Kapitel 16

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Neben ihr versteifte Luise und klammerte sich an ihren Stuhl. Vera ließ den Blick schweifen und sah Aaron, der am Fenster saß. Er war genauso starr wie Luise. Sie schienen beunruhigt und nervös.
   Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Herr Futz, der gerade mit seinem Vortrag begann:
''Wie ihr vermutlich wisst, gab es am Anfang nur Himmel und Hölle. Alles war im Gleichgewicht.
   Innerhalb von sieben Tagen erschuf Gott dann die Erde und die Menschheit. Aus Neid veränderte der Teufel, Herrscher über die Hölle, die Menschheit. Eitelkeit, Egoismus und Selbstsucht pflanzte er in Gottes Schöpfung. Nicht nur Liebe beherrschte die Menschen, sondern auch Hass.
   Gott war entsetzt, als er des Teufels Veränderungen gewahr wurde. Er war rastend vor Wut und er schuf Engel, die den Frieden auf Erden und zwischen Himmel und Hölle wahren sollten. Mächtige Krieger, Heiler und andere bedeutende Engel. Der Teufel fühlte sich herausgefordert und veränderte seine Dämonen. Einige waren in der Lage die Hölle zu verlassen und Kriege gegen die Engel zu führen.
   Trotz allem war das Gleichgewicht gewährleistet.''
Herr Futz ließ den Blick schweifen und lächelte traurig.
   ''Leider waren nicht alle Engel von den niederträchtigen Gedanken des Teufels überzeugt. Sie stellten Fragen, übertraten die Grenzen zur Hölle und wurden nie   wieder gesehen. Man erzählt sich, dass sie zu Dämonen wurden.
   Na ja, drei mächtige Engel wollten beweisen, dass die Hölle nicht so grausam war, wie man befürchtete. Morael, der Engel der Furcht, Mordad, der Engel des Todes und Luzifer, der Engel des Mondes versuchten jeden davon zu überzeugen, doch sie ernteten nur Hohn und Spott.
   Habbiel, der Engel der Treue, Liebe und Romantik, Ahadiel, der Engel des Gesetzes und der Erzengel der Heilung, Raphael, versuchten Alles, um die Engel zusammen zu halten. Aber es war zwecklos. Ihre Versuche Morael, Mordad und Luzifer davon zu überzeugen, nicht in die Hölle zu gehen, waren vergebens.
   Sie kehrten den Engeln und somit Gott den Rücken zu. Gott, der seinen Verlust zu tiefst bedauerte, versuchte Ebenbilder zu erschaffen, doch jedes einzelne Geschöpf starb nach wenigen Sekunden.
   Morael, Mordad und Luzifer erfuhren von den Versuchen Gottes. Wütend bündelten sie ihre Kräfte und erschufen eine Art Dämon, die es nie zuvor gegeben hatte.''
   Eine dramatische Pause setzte ein. Er strich sich über die Stirn und musterte seine Schüler.
   ''Sie verzauberten Gottes menschliche Schöpfung. Menschen starben aus unerklärlichen Gründen, aber sie blieben nicht tot. Nachdem ihr Herz nicht mehr schlug, erwachten sie. Gezwungen in den Schatten der Nacht zu leben und Angst, Furcht und Schrecken zu verbreiten. Wie andere Dämonen auch, ernährten sie sich   von den Menschen. Anstatt ihre Seelen oder Lebensenergie auszusaugen, tranken sie das Blut der Menschen.
   Gott versuchte seine Schöpfung zu retten, sodass nicht jeder Tote zurück kehren  konnte. Er beendete den Fluch, doch die getöteten Menschen kehrten zurück. Man sprach von Untoten. Kennt jemand den heutigen Begriff?''
   Einzelne Finger gingen nach oben. ''Michelle'' er nahm ein kleines rothaariges Mädchen dran. ''Vampire?'' fragte sie zögerlich. Ein Raunen ging durch die Reihen und Luise die immer noch stocksteif neben ihr saß verlor jegliche Farbe.
   Aschfahl saß sie neben ihr und starrte Löcher in die Wand. ''Luise, alles ok mit dir?'' flüsterte Vera, doch sie bekam keine Antwort.
   ''Genau. Heute nennt man diese Wesen Vampire...'' Herr Futz wurde von einem großen, blonden Jungen unterbrochen, der in die Klasse rief: ''Das sind doch nur Märchen. Es gibt keine Engel, Vampire oder so etwas.'' Herr Futz lächelte ihm zu.
   ''Ich erzähle euch lediglich Sagen. Ob ihr sie glaubt, ist euch überlassen.
Na ja. Jedenfalls verbat Gott jedem Engel, den Kontakt zu Morael, Mordad und Luzifer, auch die Hölle war vollkommen Tabu. Falls die Engel dieses Verbot umgehen würden, würden sie ohne Vorwarnung verbannt und auf Erden geschickt.   Ohne ihre magischen Kräfte waren sie gezwungen auf ewig hier zu leben.
Habbiel, Ahadiel und Raphael schafften es, die Gedanken an die Hölle, zu verbannen und halfen den anderen Engeln ebenfalls alles Böse zu verdrängen.
   Nach mehreren Jahrhunderten war es geschafft, doch als Gott bemerkte, dass zu viele seiner geliebten Engel fort waren, war er untröstlich. Verzweifelt schuf er Abbilder, die dem Original sehr ähnlich waren, doch sie waren nicht vollkommen. Sie waren wie Hüllen ohne eigenen Willen. Enttäuscht zerstörte er die Abbilder und bot den gefallenen Engel an, wieder zurück zu kehren, doch die gefallenen Engel ignorierten sein Angebot.''
   Sein Vortrag war beendet und erwartungsvoll sah er in die Gesichter der Schüler. Vera war wie gefesselt von seiner Geschichte, auch wenn sie nicht ganz daran glauben konnte.
   ''Woher wissen sie das alles?'' fragte ein Mädchen in der vordersten Reihe. ''Manches weiß man aus alten Schriften, manches wurde durch Erzählungen weiter gegeben'' erklärte er ruhig. ''Seit dem die Menschheit weiß, dass es gefallene Engel gibt behaupten sie welche zu sehen.'' ''Glauben sie, dass es wirklich Engel gibt?'' fragte ein anderes Mädchen. ''Ich glaube daran'', rief ein Mädchen aus der hinteren Ecke, sie saß neben Aaron. Der sich sichtlich entspannt hatte. Auch Luise hatte sich wieder entspannt und war nicht ganz so blass.
   Die Schulglocke ertönte, der Unterricht war beendet.

Vera konnte der Sage von Himmel und Hölle keinen Glauben schenken. Für sie war es ein Märchen. Zugegeben ein spannendes Märchen.
   Vera lief mit Pia auf den Hof, als sie unsanft beiseite geschubst wurde. ''Es ist wieder passiert!'' rief das Mädchen, dass Vera geschubst hatte. Irritiert sah sie zu Pia, die genauso irritiert dem Mädchen nachsah. Irgendwo riefen andere Schüler: ''Was ist passiert?'' oder ''Die ist doch verrückt.'' Aber Vera hatte eine Vermutung, was wieder passiert sein könnte. ''Eine Leiche wurde heute Morgen gefunden'', das Mädchen stand mitten in der Schülermenge und gestikulierte wild mit den Armen. Ein schockiertes Raunen ging durch die Menge.
   Vor ihrem inneren Augen sah sie das tote Mädchen, überströmt mit Blut, weiß wie Schnee und der starre Blick gen Himmel. Ihr Magen zog sich zusammen. ''Alles gut, Vera?'' besorgt hatte Pia ihr eine Hand auf den Rücken gelegt. Vera richtete sich auf und nickte.
   Die Glocke durchschnitt das Gemurmel und alles wurde still. Die meisten Schüler kehrten in ihre Klassenräume zurück.
   Stumm setzte Vera sich auf den leeren Platz, ganz vorne links. In dem Moment klopfte es und die Tür wurde aufgerissen. ''Guten Morgen, ´tschuldigung für die Störung. Ist Vera Proi anwesend?'' Zwei Polizisten standen im Raum und ließen den Blick über die Schüler schweifen. Langsam erhob sie sich ''Ja, hier'', sagte sie. ''Gut,  wenn Sie so freundlich wären, uns zu begleiten.'' Der dicke Polizist hielt ihr die Tür auf und sie folgte der Aufforderung.
   Wenige Minuten später saß sie im Büro der Schulleiterin. Ein großer, dunkelhaariger Bulle lehnte am Schreibtisch der Direktorin. Der Dicke hatte sich ihr gegenüber gesetzt. Es war der Selbe, der in jener Nacht schon da war.
   ''Guten Morgen Vera. Wie geht es dir?'' fragte er mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. ''Eigentlich gut, aber ich versteh nicht, was sie von mir möchten.'' ''Wir brauchen ein paar Informationen über Leonie Miller'', erklärte der Schlanke. Nervös nickte sie. Was kann ich schon sagen? Ich kenne hier so gut wie niemanden. Soll das ein Verhör werden? Verdächtigen sie etwa mich?!

Hallo noch einmal,
Was haltet ihr von der Sage, die der Religionslehrer erzählt hat?
Habt ihr schon leise Vermutungen, wieso Luise sich so verkrampft hat?
Lasst mich eure Meinung wissen.
LG Larissa

Vom Engel geküsst Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt