.
Felix ließ Jakos Aufregung bewusst unkommentiert und setzte sich gähnend auf.
"Wann wollen die Jungs denn los?", wollte er wissen.
"Ehm...sie wollten in den nächsten Minuten los. Deswegen wollte ich dich wecken, damit du dich auch verabschieden konntest."
Felix nickte verstehend, erhob sich leise ächzend auf die Knie und folgte ihm schließlich die Leiter hinunter, noch in Shirt und schwarzen Shorts.
Barfuß tapste er hinter Jako her, während dieser dicke Wollsocken trug, Jogginghose und einen dunkelgrünen Strickpullover.
Es sah ja schon irgendwie niedlich aus, wie er so zerzauste Haare und extra dicke Socken trug...
Schnell schüttelte Felix lächelnd den Kopf und sah auch schon seine Mitwohner vereinzelt auf ihn zugehen. Jeder wurde kurz gedrückt und jedem wurden schöne Feiertage gewünscht, doch Felix war schon ganz woanders. Ehrlich gesagt konnte er es kaum noch abwarten, wenn dieses Jahr endlich vorbei sein würde.
Er hatte von diesem Jahr genug.
Und von Weihnachtsstimmung war trotz der etwas vorhandenen Dekoration in ihm nichts zu spüren.
Schließlich schloss die Haustür sich und sie beide waren die einzigen, die nun auf die Wohnung aufpassen durften. Jako ging zielstrebig in die Küche und summte leise.
Doch Felix spürte, dass da etwas in der Luft lag. Das merkte er sofort.
Etwas fehlte in Jakos Augen.
Dennoch aßen sie schweigend.
Da fiel es ihm ein.
Eventuell nur eine Idee.
"Jakob. Du hast kaum geschlafen, oder?"
Angesprochener ließ die Tasse sinken und sah ihn aus großen Augen an.
Dann schüttelte er hastig den Kopf.
"Quatsch...ich hab geschlafen...und außerdem hab ich mir die ganze Zeit Gedanken gemacht...wegen Weihnachten. Ich brauche noch etwas Deko und wollte mit dir kochen und Kekse backen und...."
"Warte mal."
Felix unterbrach ihn gerade.
Was meinte er damit, mit ihm kochen...? Hieß das etwa...
"Jakob. Warum bist du mit den anderen nicht mitgefahren?"
Jako stand auf.
Räumte schnell ein paar Lebensmittel zusammen und in den Kühlschrank.
Den Gesichtsausdruck konnte Felix nicht deuten. Er wurde einfach nicht schlau. Was sollte das hier?
"Ich gehe gleich Essen und Deko kaufen. Räumst du schon mal etwas auf?", wies der Jüngere ihn an und lächelte ihn leicht an.
"Hast du einen Wunsch für das Essen?"
Felix grummelte wieder leise.
Er wollte wissen, was hier los war.
Beim ruckartigen Aufstehen wackelte der Tisch etwas, doch das störte ihn gerade wenig. Erschrocken zuckte Jako zusammen und blieb stehen.
"Felix? Ist alles in Ordnung?"
Felix schüttelte den Kopf.
"Jakob."
Jako verzog das Gesicht.
Seine Hand zitterte leicht.
Felix atmete ruhig, trat auf ihn zu.
Nahm sanft seine Handgelenke.
Aus einem Reflex heraus.
Das Zittern beunruhigte ihn.
"Jakob...sag mir bitte, was los ist."
'Nein' hauchte Jako leise, zog die Schultern höher.
"Nicht...bitte lass mich, Felix."
Jakos Stimme zitterte.
Felix trat näher.
Die Verärgerung war verschwunden.
Da war jetzt nur große Sorge um seinen besten Freund.
Sanft gab er die Hände frei und schlang seine Arme um Jako, zog ihn an sich. "Da liegt doch irgendwas auf deinem Herzen...ich weiß doch, dass dich etwas mitnimmt.", sprach Felix leise und beruhigend.
Jako ließ sich in die Umarmung sinken, seufzte leise.
"Ich kann nicht."
"Jako..."
"Also gut."
Der Langhaarige holte erneut Luft und sprach leise.
"Meine Eltern werden sich trennen."
Das Klacken der Uhrzeiger war in der ganzen WG zu hören.

Der Weihnachtsmuffel/Fewjar OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt