XIII

29.1K 1.7K 48
                                    

Vor der Halle warteten Tony und Evan, jedoch war Oliver nirgends zu sehen. Schulterzuckend gesellte ich mich zu den zwei Jungs und beteiligte mich an dem Gespräch.

"Hey, hättet ihr Lust zu mir zu kommen?", fragte Tony uns beide.

Nach kurzem überlegen nickten Evan und ich zustimmend, da wir wussten, dass unsere Mutter heute unsere kleinen Geschwister abholen und eine Freundin, namens Audrey, besuchen würde. Gegen Abend kämen sie dann wieder nach Hause und solang hätten Evan und ich Zeit.

Zu dritt gingen wir los und unterhielten uns unterwegs.

"Wohin ist eigentlich Oliver so schnell abgehauen nach dem Boxen?", fragte ich neugierig.

"Er musste nach Hause, um seinen Eltern beim Einrichten zu helfen", erklärte mir Tony.

"Ach so. Habe mich nur gewundert, warum er sofort weg war."

"Er ist vor dir geflohen, weil er dich nicht mehr länger ertragen konnte", meinte Evan tot ernst, bis ich ihm gespielt beleidigt gegen den Oberarm boxte und Evan und Tony los prusteten.

Während die zwei sich auf meine Kosten amüsierten, konnte ich nur meine Augen verdrehen, obwohl ich selber ein Schmunzeln zu unterdrücken versuchte.

"Natürlich weißt du, dass wir nur Spaß machen, oder?", ertönte die Stimme meines Bruders, nachdem die Jungs sich wieder im Griff hatten. Er legte einen Arm um meine Schulter und grinste mich frech an.

"Natürlich weiß ich das."

~

Wir waren so in unser Gespräch vertieft, dass wir kaum merkten, dass wir bereits bei Tony Zuhause angekommen waren.

"E... Eric?", stotterte Tony plötzlich und ich folgte seinem Blick.

Wir waren sogar so vertieft in das Gespräch gewesen, dass wir überhaupt nicht mit bekommen hatten, dass Eric mit seinem Sportwagen am Straßenrand vor der Haustür stand.

Was machte er denn hier?

Eric stand unentschlossen an sein Auto gelehnt und lächelte Tony unsicher an. Als sein Blick schließlich zu mir schweifte, änderte sich nichts an seinem Ausdruck. Seine Augen streiften mich nur kurz, bevor er direkt wieder zu Tony schaute und so tat, als würde er mich gar nicht kennen.

"Hey Tony, ich wollte eigentlich mit dir reden", kam es leise von Eric. Man sah den Jungen an, wie viel Überwindung ihn den folgenden Schritt kosten würde.

"Was willst du?", fragte Tony misstrauisch neben mir.

"Ich... Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Weil ich weiß, dass ich mich in letzter Zeit dämlich verhalten habe".

"Du solltest dich nicht nur bei mir, sondern auch bei Zoey entschuldigen", erwiderte Tony.

"Das habe ich schon", grinste Eric. "Nicht wahr?", der zweite Teil war an mich gerichtet.

Verdutzt nickte ich und meinte: "Ja, das stimmt", als mich Evan und unser Freund prüfend an starrten.

"Wa", setzte mein großer Bruder an, doch ein Klingeln unterbrach ihn. Sofort erkannte ich den Klingelton, denn es war Evans Tastenhandy, das tief in seiner Sporttasche klingelte, gedämpft von den Klamotten.

Evan und ich tauschten einen wissenden Blick, bevor er hektisch den Reißverschluss seiner Tasche aufriss und fast schon panisch durch seine Sachen wühlte, bis er das fand, was er suchte. Wir wussten nämlich beide, dass uns unsere Mutter nur im Notfall anrief und sie fast die einzige Person war, die überhaupt unsere Nummer hatte. Schließlich hielt mein Bruder das Handy in der Hand, das immer noch klingelte, und stellte sich wieder aufrecht. Doch das Display zeigte im Gegensatz zu meiner Erwartung nicht "Mama" an, sondern eine mir unbekannte Nummer. Trotzdem drückte er den Knopf mit dem grünen Hörer, um den eingehenden Anruf entgegenzunehmen.

"Evan David", sprach mein Bruder, als er das Handy an sein Ohr geführt hatte.

Gespannt versuchte ich zu hören, was die unbekannte Nummer meinem Bruder mitteilen wollte. Doch verstand ich leider nichts.

"Wie bitte? Das kann nicht sein. Meine Mutter sollte sie abholen", sprach Evan in das Handy.

Ich bemerkte wie seine Hand zu zittern begann und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.

"Okey, vielen Dank. Ich werde kommen", waren Evans letzte Worte, bevor er auf legte und mich verzweifelt anguckte.

"Mama hat Amy, Brian und Ryan nicht abgeholt und sie sind noch in der Kita, obwohl diese jetzt schließt und Mama wusste das. Sie vergisst uns nie." Ich konnte beim letzten Satz nur kräftig nicken, denn es stimmte, dass unsere Mutter noch nie jemanden von uns vergessen hatte.

War etwas Schlimmes passiert?

"Wir müssen jetzt los, Zoey", sagte Evan aufgewühlt und richtete sich dann an Tony: "Tut mir leid, wir müssen gehen. Es ist wichtig".

"Kein Problem. Beeilt euch und ich hoffe, dass nichts Schlimmes passiert ist", nickte Tony mitfühlend.

~

Glücklicherweise befand sich die Tagesstätte nicht weit von hier entfernt und so konnten wir Erics freundliches Angebot und zu fahren, dankend ablehnen. Mitten auf dem Weg vereinbarten Evan und Ich, dass er die Kinder abholen würde und dass ich zu der Arbeit meiner Mutter weiter laufen würde, um nach ihr zu sehen. Wir beteten beide, dass sie einfach nur nicht auf die Uhr geschaut und vergessen hatte, wie spät es schon war.

Bei der nächsten Kreuzung joggte ich in die Straße links, schaute über die Schulter und verabschiedete mich schnell von meinem großen Bruder.

Keuchend lief ich durch die Straßen weiter und ignorierte dabei mein viel zu schnell klopfendes Herz. Währenddessen versuchte ich meine Mutter auf ihrem Tastenhandy zu erreichen, doch wie erwartet, war es aus.

Nach wenigen Minuten, die sie wie eine Unendlichkeit anfühlten, kam ich total aufgewühlt vor dem Hotel an, indem meine Mutter arbeitete.

Ich versuchte mich zu beruhigen, denn obwohl ich kein sonderlich gutes Gefühl hatte, als ich die Tür auf stieß, wollte ich nicht die Situation über dramatisieren.

Mit großen Schritten ging ich zügig auf die Rezeption zu und begann ohne mich vorzustellen, der Frau die Situation zu erklären: "Ist Ina David hier? Sie müsste eigentlich meine Geschwister abholen, aber das hat sie nicht getan. Sie muss noch hier sein. Sie ist meine Mutter."

Die Wörter sprudelten viel zu schnell aus meinem Mund und auch die Dame bemerkte, dass ich unglaublich zu aufgeregt war, was mein zitternder Körper nochmals bestätigte.

"Beruhigen sie sich Miss. Wie war nochmal der Name ihrer Mutter?", erklang die ausgeglichene Stimme, der rundlichen Frau hinter dem Tresen.

"Ina David."

Plötzlich änderte sich etwas an dem Gesichtsausdruck der Frau, die mir Gegenüber stand. Ihre Lippen presste sie fast unmerklich aufeinander und ihre braunen Augen verdunkelten sich und füllten sich mit... Mitleid?

"Was ist mit ihr passiert?", bebte meine Stimme hysterisch. Mein Atem stockte und bei jedem Wort schmerzte meine Kehle mehr und mehr. Eine grausame Angst durchströmte mich und ich hatte das Gefühl, das tausende mich tausende Nadeln stachen.

"Ms. David ist vor einer Stunde während der Arbeit in Ohnmacht gefallen und wurde direkt in das Krankenhaus hier in der Nähe gebracht. Zum Gesundheitszustand ihrer Mutter kann ich ihnen leider nichts sagen", brachte die Frau zögernd heraus und mied mir dabei in die Augen zu schauen.

Ich tat ihr leid.

All About Him | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt