"Haben sie keinen Anruf bekommen? Der Bus hatte einen Unfall. Die Kids sind im Krankenhaus."
"In welchem?", fragte ich knapp.
Er nannte mir die Adresse und ich fuhr ihm direkt hinterher. Verdammt, verdammt, verdammt. FUCK FUCK FUCK! Mein Herz sackte in den Keller, mir wurde übel. Ich versuchte es, runterzuschlucken. WARUM? Warum Behati? Warum ausgerechnet heute? SCHEISSE! Ich musste zum Krankenhaus! So gut es ging schaltete ich alle Gedanken ab, konzentrierte mich soweit möglich auf die Straße. Durch den Regen war die Sicht eingeschränkt, der Scheibenwischer lief auf der höchsten Stufe und ich konnte mir keine Konzentrationsfehler erlauben. Ein Unfall reichte wirklich aus.
Endlich erreichte ich das Krankenhaus, doch dort wartete schon das nächste Problem: Es gab einfach nicht genügend Parkplätze! Ich fuhr mehrmals im Kreis, in der Hoffnung, irgendwo eine kleine Lücke zu finden. So groß war mein Auto ja auch nicht. Ohne Erfolg. So durfte ich ziemlich abseits parken und -vom Parkstress ganz verschwitzt- durch den Regen marschieren, natürlich ohne Schirm. Gesund ging anders. Aber das spielte gerade keine Rolle. Ich hatte einfach nur wahnsinnig Angst um Behati. Und Angst davor, was ich sehen würde. Da traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag in die Magengrube: Würden sie mich überhaupt zu ihr lassen? Ich war keine Verwandte. Egal, probieren ging über studieren. Vermutlich waren alle anderen Eltern schon längst bei ihren Kindern und Behati musste als einzige alleine warten... Ich joggte die letzten Meter, wischte mir die verschmierte Mascara aus dem Gesicht und fuhr durch mein zerzaustes Haar. Ich musste ja nicht gleich wie eine Psychopathin aussehen.
Ich musste nicht einmal nach dem Weg fragen. Besorgte Eltern füllten den Gang der Notaufnahme, machten es mir ziemlich leicht.
Krankenschwestern managten das Chaos, hatten Listen geschrieben, führten Eltern in andere Zimmer. Ärzte kamen dazu.
"Hallo, ich bin hier für Behati Hofmann", sagte ich zu einer Schwester.
"Ahja endlich. Kommen sie bitte einmal mit."
Bitte was? Ein freundlicher Umgangston war etwas anderes. Aber vermutlich war das Personal auch einfach überfordert. Mit der plötzlichen Menge an Patienten und dem Andrang der Eltern.Mein Herz schlug unglaublich schnell und laut in meiner Brust, als ich hinter der Krankenschwester den Gang entlanglief- bzw. hetzte.Sie hatte es sichtlich eilig und der Flur schien gar kein Ende zu nehmen.
"Wir müssen noch auf einen Befund warten, ob Behati eine Gehirnerschütterung hat oder nicht, ansonsten können sie schon zu ihr", erklärte die Krankenschwester dann, klopfte an und öffnete die Tür für mich.
Meine Augen scannten sofort den Raum nach Behati ab.Da war sie! Sie saß auf einem Krankenbett. Sie weinte. Die drei anderen Mädchen in ihrem Alter hatten längst Besuch von ihren Eltern. Oh nein, da würde ich auch weinen.
"Na, Honigbiene?", begrüßte ich meine kleine Freundin und nahm sie in den Arm.
"Helena!"
Sie war sichtlich erleichtert mich zu sehen.
"Wie geht's dir, Süße?", fragte ich besorgt
"Mein Kopf tut weh und ich bin müde", jammerte sie. "Und ich habe Hunger!"
"Das wird schon wieder. Hauptsache es ist nichts ernsteres, ja?", sagte ich und musste ein bisschen schmunzeln.
"Warum bist du jetzt erst da?", fragte Behati vorwurfsvoll, nachdem die Freude mich zu sehen abgeklungen war.
"Ich wusste leider nichts davon, dass du hierher gebracht wurdest. Ich habe die ganze Zeit am Parkplatz auf dich gewartet."
"Oh. Tut mir Leid."
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Zehntausend Gründe Dich Zu Hassen
JugendliteraturHelena hasst Noel. Noel hasst Helena. So war das schon immer. Doch bisher konnten sie sich immer noch ganz gut aus dem Weg gehen. Blöd nur, dass ihre Eltern befreundet sind und dazu noch die Mutter von Helenas bester Freundin und Noels Vater heirat...