Ich war sehr aufgeregt, als ich in den Zug stieg. Der typische Geruch eines Zugabteils ergriff meine Geruchsnerven und ich suchte mir einen Platz. Beziehungsweise versuchte ich es, doch der Zug schien heutzutage sehr beliebt zu sein. Könnte auch daran liegen, dass ich nach München fahre, zum Flughafen Franz-Joseph Strauß. Ich muss dabei anmerken, dass ich Flugzeuge hasse. Und Busse. Ich fahre allgemein ungern irgendwo irgendwie hin. Naja nicht ganz. Ich liebe es wegzufahren, leider mehr als ich sollte. Aber seit ich meinen Führerschein machte fuhr ich nur etwa eine Stunde. Aber dann...Nun ja, sagen wir ab da hatte ich eine andere Einstellung was das Thema AUTO anging. Die einzige Fortbewegungsmöglichkeit, die ich seither akzeptiere, ist das Zugfahren. So sah ich mich im Abteil um. Es waren viele Plätze frei, auch welche neben anderen Leuten. Ich überlegte kurz, ob ich mich neben jemanden sitzen sollte, erstickte diesen Gedanken aber im Keim. Schnell verstaute ich meinen kleinen Koffer und nahm Platz in einem Vierersitz, gegenüber von einer älteren Dame mit einem roten Hut, die ich ab und an musterte, sich aber dann wieder ihrer Zeitschrift widmete. Unsicher sah ich mich nach dem Mann um, der die Fahrkarten kontrollierte, bevor ich mir Kopfhörer in die Ohren steckte, um potenzielle Konversationen mit meinen Mitmenschen zu vermeiden. Endlich setzte sich der Zug in Bewegung und verließ für seine Passagiere fast lautlos den Bahnhof. Die Landschaft zog rasch vorbei, die verregneten Wälder boten einen kalten und doch allumfassenden und bergenden Eindruck. Ich stellte mir den Sound der Regentropfen auf dem Waldboden vor und es erfüllte mich mit ein wenig Freude. Ich erhoffte mir eine angenehme Fahrt und betete, dass mit dem Flug nach L.A. alles glatt verlaufen würde. Ich gehe nicht jeden Tag auf ein Fantreffen, schon gar nicht ins Ausland. Ich dachte an das letzte Mal, als ich Deutschland verließ. Da hatte ich noch meine Eltern. In Italien waren wir gewesen. Und ich wurde von einer Qualle gestochen. Ich musste kichern. Ich reichte dem Schaffner meine Karte. „Oje da bist du ja sehr lange unterwegs mein Kind. Darf ich mal deinen Ausweis sehen?" Ich rollte mit den Augen. Ich war lange kein Kind mehr, doch als so jung wurde ich lange nicht mehr eingeschätzt. Schon traurig. Ich reichte dem Mann meinen Ausweis und wartete auf seine Reaktion. Natürlich wieder dasselbe Gequatsche über „du siehst nicht aus wie...." und so ähnlich. Am Anfang war es gewöhnungsbedürftig, doch mit der Zeit lernte ich meinen Ausweis hinter mein Handy zu packen, unter die Hülle, so oft wie ich ihn auspacken musste. Die Frau mit dem roten Hut grinste hämisch und zog den Hut weiter ins Gesicht. Wahrscheinlich um zu zeigen, dass ihr meine Reaktion auf die Ihre herzlich am Allerwertesten vorbeiging. Ich wandte meinen Blick ab und widmete mich wieder der Aussicht. Umso glücklicher war ich, als die Dame dann ausstieg. Bevor sie sich ihren Weg durch die überfüllten Gänge bahnte, warf sie mir einen letzten verächtlichen Blick zu. Ich glaube, als die Schichtenteilung in den 50'er Jahren endete, war sie mit ihrer Handtasche spazieren (jedenfalls sah diese aus, als würde sie jeden Augenblick zum Leben erwachen). „Bekloppte Schnepfe....", flüsterte ich ihr nach und breitete meine Sachen über sie restlichen Sitze aus, damit ich nicht noch so eine Bekanntschaft machen musste. Ich hörte weiter Musik, bis ich ungewollt einschlief.
Ich wachte auf als der Akku meines Handys aufgab und die Musik stoppte. Ich war etwas in meinem Sitz zusammengesackt und lag wie ein totaler Vollidiot da. Als ich mir bewusst wurde war es bereits dunkel geworden. Ich richtete mich auf und strich die Fussel, die sich auf meiner Jacke angesammelt hatten, ab und musterte die Umgebung. Mehr und mehr waren mehr Leute ausgestiegen und die alten Plätze wurden von neuen Gesichtern belebt. Ein besonderes neues Gesicht war aber die junge Frau, die sich erdreistet hatte, während meiner geistigen Abwesenheit meine Tasche vom Sitz mir gegenüber zu räumen und sich dort niederzulassen. Ich schluckte. „Eigentlich ist da besetzt...", murmelte ich benommen. Die Frau sah hoch und lachte. „Ach ja? Vor zweieinhalb Stunden war da aber noch frei, nur hatte jemand keine Lust auf Gesellschaft." Baaam. Punkt für sie. Ich sah sie an und schaute dann Weg. Draußen war nichts mehr zu erkennen, nicht mal mehr eine einzige Textur, in der ich mich verlieren konnte und somit der unangenehmen Situation entfliehen könnte. Mit einem Male schreckte ich auf. „ Wie spät ist es?", fragte ich mein Gegenüber hektisch. Die Frau sah nicht von ihrem Handy hoch, sondern antwortete schlichtweg: „ An München sind wir schon lange vorbei, falls du das meinst." Also erstens: Es heißt Sie, nicht du. Ich bin nicht pingelig, was meine Anschrift und Ansprache betrifft, aber es handelt sich um eine fremde Person, daher würde ich ihr ebenfalls den nötigen Respekt erweisen, sie fürs Erste zu Siezen- tat ich aber nicht. Und zweitens... „Woher weißt du, dass ich nach München muss?" Sie grinste, sah mich jedoch nicht an. „ Weil ich in deinem Portemonnaie gewühlt habe."

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Just one next week
FanfictionMelanie fährt nach Los Angeles, um einem Fantreffen beizuwohnen, das ihr Lieblingsyoutuber Markiplier veranstaltet. Als sie feststellt, dass sie den Bahnhof in München verpasst hat, verpasst sie ihren Flug und beschließt eine Nacht im Hotel zu verbr...