3. Advent

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"Tja, sieht wohl ganz so aus als müssten wir langsam unsere Sachen packen, Jungs." Yoongi lehnt sich auf der Wohnzimmercouch zurück und lässt seinen Blick durch die Runde wandern.
"Auch wenn es nur für die Feiertage ist, ihr werdet mir fehlen."
"Ach komm schon Tae, ist doch schön endlich mal in Ruhe Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Geschenke und gutes Essen, was will man mehr?", sagt Hoseok und stupst Taehyung in die Seite.

"Die Auszeit haben wir uns verdient. Genießt die Zeit.", sagt Namjoon und fährt sich befreit durch die zerzausten Haare. "Morgen früh geht's los."

So genau hat es keiner erwähnt, aber die vergangenen Wochen haben sich quälend lang gezogen. Jeder wartete darauf, endlich nach Hause fahren zu können und etwas Abstand vom täglichen Training zu bekommen.
Jetzt, wo alle zusammen sitzen, mit den Gedanken, dass sie für ein paar Tage abschalten können, zeichnet sich nach langem wieder Gelassenheit in den Gesichtern der Members ab.

Doch die angenehme Stille wird durch das plötzliche Klingeln eines Handys gebrochen.
"Ist deins Kookie.", sagt Jin und reicht ihm das Smartphone vom Couchtisch.

Etwas überrascht nimmt Jungkook es entgegen und schaut auf den Bildschirm. "Oh, das ist meine Mum.", sagt er und drückt auf den grünen Hörer.
"Hey mum! Was gibt's? Ich freue mich schon euch wieder zu sehen."
Dannach wird es wieder still. Konzentriert schaut Jungkook auf den Boden, während er sich das Handy ans Ohr drückt und lauscht.
"...schon in Ordnung. Ich verstehe. Nein, ich sage Bescheid, das regeln wir. Bis nächstes Mal.", sagt er monoton und lässt das Handy wieder sinken.

Die anderen tauschen nur fragende Blicke aus, als Jungkook auf einmal jeglicher Ausdruck aus dem Gesicht weicht.
"Alles in Ordnung?", fragt Taehyung vorsichtig.
"Ich bleibe morgen hier. Sie haben abgesagt, wie letztes Jahr. Sie sind...", er atmet schwer aus und steht auf. "Sie sind zu beschäftigt. Entschuldigt mich bitte."
Die Jungs schauen ihm unschlüssig hinterher, als er das Wohnzimmer verlässt und kurz dannach die Eingangstür ins Schloss fällt.

"Ich glaubs nicht.", sagt Namjoon und vergräbt das Gesicht in beiden Händen. "Wie lange soll das noch so gehen? Nur weil seine Eltern Geschäftsleute sind, ist das noch lange keine Entschuldigung dafür, dass sie ihn immer so hängen lassen!"
"Fuck!", zischt Hoseok kopfschüttelnd.
"Und was machen wir jetzt?", fragt Jin ratlos.

Sofort springt Namjoon auf. "Ich weiß ja nicht was ihr macht, aber ich gehe Jungkook suchen."

~ Jungkook POV

Alles, was ich jetzt brauche ist frische Luft. Keine kurzfristigen Absagen. Keine spontanen Anrufe. Keine mitleidigen Gesichter. Keine Fragen. Einfach nur frische Luft.

Ich gehe ein Stück, bis ich den nächstgelegenen Park finde und setzte mich auf eine verschneite Bank.

Vielleicht erscheint es den anderen ja schon längst lächerlich, wie ich jedes Mal wieder davon überrascht bin, wenn sie ein Treffen absagen. Ich weiß noch nicht einmal, wann ich sie das letzte Mal überhaupt gesehen habe. Manchmal hasse ich das alles einfach. Die ganzen Reisen, Interviews, Fotoshootings und Konzerte. Ich würde so gerne wieder wie früher ein Wochenende mir der Familie verbringen.

Der eiskalte Wind und die klare Winterluft fühlen sich unglaublich gut an. Ich schließe die Augen und strecke eine Hand aus, um die hauchzarten Schneeflocken auf meiner Haut zu spüren.

Wahrscheinlich sollte mir das Ganze schon längst nichts mehr ausmachen. Ich hätte damit rechnen sollen.
Aber es waren schließlich meine Eltern. Egal wie oft sie auch meinen, sie seien stolz auf mich und sie werden immer hinter mir stehen- ich will es nicht jedes Mal durch den Hörer oder Bildschirm gesagt bekommen. Ich will es fühlen. So, wie als sie mir mit 6 bei meiner ersten Klavieraufführung applaudiert haben. So, wie als sie mich nach meiner Highschool Abschlusszeremonie in den Arm genommen haben.
Wann haben sie vergessen, wie es ist wenn wir unbeschwert zusammen sind?

Wann haben wir eigentlich verlernt uns Zeit für einander zu nehmen?

Namjoon holte mich aus meinen Gedanken, als er sich wie aus dem Nichts neben mir auf die Parkbank fallen lässt.

Für ein paar Sekunden sitzen wir nur da und betrachten den vereisten Asphalt, als ob er eine Lösung für mich versteckt hält.
Mit einer Hand kratze ich den Schnee von einem Stein und forme ihn zu einer kleinen Kugel.

"Bist du traurig?", fragt Namjoon.
Ich schüttele nur leicht den Kopf.
"Ich bin einfach sauer. Auf meine Eltern und auf mich."
"Du hast nichts falsch gemacht Jungkook."
"Ich bin genauso Schuld wie sie. Wann habe ich denn schon Zeit für Familie? Weihnachten außer Acht gelassen."

Ich balle meine Faust zusammen, die durch die stechende Kälte schon ganz rot geworden ist und sehe dabei zu, wie der Schnee zerbröselt.

"Hey, da sind sie!", ruft jemand aus der Ferne und kurz darauf sehen wir die restlichen Jungs auf uns zugelaufen kommen.
Völlig außer Atem kommen sie vor uns zum Stehen.

"Jungkook...wir bleiben alle Zuhause.", röchelt Hoseok.
"Was? Ganz bestimmt nicht. Wegen mir sollt ihr euch nicht das Weihnachtsfest versauen."
"Wer hat hier was von versauen gesagt? Wir laden alle zu uns ein. Entweder alle, oder keiner! Du denkst doch wohl nicht etwa wir fahren alle weg und lassen unseren Jüngsten alleine!", sagt Jimin und zieht mich auf die Beine.
"Los geht's, wir sollten besser mit den Vorbereitungen beginnen!"

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