t w e n t y e i g h t

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Ich fuhr, wie mir die Passantin befohlen hatte, in den obersten Stock. Dort trat ich aus dem großen Aufzug, in dem ich jedoch ganz alleine gestanden hatte, in den Flur, von dem drei Türen abgingen, die alle geschlossen waren und eine Klingel hatten. Ich studierte alle drei Klingelschilder sorgfältig, und auf dem letzten, dass ich mir ansah, stand Christopher Wright. Das musste es sein. Es gab ja wohl nur einen Christopher Wright mit Büro im obersten Stockwerk dieses Turmes, oder?

Also streckte ich meinen Finger nach dem kleinen Knopf Aus und drückte ihn. Einige Sekunden lang geschah überhaupt nichts, dann ertönte ein Summen und die Tür sprang auf. Vorsichtig trat ich ein und landete in einem in weiß gestrichenen Gang, der nach ungefähr fünf Metern in einen kleinen Empfangsraum abzweigte. Dort saß eine junge Frau und tippte etwas in ihren Computer. Es erstaunte mich, dass der Laptop überhaupt funktionierte. Anscheinend hatte sie mich gehört, obwohl ich absichtlich leise gegangen war, denn sie drehte den Kopf zu mir und fragte: ,,Guten Tag. Wer sind sie, und was möchten sie von Chris?" Ihre Stimme war nicht unfreundlich, aber bestimmt. ,,Zoe Bronx. Ich ähm, ich muss mit ihm sprechen. ich bin neu hier, und war gerade beim Präger. Aber ich muss auch noch meine Ausbildung wählen, und die Fächer."

ihre Miene wurde verständnisvoll, während sie lächelte und auf eine Tür zeigte. , Da müsste er drin sein, aber klopf lieber, bevor du reingehst. er mag es nicht, wenn man einfach so reingeplatzt kommt."

ich lächelte zurück, bedankte mich höflich und ging auf die Tür zu, an der ich dann vorsichtig und zugegebenermaßen ziemlich leise klopfte. Es kam keine Reaktion, und die namenlose Sekretärin schaute mich abwartend an, also klopfte ich noch einmal, dieses Mal lauter. Prompt ertönte ein ,,Herein", also öffnete ich vorsichtig die Tür und trat ein. ,,Tür zu", sagte Chris, der am Schreibtisch sah und aus dem Fenster blickte. Zwei der Wände waren verglast, denn es war das Eckzimmer. Der Raum war weiß und sehr spärlich eingerichtet, es gab nur den Schreibtisch mit Stuhl, und an der Wand hing ein einziges Bild. Außerdem stand in der Ecke der verglasten Wände ein großer Kaktus, der so aussah, als könnte er mal wieder etwas Wasser vertragen. Chris selbst saß auf dem Schreibtischstuhl und beugte sich nach vorne, seine Arme waren auf dem Schreibtisch abgestützt, und sein Kopf lag auf ihnen. Seine Augen waren geschlossen, und er sah müde und erschöpft aus. und traurig.

Ich h räusperte mich leise. Er schrak hoch und sagte überrascht: ,,Oh, hallo Zoe. Was machst du denn hier?" Ich sagte leise: ,,Ich wollte ... ich wollte meinen Stundenplan haben. und einen Stadtplan am besten auch. Und hatten sie nicht gesagt, dass ich noch eine Ausbildung wählen muss ...?"

er wirkte auf einmal entsetzt. ,,Oh nein, das tut mir wirklich leid! Ich hatte das ganz vergessen!"

Ich beschwichtigte ihn. ,,Nein, nein! Ist schon okay! Ich habe mich noch prägen lassen, dann bin ich hier her gekommen."

Er zog leicht die Augenbrauen zusammen. ,,Also hast du dich doch prägen lassen. Zeig mal her."

Unsicher ging ich ein paar Schritte auf ihn zu und streckte zögerlich meinen linken Arm auf. Chris packte ihn unangenehm grob und drehte ihn herum, sodass er die Prägung begutachten konnte. Als er nach einiger Zeit immer noch nicht losließ, sah ich ihm in die Augen und musste feststellen, dass sie seltsam leer wirkten, so als würde er durch meinen Arm hindurch in weite Ferne schauen. Leider hatte er seinen schraubstochartigen Griff immer noch nicht gelockert und schnürte mir damit ein wenig das Blut ab, was irgendwann so unangenehm wurde , dass ich meinen Arm ein wenig hin- und herdrehte. Schon diese minimale Bewegung erweckte ihn aus seiner Starre und er blinzelte ein paar Mal, schien jedoch irgendwie den Faden verloren zu haben. Ich fragte mich, ob er wohl immer noch ab Emilia dachte. Ein seltsamer Zufall, aber eigentlich nicht weiter beunruhigend. Aber ich hatte so ein ungutes Gefühl bei der Sache ...

Verlegen fragte er mich, worüber wir denn als nächsten sprechen wollen würden.

,,Ausbildungen.", informierte ich ihn.

Er versuchte, seine leicht angekratzte Autorität zu retten, indem er eine überlegene Miene aufsetzte und sich aufrichtete.

,,Nun gut, die Ausbildungen. Das System ist sehr simpel, du wählst eine und bekommst dementsprechende Kurse, abgesehen von einigen Fächern, die alle zusammen belegen, egal, als was sie ausgebildet werden."

,,Okay, was gibt es denn für Ausbildungsmöglichkeiten?"

,,Insgesamt sind es fünf. Nummer eins ist die Forschung. Es gibt sehr viel zu erforschen, denn unsere ist nicht die einzige surreale Welt, es gibt noch viele andere, gefüllt mit unbekannten Spezies. Die Aufgabe von Forschern ist es, diese zu erforschen und in die Register einzutragen. Die Ausbildung zum Forscher ist sehr vielseitig. Dir wird alles über die Arten beigebracht die es gibt, über die Arten und Unterarten. Außerdem wirst du im Kämpfen gelehrt, denn nicht wenige Geschöpfe dieser Welt sind ungefährlich. Meinst du, das ist eine Option für dich?"

Nachdenklich schwieg ich. Einerseits hörte es sich interessant an, aber andererseits würde ich noch gerne erfahren, was ich sonst wählen konnte.

,,Mmh, ich weiß noch nicht. kann ich vielleicht noch die anderen Optionen hören?"

Ohne eine Regung fuhr er fort. ,,Die zweite Option ist Medizinerin. Du wirst im Umgang mit der menschlichen Medizin geschult, aber auch in unserer. Unsere Medizin hat mehr mit Kräutern und Magie zu tun, aber wenn du diese Ausbildung in Erwägung ziehst, kann ich dir das gerne nochmal genauer erklären."

Er sah mich mit fragendem Blick an, doch ich schüttelte nur stumm den Kopf. Medizin war noch nie mein Ding gewesen, ich interessierte mich einfach nicht dafür.

,,Nun gut, dann weiter im Programm. Die nächste Möglichkeit wäre die einer Schattenjägerin. Anderson macht auch diese Ausbildung. Die Schattenjäger sind unsere Art von Polizei , beziehungsweise einer Kampfgruppe oder dem Militär. Die Ausbildung einer Schattenjägerin ist sehr anspruchsvoll und bevor du sie antreten kannst, musst du einem körperlichen Belastungstest standhalten. Als Schattenjägerin lernst du das Kämpfen, aber auch etwas Artenkunde und die Gesetze. Bevor du über diese Laufbahn nachdenkst, solltest du wissen, dass es sehr gefährlich ist. Schlachten sind in dieser Parallelwelt leider keine Seltenheit, und sobald du voll ausgebildet bist, musst du kämpfen."

Das hörte sich irgendwie genau nach meinem Fall an. Ich war sehr neugierig und ich liebte das Risiko, was mir schon so manches Mal zum Verhängnis geworden war. Aber wie mir grade auffiel, hatte die Ganze Sache mit den Ausbildungen einen kleinen aber feinen Haken. Und genau das sagte ich ihm auch, auf sehr direkte Art und Weise.

,,Ich hoffe, ihnen ist klar, dass ich nur zwei Wochen hier bin, oder? Warum muss ich überhaupt eine Ausbildung wählen? Eine Karriere werde ich hier ohnehin nicht haben."

Die Schattentänzerin | AbgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt