Siebzehn Jahre

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AN: Hey ihr Lieben, 

vor einem knappen Jahr schrieb ich diesen kleinen OS als Geburtstagsgeschenk für meine bezaubernde July. Heute möchte ich ihn auch mit euch teilen und bin schon sehr gespannt, was ihr dazu sagen werdet ;)

Lehnt euch zurück, atmet tief durch und taucht ein, in diese kleine bezaubernde Welt.

Die liebsten Grüße

lovelyliana

PS: Bitte respektiert, dass diese kleine Geschichte alleine aus meiner Feder stammt und kopiert sie nicht. Danke!

Sanft und leise rieselten weiße Flocken zu Boden und verfingen sich auf dem Weg dorthin in kahlen Ästen, dornigem Gebüsch und samtweichem Haar. Ein winziger Schneekristall verirrte sich und landete sachte auf den Wimpern eines Mädchens. Sie blinzelte die Flocke davon, ehe sie ihren Blick über die schneebedeckten Gräber wandern ließ. Bis auf das leise Knirschen ihrer Schritte war nichts zu hören. Als wäre sie alleine auf dieser Welt. Manchmal kam es ihr auch wirklich so vor, doch diesen Gedanken wischte sie sofort wieder beiseite. Stattdessen wandte sie sich dem Grabstein vor ihr zu und versuchte die alten, vom Schnee verdeckten Zeichen zu entziffern. Sie hob ihre Hand, um den weißen Frost wegzustreichen und sanft die Konturen der Wörter nachzufahren, dennoch ergaben sie keinen Sinn für sie. Aber was hatte sie auch gedacht? Dass die Erinnerungen zurückkamen, wenn sie einen ihr bekannten Namen las? Sie wusste doch noch nicht mal ihren eigenen. Sie hatte sich in der Not einfach ausgesucht, wie sie sich nennen wollte. Damit sie den Menschen eine Antwort geben konnten, wenn sie sie danach fragten. Sie atmete tief durch und die Luft, die sie dabei ausstieß, verwandelte sich vor ihrem Gesicht in einen leichten Nebel.

Vielleicht sollte sie einfach wieder zurück in das Dorf gehen. Sie wusste sowieso nicht, wieso sie sich hier herumtrieb. An Heiligabend war es sicherlich überall besser und schöner, als auf einem Friedhof. Dennoch konnte sie das Gefühl in ihrem Innern nicht völlig ignorieren, dass sie hierher geführt hatte. Irgendeinen Grund musste es doch dafür geben. Sie beschloss noch eine Weile zwischen den Ruhestätten hindurch zu schlendern, in der Hoffnung, dass sie doch noch etwas Interessantes entdecken könnte, als sie im Augenwinkel eine Person wahrnahm.

Zielstrebig bewegte sich ein junger Mann quer über den Friedhof, ohne den Kopf auch nur ein einziges Mal in ihre Richtung zu drehen. Er entwich schnell ihrem Blickfeld, weswegen sie sich leicht auf die Fußspitzen stellte, um ihn besser betrachten zu können.

Kazimir schritt konsequent den schmalen Weg entlang, der sich nach all den Jahren fest in sein Gedächtnis gefressen hatte. Wenn er ehrlich zu sich war, wollte er gar nicht hier sein. Doch jedes Jahr an Heilig Abend zog es ihn erneut hierher. Eine innere Macht schien ihn zu leiten, denn sein Verstand sträubte sich verbissen dagegen. Er hatte schon genug gelitten. Wieso tat er es sich dann erneut an? Wieso trugen ihn seine Füße zu dem Ort, an dem seine schrecklichsten Erinnerungen sich einen Weg zurück in sein Bewusstsein suchten, um sich dort fest zu verankern und seine Gedanken zu verpesten? Weil er nicht vergessen wollte.

Kazimir blieb vor einem Grabstein stehen. Er blies kalte Luft aus seinen toten Lungen und schloss für einen Moment die Augen. Selbst wenn sein totes Herz nicht mehr schlug, versetzte ihm der Anblick des Datums, welches auf Stein gemeißelt war, jedes Mal einen schmerzhaften Stich. Siebzehn Jahre war es her. Vor siebzehn Jahren hatte er sie nicht beschützen können und so für immer verloren. Er war ein Narr gewesen und nun musste er die Strafe dafür zahlen. Kazimir öffnete seine Lider und starrte nach unten. Eine weiße Decke hatte sich über die harte Erde gelegt, in welcher sich ein Sarg aus Mahagoni befand, in den sie gebettet war. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er ausgesehen hatte. Er könnte es wohlmöglich nie vergessen. Auch das cremefarbene Kleid, welches sie damals getragen hatte, konnte er ohne Probleme vor sein inneres Auge rufen. Und die zig Milliarden Blutspritzer, die es geziert hatten, nachdem er sie fand.

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