Tarr - Teil 6

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Einige Tage waren vergangen, seit Willow und Chupy die beiden Jungen der toten Leopardin zum Windcamp gebracht hatten.
Maya hatte die beiden aufgenommen und säugte sie nun. Die Kleinen waren stark gewachsen und wurden immer kräftiger.
MacHuge hatte bekannt gegeben, dass es sich um ein Weibchen und ein Männchen handelte. Maya hatte ihnen die Namen Stella und Akito gegeben.

"Fau möchte noch einmal zum Ort, an dem du die Jungen gefunden hast", miaute Chepter.
"Was möchte sie da?", fragte Willow verblüfft.
"Gewissheit, was sie getötet hat."
"Nun gut... wenn es ihr besser geht...", murmelte er.
"Sie wartet am Lagerausgang", meinte Chepter noch und erhob sich dann.
*Warum kann sie es nicht einfach dabei belassen?*, fragte sich Willow und stand dann ebenfalls auf.
"Fau?"
Seine Mutter sah hoch, als er ihren Namen sagte. Sie sah geschwächt aus, müde. Ihre Augen glänzten matt.
"Kann es los gehn?", krächzte sie.
"Ja", antwortete Willow knapp.
"Wo geht es lang?", fragte Fau und sah nach links und rechts.
"Da lang." Ihr Sohn deutete mit der Schwanzspitze in die Richtung, in die sie laufen mussten.
"Warum willst du da noch mal hin?"
"Ich will sie begraben", murmelte Fau.
*Also hatte mein Bruder unrecht!*
"Warum hast du das zu Chepter nicht auch gesagt?", fragte er.
"Er ist dich so schwach...so zart... vielleicht würde er das nicht verkraften...", hauchte Fau.
War sie jetzt völlig durchgeknallt? Sie konnte doch nicht das Camp anlügen! Ihren eigenen Sohn noch dazu!
Dann musste Willow an die Muskeln und die breiten Schultern seines Bruders denken. Sie waren keines Wegs klein und er war auf keinen Fall zerbrechlich!
Nein. Fau hatte einfach nur Angst um ihr eigenes Dastehen vorm Windcamp gehabt. Das Camp hätte sie für verrückt erklärt! 
*Aber nicht alle...*, dachte Willow glücklich. *Viella hätte sie verstanden.*

"Wo ist sie denn jetzt?" Seine Mutter wurde langsam ungeduldig.
"Hier." Willow blieb stehen, als er den verwundeten Körper der Leopardin sah.
Plötzlich raschelte es im Gestrüpp und ein mächtiger Leopard sprang heraus.
"Lauf!", jaulte Willow, doch seine Mutter machte keine Anstalten zu fliehen.
"Tarr!", rief Fau aus.
"Fau?" Seine Muskeln entspannten sich.
Dann fiel sein Blick auf die Leopardin vor ihm.
"Du hast sie getötet!", knurrte er und sein Nackenfell sträubte sich.
"Nein!", widersprach Willow.
"Doch!!! Und jetzt werdet ihr dafür bezahlen!"
Er stürzte vor und fuhr die Krallen im Sprung aus.
Willow wich erschrocken zurück, als Tarr seine Krallen in das Fell seiner Mutter schlug.
"Lass sie in Frieden!", knurrte er und sprang auf den Rücken des Leoparden.
"Das würde ich, wenn sie meine Gefährtin nicht getötet hätte! ", jaulte Tarr und wurde sogleich von Faus Rücken gerissen.
Die weiße Tigerin glitt leblos zu Boden.
Willow erstarrte. "Du hast meine Mutter getötet!"
"Jetzt fühlst du den selben Schmerz wie ich!", entgegnete Tarr und wich langsam zurück.
Er packte die Leopardin am Nackenfell und zog sie in den dichten Wald.
Kraftlos ließ sich Willow neben seine Mutter sinken.
Das konnte nicht war sein! Fau konnte nicht tot sein.
"Mama?", flüsterte er. Er fühlte sich so hilflos wie ein neugeborenes Junges.
"Mama, wach auf!", flehte er.
Doch Fau regte sich nicht. Ihre leblosen Augen blickten zur untergehenden Sonne.
Willow trat zu ihrem Kopf und schloss mit einem Zungenstrich ihre Augen.
"Heilige Erdkatze, ich bitte darum, meine Mutter in dein Reich aufzunehmen. Ich danke dir, dass du ihr ein leben geschenkt hast. Sie hat dem Windcamp gut gedient."
Willow hob den Kopf zum Trauergeheul.
Von seinem Jammern angelockt, kam Chupy zu ihm und drückte sich an ihn.
"Sie wars eine gute Kätzin", flüsterte sie und leckte ihm beruhigend das Fell. "Als wird gut."

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Heart of Tigers (I) - Willows Versagen (Adventskalender)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt