Wir waren die kleinste Familie der Welt, denn es gab nur meine Mutter und mich.
Meine Freundin Melina hat eine Mutter und einen Vater und einen Stiefvater und eine Schwester und eine Halbschwester und einen kleinen Neffen. Außerdem hat sie zwei Großmütter und eine Stiefoma und einen Stiefopa. Und die Stiefoma hat selbst noch ihre Mutter,die damit sozusagen Melinas Stiefuroma ist. Melina besucht sie fast jede Woche für einen Nachmittag und spielt mit ihr Nintendo oder diskutiert mit ihr über das Leben und solche Sachen.
Meine Freundin Annabell hat auch eine Mutter und einen Stiefvater und drei kleine Halbgeschwister, und ihr leiblicher Vater lebt in New York und ist dort auch wieder verheiratet und hat zwei kleine Zwillingssöhne, die Annabells Halbbruder sind und die sie in den Ferien besucht.
Außerdem hat sie eine Oma, die mit ihr im selben Haus wohnt, und einen Opa aus New York, der bei ihrem Vater wohnt.
Und dann gab es da eben mich und meine Mutter.Einmal, vor zwei Jahren, in der siebten Klasse, bekamen wir in Gemeinschaftskunde als Hausaufgabe auf, unseren Familienstammbaum zu erstellen.
"Toll, in meinem Fall eine schnelle Aufgabe", sagte ich achselzuckend zu Melina. "Ich schreibe meinen Namen und den Namen meiner Mutter hin und -voila- mein Familienstammbaum ist komplett!"
Nachdenklich starrte ich aus dem Fenster. Draußen war Winter, kälter, nasser, trostloser Februarwinter. Weihnachten war vorbei, Silvester war vorbei, die Weihnachtsferien waren vorbei.Und ich fühlte mich auf einmal merkwürdig traurig.