Kapitel 16 - Am Ende

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Gerrit war so unglaublich erleichtert, als er die Stimme seiner Kollegin hörte, dass er erst einmal nicht antwortete, sondern stattdessen schneller lief. Dann rief er erneut nach ihr, denn er wusste nicht, in welche Richtung er weiter musste. Seine Kollegin antwortete aus einem Zimmer links von ihm. Also hastete der Kommissar weiter, Handylampe und Pistole im Anschlag. Da endlich! Alex' Stimme kam genau aus der zweiten Tür vor ihm. Er rechnete fest damit, dass die Tür abgeschlossen war und warf sich deshalb mit seinem ganzen Gewicht dagegen, doch die Tür war nicht gesperrt, hatte fast keinen Widerstand und so stolperte Gerrit ziemlich unbeholfen in den Raum. Dann entdeckte er Alex in der Wanne liegend und eilte sofort zu ihr. Er bemerkte ihre Fesseln an Armen und Beinen, löste sie schnell und trotzdem so behutsam wie es ihm unter Zeitdruck möglich war. Alex schluchzte leise auf, daher nahm Gerrit sie in die Arme und redete leise auf sie ein: „Ich hab dich, wir kommen hier wieder raus. Dir wird nichts passieren." Alex versuchte, vorsichtig aufzustehen, doch ihre Beine wollten ihr Gewicht nicht tragen. Gerrit konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie auf den Boden fiel. „Es tut mir leid. Aber ich glaube, ich kann alleine nicht laufen, Gerrit.", flüsterte Alex beschämt. Gerrit sah ihr an, wie schlecht es ihr ging, wie blass sie war und warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Fünf Minuten hatte er noch, um sie heil hier raus zu bekommen.Er lächelte Alex beruhigend zu, nahm sie kurzerhand auf die Arme und versuchte Zuversicht auszustrahlen. „Kein Problem, Kleines. Der Superheld ist doch da." Alex musste lächeln, dann zuckte sie kurz zusammen, da ihr Bauch durch die plötzliche Bewegung weh tat, doch sie bemerkte Gerrits Blick und überspielte ihren Schmerz. Dann legte sie die Arme um seinen Hals, den Kopf an seine Brust und versuchte, sich so leicht wie möglich zu machen, während Gerrit sie aus dem Zimmer und in Richtung Ausgang trug. Der Kommissar war erschrocken, als er merkte, dass Alex verletzt war. Natürlich würde sie es nicht zugeben, aber er hatte es gemerkt. Leider hatte er einfach keine Zeit, sich darum zu kümmern. So bemühte er sich einfach nur, sich so vorsichtig wie möglich zu bewegen, als er aus dem Zimmer lief. Als Alex die Arme um seinen Hals gelegt hatte, war er irgendwie glücklich und zuversichtlich, dass sie beide aus dem Gebäude raus kommen würden. Er beschleunigte seine Schritte in Richtung des Treppenhauses. Alex schaute zu ihrem Kollegen hoch und blickte in seine konzentrierten Gesichtszüge. Sie fühlte sich sicher und geborgen und vertraute darauf, dass ihr Kollege auf sie aufpasste. Dann schloss sie die Augen und ergab sich ihrer Erschöpfung. Gerrit war für einen Moment alarmiert, als er sah, dass Alex ' Züge erschlafften, dann sah er, dass sie ruhig weiteratmete und die Augen nur vor Müdigkeit geschlossen hatte. Das war ihm nur lieb, denn so konnte er sich besser auf die Flucht konzentrieren.

Michael stand beunruhigt am Rande des Bauzauns und blickte bang auf das Hotel. Die automatisierte Sprengung würde in sechs Minuten stattfinden. Robert hatte ihm zwar in Bezug auf das Mädchen und die Verdächtige das Gewissen erleichtert, doch seine größte Sorge galt den beiden Kollegen, die in dem Gebäude vor seiner Nase waren und denen er nicht helfen konnte. Michael rang mit dem Gedanken selbst in das alte Hotel zu stürmen, besann sich jedoch anders. Bis er drinnen war und Gerrit und Alex gefunden hätte, wäre es Zeit gewesen, schon wieder auf dem Weg nach draußen zu sein. Hätte er Haare, würde er sie sich nun raufen. Das SEK hatte das Hotel weiträumig umstellt und sie suchten bereits seit ein paar Minuten nach den Verdächtigen Marius Böhmer und Ferdinand Mahrn. Michael war sich sicher, dass sich die beiden irgendwo in der Nähe befanden, um das Spektakel mit anzusehen. Kurz darauf bekam er über Funk Mitteilung, dass eine verdächtige Person in tarnfarbenen Klamotten hinter dem Hotel zu sehen sei. Also machte Michael sich auf, die Kollegen zu unterstützen. Und tatsächlich sah er einige hundert Meter weiter den Verdächtigen Böhmer in einer Nische sitzen. Michael blickte während des Laufens auf seine Uhr. Noch vier Minuten bis zur Sprengung. Er setzte alles auf eine Karte und befahl über Funk den Zugriff. Er hatte gesehen, dass der Verdächtige den Zeitstopper in den Händen hatte. Das SEK und er sprangen mit gezogenen Waffen auf Marius Böhmer zu und befahlen ihm, die Hände zu heben. Zu spät sah Michael, dass der Mann ebenfalls einen Stein in der Hand hielt. Noch während er auf den Mann zu rannte, erkannte er, dass er es nicht schaffen würde. Kurz bevor Michael den Kerl umriss, ließ dieser hämisch grinsend den Stein auf das Gerät sausen.

Gerrit keuchte inzwischen ziemlich heftig denn der Gewaltsprint mit seiner Kollegin durch das Gebäude verlangte ihm alles ab. Da endlich! Er war an der letzten Biegung angekommen. Ihn und Alex trennten noch ein Stockwerk und 30 Meter von der Freiheit und der Rettung. Erleichtert eilte Gerrit weiter, als er ein tiefes Grollen über ihm hörte. Zeitgleich fing die Decke über ihm an zu bröseln. Der Kommissar wusste, was das hieß und dass es zu spät war. Er drückte Alex einen Kuss auf den Kopf und flüsterte „Ich liebe dich.". Dann drückte er sie fest an sich, drehte sich um und rannte mit ihr auf dem Arm in die Richtung zurück aus der sie gekommen waren. Sein letzter Gedanke galt Robert und Michael.

Der älteste Kommissar rappelte sich schnell auf und starrte entsetzt auf die Stelle, an der statt der Rettung seiner Kollegen nur noch ein Gewühl aus Plastik und Kabeln lag. Das SEK nahm den Mann fest, der nun wie irre kicherte, und hielt ihm am Boden, während Michael sich wie gelähmt umdrehte und schleppend auf das Hotel zuging. Er hatte keine Ahnung, was er nun machen sollte. Gerrit anrufen, ihm die Neuigkeiten mitteilen und sich verabschieden? Das war zu grausam. Aber er konnte auch nicht einfach hier rumstehen und Nichts tun.  Michaels Gedanken drehten sich im Kreis, aber noch bevor er zu einer Entscheidung kommen konnte, explodierte vor ihm der oberste Stock des Gebäudes.

Angst [K11 - Kommissare im Einsatz]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt