DasselbeEs war immer Dasselbe.
Zuerst versperrten sie ihm den Weg, beschimpften ihn, bis sie schließlich anfingen ihn herum zu schupsen und den Schulranzen von seinem Rücken rissen. Drei von ihnen begnügten sich weiterhin mit ihm indem sie ihn schlugen und schließlich auf die Knie zwangen, während die anderen zwei seinen Rucksack entleerten und mit seinen Büchern und Wertsachen durch die Gegend warfen. Die Gruppe prügelte immer so lange auf ihn ein, bis die Schulklingel ertönte und sie wohl oder übel gezwungen waren, in ihre Klassen zu gehen. Danach, rappelte er sich ein wenig schwerfällig auf, sammelte seine Sachen wieder ein und verschwand ebenfalls im Schulgebäude.Und jedes Mal passierte es so. Fünf Mal in der Woche.
Und jedes Mal stand er hier, seitlich des Schuleingangs angelehnt an eine große Eiche und beobachtete wie Tag für Tag einer seiner Mitschüler verprügelt wurde.
Er hatte nie etwas dagegen getan.Und manchmal fühlte er sich deshalb schlecht. Nein, was hieß manchmal. Jedes Mal, wenn er den Jungen sah, wie er hilflos am Bode lag, sich nicht wehren konnte und die Gruppe trotzdem immer wieder auf ihn einschlug, mit ihren Tritten seine Rippen zerschmetterten und mit ihren Fäusten sein Gesicht verunstalteten.
Jedes Mal, wenn er dies sah wurde er wütend, dann erfasste ihn so eine unglaubliche Wut, dass er sich am liebsten auf all diese widerlichen Kerle stürzen und sie von dem Jungen wegreißen würde. Aber er tat es nie.
Also war es im Grunde seine Schuld, dass er sich fünf Mal in der Woche schlecht fühlte.***
Als er heute Morgen auf dem Pausenhof ankam, nahm er gleich wieder seinen Platz an der großen Eiche ein. Genauso gut hätte er rein zu seinen Freunden gehen können. Stattdessen wartete er aber hier alleine auf den Jungen. Es war zur Gewohnheit geworden.
Schließlich erblickte er den schwarzen Haarschopf des Kleinen. Er vermutete allerdings, dass dieser größer war als er selbst. Genau sagen konnte er dies allerdings nicht, da er noch nie direkt neben dem Jungen gestanden hatte.
Der Junge blickte gar nicht auf, als er zur hälfte den Schulhof überquert hatte und eine Gruppe aus sieben Jugendlichen geradewegs auf ihn zu steuerte. Denn er musste nicht aufblicken um zu wissen, was gleich passieren würde.
Es war immer Dasselbe.Es war wie in einem Film, den er immer wieder sah, nicht in der Lage etwas dagegen zu unternehmen. Nicht mal eine Fernbedienung hatte er um auf Pause zu drücken. Er wollte es nicht nochmal sehen, denn das hatte er schon viel zu oft. Er wollte einfach von hier verschwinden, doch er konnte nicht. Nie hatte er gehen können, bis er sich vergewissert hatte, dass der Junge zumindest noch bei Bewusstsein war und daraufhin im Schulgebäude verschwand.
Er war ein stiller Beobachter. Still und tatenlos.***
Auch heute Morgen fühlte er sich schlecht und schuldig. Er hätte so oft eingreifen und verhindern können, dass sie den Jungen verletzten. Doch sein Schweigen machte auch ihn zu einem Mittäter.
Die Gruppe hatte den Schwarzhaarigen umrundet und fing nun an ihn zu beschimpfen. Sie schrien ihn an und lachten ihn aus. Bis plötzlich einer der Kerle einen Schritt nach vorne machte und den Jungen heftig zur Seite schupste, woraufhin die anderen laut auflachten. Dies hatte die Blicke anderer Schüler auf sich gezogen, aber diese waren alle genauso schlecht wie er.
Alles nur stille Beobachter.***
Er frage sich ob der Junge wusste, dass er jeden Morgen hier stand und ihn beobachtete. Und ob dieser sich manchmal wünschte er würde ihm helfen. Letzteres wusste er nicht. Es sah jedes Mal so aus, als würde der Schwarzhaarige einfach alles über sich ergehen lassen. Er versuchte sich nicht zu wehren, schrie nie um Hilfe, weinte nicht. Bemerkt hatte er ihn wahrscheinlich auch nicht, denn wenn der Junge verprügelt wurde gab es viele Leute die zusahen. Nur kurz, danach gingen sie weiter und taten so, als ob nichts gewesen wäre.
Manchmal glaubte er, dass es niemanden außer ihn gab, der sich für den Jungen interessierte. Den anderen tat dieser einfach nur leid.
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Dasselbe
Short Story"Aber wieso tust du denn nichts, willst du Veränderung?" ----------- German Oneshot; P18