Luks PoV
Gibt es einen Ort, den ich mehr hasse als Raffzahns Büro? Vermutlich nicht. Und der Grund dafür ist nicht die miserable Deckenbeleuchtung oder die Tatsache, dass ein Gespenst in der eisernen Jungfrau haust. Nein. Daran ist der Fakt schuld, dass Gabriel und ich schon viel zu oft hier waren und es für uns dabei stets übel ausging. Nur habe ich heute tatsächlich etwas Angst, da nicht wie sonst Gabriel neben mir sitzt, sondern das Gespenst. Und es löst Kreuzworträtsel, ist also keine grosse Hilfe. "Also, Luk", beginnt Raffzahn mich zu verhören,"was hattest du in der Speisekammer zu suchen?" Ich schweige und werfe dem Gespenst einen flehenden Blick zu. Meistens schafft es, Raffzahn noch wütender zu machen und die auf sich selber zu lenekn. Doch heute scheint es viel zu beschäftigt mit seinem Rätsel zu sein. "Luk!",brüllt Raffzahn,"sieh mich an und beantworte gefälligst meine Frage. Oder ich stecke dich zur Ausnüchterung in die Kapelle." Ich fahre zusammen und stottere: "Bitte bitte, nicht die Kapelle. Ich hatte e-einfach Hunger." "Wiso warst du dann nicht beim Abendessen?" "War ich ja aber es war nicht genug." Mein Kopf fliegt zur Seite, als Raffzahn mir eine kräftige Ohrfeige verpasst. "Lüg nicht. Wenn du da gewesen wärst, hätte ich es gemerkt." "Ja schon aber dann hättest du gleich zwei Jungvampire gehabt, die dich auf die Palme bringe" Die beiden Maulschellen, die darauf folgen, lassen Sterne vor meinen Augen tanzen. Doch ich gebe mir alle Mühe, eine unbeteiligte Miene aufzusetzen und den Schmerz in meiner Wange so gut es geht zu ignorieren. Raffzahn knurrt:"Ich werde dir die Frechheiten schon austreiben. Dir und Gabriel." Ich entgegne jetzt lieber nichts darauf, es wird schon schmerzhaft genug werden. Währenddessen beginnt Raffzahn auf und ab zu gehen, wie eine Tiger im Käfig. Ich seufze auf, als der Obervampir auch noch anfängt, mir einen Vortrag zu halten. Bei Dracula. Das kann ja heiter werden.
Eine endlose Zeit später, in der Raffzahn nur über Ehre, Tugend und Gehorsams eines Jungvampirs gesprochen hat, kommt er endlich dem Ende zu. Zum Glück, denn mein ganzer Körper fühlt sich inzwischen taub an und sitzen ist auch ziemlich unbequem geworden. Schliesslich zieht Raffzahn einen zackigen Schlussstrich und baut sich wieder vor mir auf. Meine Nackenmuskeln versteifen sich, als ich meinen Kopf hebe und zu ihm hochsehe. "So. Was mache ich jetzt nur mit dir?" Ich schlucke leer. Einige von Raffzahns abscheulichsten Foltermethoden schiessen mir durch den Kopf, doch ich versuche, ruhig zu bleiben. Noch ist nichts entschieden. "Ich hätte nicht übel Lust, dich eine Woche in der Kapelle versauern zu lassen." Da kann ich nicht mehr an mich halten. Bei dem Wort Kapelle drehen bei mir alle Sicherungen durch. "Aber das darfst du nicht. Was auch immer Gabriel getan hat kann nicht viel schlimmer sein und er muss nur abwaschen." Ich rechnet damit, im nächsten Augenblick k.o. geschlagen in der Kapelle auf zu wachen, doch nichts geschieht. Vorsichtig hebe ich den Blick und erstarre. Raffzahn lacht?! Im ersten Moment macht sich Erleichterung in mir breit, dann im nächsten fühlt ich mich beleidigt. "Wie passend, dass du deinen Vampirfreund erwähnst, mit dem bin ich nämlich auch noch nicht fertig", sagt Raffzahn, "und wo wir schon bei Gabriel sind. Hast du dich nicht gefragt, wieso so viele Teller und Tassen getischt wurden?" Ich öffne den Mund, um zu antworten, doch Raffzahn wartet nicht ab, sondern redet weiter:"Eine Schulklasse stand heute morgen vor unserem Schloss. Menschen! Zwei Lehrer und 26 laute nervige Bälger. Sie suchten eine Herberge für die Nacht oder sogar noch länger. Als ich fragte, weshalb, teilten sie mir mit, dass ihre Zuglinie unterbrochen worden sei, weil jemand das Stromnetz gekappt habe. Also liess ich sie erst mal herein. Und nur kurze Zeit später tauchte Freund Gabriel hier auf, natürlich der einzige, bis auf dich, der auch tagsüber fliegen kann. Natürlich war mir sofort klar, wer der Schuldige war. Aus diesem Grund schrubbt er jetzt auch das ganze Geschirr." "Gabriel, wie hast du das nur wieder geschafft?", denke ich. Zusammen haben wir es zwar mal fertig gebracht, einen ganzen Glockenturm einstürzen zu lassen, doch der Besuch einer Menschenklasse würde noch viel ärgere Konsequenzen nach sich ziehen. Noch davon abgesehen, dass die Menschen vielleicht sogar herausfinden, dass wir Vampire waren. Ein Frösteln durchläuft meinen Körper. Ein Räuspern holt mich wieder zurück in die Gegenwart und hielt mir vor Augen, wer mein momentan grösstes Problem ist. Raffzahns Stimme ist gefährlich leise, wie immer, wenn er Gabriel oder mir die Strafe verkündet. "Ich weiss, dass du beim Zug nicht dabei warst, doch ich kann dich nicht so einfach davon kommen lassen. Immerhin hast du unerlaubt die Speisekammer besucht und ausserdem verschlafen. Doch da die herkömlichen Mittel bei dir und Gabriel nichts bewirken, habe ich mir etwas anderes ausgedacht. Und zwar werden Gabriel und du für die Menschen klasse den Babysitter spielen und dies solange bis die Menschen wieder fort sind. Für jeden Fehler, den die Klasse macht, seid ihr verantwortlich und habt dementsprechende Konsequenzen zu erwarten. Hast du mich verstanden, Luk?" "Ja, habe ich" Innerlich verfluche ich Gabriel für seine Unachtsamkeit. Verdammt und zugebissen. Diese Menschen bringen uns noch in Teufels... padon... Raffzahns Küche.
"Kann ich jetzt gehen?", frage ich hoffnungsvoll. Raffzahn nickt. "Ja, wir sind fertig hier. Und wenn Gabriel seinen Abwasch erledigt hat, schickst du ihn zu mir. Mit ihm habe ich nähmlich noch ein Hühnchen zu rupfen." Ich stehe auf und bin schon an der Tür, als Raffzahn noch ruft: "Luk. Denk an die Menschenklasse. Und keinem ein Wort davon, dass ihr die Aufpasser seid, sonst weisst du, was dir blüht." Ich presse die Lippen zusammen und husche aus der Tür. Der kurze Blick zurück hätte ich mir lieber ersparrt. Auf dem Tisch liegt eine silberne Feile, in der sich das trübe Licht der Kammer spiegelt.
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Vampirinternat
FantasiaTranssilvanien. Ein Internat. Ein Haufen verrückter Jungvampire und ein strenger Internatsleiter. Das Leben für Luk und Gabriel ist nicht einfach. Verachtet von ihren Familien, weil sie das Tageslicht berühren können, wurden sie aufs Vamperinternat...