05-Die Kleine von heute Morgen

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„Zoe Mary Lewis!"
Ist das Erste, was ich höre, als ich zusammen mit meiner Mama durch die Haustüre gehe. Ich hasse meinen zweiten Namen, aber ich kann ja nicht dafür, dass meine Eltern mich so genannt haben.
Zoe Mary. Gut der Name kommt anscheinend von meiner Uroma, doch da habe ich jetzt nichts von!?

Aber zurück zur Tatsache, dass mich Papa mit meinen vollen Namen angesprochen hat und dabei nicht sehr erfreut klang.
Max hat hier anscheinend doch angerufen, dabei hatte ich gehofft, dass er erst morgen anruft. Nein, eigentlich hatte ich gehofft, dass er gar nicht anruft!

Plötzlich stehen dann auch noch meine Brüder mit im Eingangsbereich. 
„Was hat sie angestellt?" fragen sie äußerst skeptisch und dann noch synchron.
Ich würde ihnen gerade zu gerne den Hals umdrehen. Mache ich das etwa auch bei ihnen? Wenn sie etwas angestellt haben?

Doch niemand scheint auf die beiden zu reagieren, denn Papa blickt mich starr an und Mama scheint sichtlich verwirrt. Denn sie schaut zwischen uns hin und her, bevor sie seufzt und auf Papa zu geht, um ihm einen kurzen Kuss zu geben.
„Was soll sie denn gemacht haben? Wir kommen doch gerade erst aus dem Café.", lächelt sie ihn warmherzig an.

„Max hat gerade angerufen!", antwortet er ihr.
„Ja und? Muss ich dir eigentlich alles aus der Nase ziehen?", fragt Mama ihn ungeduldig und doch noch liebevoll.
„Unsere Tochter wurde heute Nachmittag von einem Auto angefahren und war danach bei ihm im Krankenhaus." Petze!

Mama hält mitten in ihrer Bewegung inne, um sich dann blitzschnell wieder in meine Richtung zu drehen. Ihre Augen sind schon fast so groß wie Tischtennisbälle, aber ich kann es ihr nicht verübeln, denn ich habe damals ihr Vertrauen missbraucht.
Und jetzt hat sie gerade erst erfahren, dass ich von einem Auto angefahren worden bin und das noch nicht einmal von mir.

Plötzlich befinde ich mich in ihren Armen wieder und sie drückt mich so fest an sich, dass ich kaum noch Luft bekomme.
„Ist dir was passiert? Warum hast du denn nichts gesagt?", fragt sie mich und drückt mich dabei eine Armlänge weit weg. Ich schüttle kurz schmunzelnd den Kopf, ehe ich ihr antworte: „Mir geht's gut, wirklich!"
Ich höre von hinten ein verächtliches Schnauben.
Also ehrlich. Papa könnte mit Dylan eine Selbsthilfegruppe eröffnen.
'Wie werde ich endlich erwachsen?'

„Sie hat einen Bänderriss und von Max das Verbot erteilt bekommen, ins Café zu gehen."
Mama ignoriert Papa erst einmal und nimmt mich lieber kurz in den Arm.
„Wäre ich damals nicht selber so stur gewesen!", höre ich sie schmunzeln, ehe sie mir sagt, ich solle schon einmal in mein Zimmer gehen. Sie würde das mit Papa regeln und im Anschluss ein ernstes Wörtchen mit mir reden.

Aber ich kaufe ihr das nicht ganz ab, weshalb ich einfach an meinen Brüdern vorbei und unter Schmerzen die Treppe herauf gehe. Blöd, wenn man dann noch in der obersten Etage ‚wohnt', da man ja unbedingt eine Etage für sich haben wollte.

Ich schmeiße mich förmlich auf mein Bett und bin froh, mich jetzt erst einmal nicht mehr bewegen zu müssen.
Doch gerade als ich mich mehr in meine Kissen kuschele und die Augen schließe, höre ich wie die Tür aufgerissen und kurze Zeit später wieder zu geworfen wird.
Ich war immer total stolz auf meine großen Brüder, doch in solchen Momenten nerven sie extrem. Dabei waren sie immer so viel besser als ich.

„Was wollt ihr Schwachköpfe?"
„Hast du gesehen, wer dich angefahren hat?", fragt Lucas, wohingegen Toby zur gleichen Zeit etwas ganz anderes sagt.
„Wir wollten nur nach dir sehen und fragen, ob es dir wirklich gut geht."
Sie haben sich wohl nicht abgesprochen!

Ich muss anfangen zu lachen und drehe mich in die Richtung, in der ich meine Brüder vermute.
Toby sitzt in meiner Hängematte und Lucas liegt in dem Berg voller Kissen, so wie immer wenn wir zusammen bei mir im Zimmer sind. Immer ist ein Wort, welches ich viel zu selten benutzen kann und auch jetzt scheint es fehl am Platz.
Manchmal sind sie echt neidisch, dass ich den ganzen Dachboden habe und somit auch das Bad auf dieser Etage. Doch Mama und Papa meinten, ich hätte die Ruhe nötig und so wurde damals aus einer unbewohnten Etage, mein Reich.

„Was wollt ihr wirklich?", frage ich sie und ziehe eine Augenbraue in die Höhe.
Papa hat uns das schon früh beigebracht, da Mama das nicht kann und wir sie somit ärgern können. Doch das ist schon eine ganze Ewigkeit her.
Lukas legt seinen Arm über seine Augen, womit er signalisiert, dass sein Zwilling antworten soll.

„Dylan hat gerade etwas in die Gruppe geschrieben und-"
„Was hat er denn geschrieben?", frage ich mit großen Augen und unterbreche meinen Bruder.
„Wir sind uns nicht ganz sicher, aber es würde auf dich und deine jetzige Situation passen.", spricht Lucas in seine Armbeuge und es ist schwierig ihn zu verstehen, doch er antwortet nicht auf meine Frage.

Währenddessen steht Toby auf und hält mir sein Handy hin. Wir hatten noch nie wirklich große Geheimnisse vor einander. Obwohl das auch nicht wirklich richtig ist.
Ich erzähle ihnen seit knapp drei Jahren fast alles und sie mir glaube ich auch. Sie können aber auch schlecht etwas verheimlichen.

Ich lese mir die Nachricht im WhatsApp-Chat durch und verfluche mich daraufhin innerlich.
Ich komme etwas später. Ich bringe die Kleine von heute Morgen eben nach Hause ;)
Ich schüttele den Kopf und zucke mit den Schultern, weshalb er sein Handy wieder ein steckt.
„Dylan kann so viele Mädchen meinen und mich hat er ganz sicher nicht nach Hause gebracht. Wer weiß, wen er wieder aufgerissen hat."
Ich verziehe angewidert das Gesicht, woraufhin meine Brüder in schallendes Lachen verfallen. Keine Geheimnisse vor einander? Ja, ne ist klar!
„Du bist so-"
„Lass es stecken!", sage ich und werfe ihn mit einem Kissen ab.
„Wir wollen nur nicht, dass es- Ich meine, Dylan wäre kein guter Umgang."

Lucas rafft sich auf, als sein Handy klingelt und als er aufs Display sieht, verändert sich sein Gesichtsausdruck, bevor er eindringlich zu Toby schaut. Habe ich etwas verpasst?
Mir wird das Kissen, was ich zuvor geworfen habe, ins Gesicht geschleudert, weshalb ich wieder zurück in mein Bett falle. Und als ich mich wieder aufraffe, sind meine Brüder verschwunden.

Keine Erklärung? Ich habe wohl doch nicht als einzige Geheimnisse, wobei mich ihres blendend interessiert.
~

„Wo sind Toby und Lucas?", frage ich, als ich mich an den gedeckten Tisch fürs Abendessen setze.
„Sie sind bei einem Freund, wie hieß er noch gleich?"
„Dylan, Prinzessin!", meldet sich Papa zu Wort und hilft Mama auf die Sprünge. Diese scheint sich wieder zu erinnern, denn sie lächelt Papa dankbar an. Bei Dylans Namen läuft es mir jedoch kalt den Rücken herunter. Hoffentlich verpetzt der mich nicht.

Ich versuche zu lächeln und das gelingt mir auch, als ich sehe, dass Mama mein Lieblingsessen gemacht hat. Champignons.

„Ach, Spätzchen. Du bleibst morgen zu Hause und vielleicht auch noch übermorgen. Papa hat Recht und Max im Übrigen auch, du musst dein Fuß erst einmal schonen.", lächelt sie erst mich und dann Papa an.
"Und wir glauben, dass dir eine Anzeige bei der Polizei nicht viel bringen wird. Du hast keine Ahnung wer dich angefahren hat und könntest dir demnach den ganzen Stress sparen. Wenn du aber unbedingt-"
Ich unterbreche Papa mit einem Kopfschütteln, da ich gar nicht will, dass er weiter redet. Es ist klar, dass ich Dylan nicht anzeigen werde.

Fake HonestyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt