Teil 1 von 1

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Anon

PoV Anon

„Ich weiß auch nicht.", lachte die Brünette vor mir. Wie schon zu oft viel unsere Konversation zum Hurricane. Wieder einmal regten wir uns darüber auf, dass wir noch nicht 18 wären und uns niemand begleiten würde, der einen Führerschein hätte.

„Lass uns das Thema wechseln.", murmelte ich und schaute auf ihre dünnen Beine. Als wir uns vor ungefähr einem Jahr durch einen Zufall wiederfanden, fragte ich mich schon, warum sie so dünn wäre. Schon damals fühle ich mich manchmal neben ihr wie ein Walross. Doch sie gab mir auch immer das Gefühl keines zu sein. Eine seltsame Zusammenstellung, doch mir gefiel es so.

Wir sangen Song über die unmöglichsten Dinge, lachten zusammen und wieder einmal vergaß ich, was in meinem Leben gerade schief lief. Wie sehr ich es verabscheute in dieses bestimmte Haus, zu diesem bestimmten Mann zu gehen. Wie sehr ich es doch verabscheute mich in meinem eignen Haus als Gast zu fühlen.

Doch sobald ich wieder zurück in meinem Bett war, kamen genau diese Gedanken wieder hoch. Und noch viele mehr. Es war noch nie schön. Noch nie. Klar zwischendurch hatte man auch gute Gedanken, die die Welt vielleicht eines Tages bereichern könnten, doch diese wurden genauso schnell wieder verdrängt.

Es klopfte an der Tür, ich bat leise um den Eintritt der Person, die ich eigentlich gar nicht sehen wollte. „Willst du auch was essen?", fragte der Mann. Um die 1,75m groß, dunkle Haare mit einigen grauen Ansätzen, relativ gut gebaut, 43 Jahre. Mein Vater stand also in der Tür und musterte mich. Ich nickte nur, klappte meinen Laptop zu, auf welchem ich seit dem 02.07.2016 regelmäßig schrieb. Vorher benutzte ich seinen Laptop, dann schenkte er mir diesem zum Geburtstag und er wurde mein Lebensinhalt.

Die meisten Leute kannten mich seit dem Tag nicht mehr unter meinem richtigen Namen, sondern unter dem Alias Anon.

Ein Alias, das ich liebte und immer noch liebe. Ich bin Anon.
Anon – es bedeutete von Anfang an für mich, dass ich anonym bleibe in dem was ich tue, dass ich mir keine Sorgen machen muss in der Schule auf meine verstörenden Geschichten angesprochen zu werden. Anon – es bedeutete von Anfang an für mich, dass ich mich verstecken kann, hinter diesem Namen jedoch musste ich es nicht. Denn niemand wusste wer sich dahinter verbirgt. Anfangs wurde ich auch gefragt, ob ich ein Junge wäre. Niemand wusste irgendwas über mich. Und das fand ich gut – finde ich immer noch.

In der Schule schrieb ich schon oft diesen Namen auf meine Hefte, wenn ich einen Aufsatz abgeben musste. Einfach aus reiner Gewohnheit. Meistens wurde das ignoriert. Glücklicherweise.

Ich gesellte mich zu meinem Vater auf das Sofa unten im Wohnzimmer, stahl ihm eine seiner unzähligen Decken und rollte mich in dieser ein, wartete geduldig, bis er meinen würde, dass das Essen fertig sein würde.

„Was hast du vorhin gemacht?", fragte er und aß etwas von seinen Nudeln, die soeben fertig gekocht sind. „Geschrieben. Es ist inzwischen 49 Tausend.", murmelte ich und schaute auf den Laptopbildschirm vor mir. Wie jeden Abend eine Folge von Dr. House.

Ich sah im Augenwinkel, wie er lächelte. „Und wie war's bei Bluhm?", fragte er und schaute zu mir. Tja, wie war es? Sollte ich sagen, dass ich mich mal wieder über ihn und seine Machenschaften aufgeregt habe? Oder eher nicht. „Erdbeeren." „Okay." Erdbeeren, das Codewort für: Ich-will-nicht-drüber-reden!

Wir hatten viele solcher Wörter. Obacht. Kaffeesahne. Akkuschrauber. Sowas alles. Ich war froh darüber. Ein Leben wie niemand anderes, den ich bisher kannte.

Niemand hatte die selben Probleme wie ich, niemand hatte sie selben Ängste wie ich, niemand die selben Erfahrungen gemacht. „War es denn wenigstens gut?" Ich nickte. „Hast du sie schon angerufen?", fragte ich nach einer Weile des Schweigens. Er schüttelte den Kopf. „Wollte ich morgen machen, nächstes Wochenende könnte etwas spät werden.", lachte er und ich zuckte nur mit den Schultern. Wieder eine Sache in der er uns maßlos enttäuschte.

Gelangweilt sah ich aus dem Fenster, die Idioten standen schon wieder vor unserem Haus und fingen die Pokémon in meinem Zimmer. Dass das nie langweilig wird...

Nach der Folge von Dr. House ging ich hoch in mein Zimmer, schmiss mich auf meine Couch, legte meinen Laptop auf meinen Schoß und begann ein neues Cover zu erstellen. Die passende Geschichte dazu schreibe ich nun. Es ist diese.

Eigentlich wollte ich eine Geschichte über meine momentane Lebenssituation schreiben. Eigentlich. Das liegt mir nicht so meine Pläne einzuhalten.

Stattdessen sitze ich hier nur, mit schmerzendem Rücken und den Songs von Twenty One Pilots im Hintergrund und schreibe diese Zeilen.

Es geht mir nicht gut. Wie man unschwer erkennen konnte, bin ich nicht sonderlich von meinem Vater begeistert. Er verspricht momentan so viel, was er nicht einhält, enttäuscht mich und meine Schwester damit. Verletzt mich. Warum ist er plötzlich so? Diese Frage schwirrt seit einigen Monaten in meinem Kopf herum.

Mein Leben geht den Bach runter und ich habe niemanden, der mir daraus helfen kann. Niemanden, der hinterher springen und mich rausholen würde. Klar manche Leute würden weinend und schreiend am Ufer stehen, doch niemand würde mich retten. Jeder würde warten, dass es ein anderer tut. Doch niemand würde sich trauen. Niemanden würde es danach stören. Wahrscheinlich werden sie ein zwei Worte über mich verlieren, mich dann ignorieren und dann aus meinem Leben austreten. Wie sie es immer getan haben, sobald ich in diesen Bach geschubst wurde.

Es hat sich in den letzten 5 Jahren nicht geändert.

Die ersten Depressionen, die ich hatte, erschienen, als ich 10 war. Sie kamen immer wieder und ich begann schon mit 11 mich schwer zu verletzen. Manchmal ließ ich es aussehen wie einen Unfall. Habe mir ausversehen den Arm gebrochen oder bin ausversehen hingefallen. "Ausversehen"

Es wurde mit den Jahren mehr und je mehr es wurde, desto mehr Freunde gingen wieder. Ich wurde unsichtbar und anonym. Ich wurde Anon. Eine der besten Entscheidungen, die ich treffen konnte. Wäre ich nicht Anon geworden, hätte ich vieles anders erlebt. Ich hätte mich in den schlimmsten Zeiten nicht daran aufmuntern können, dass mir so viele Leute zuhören würden. So viele hatten es angeboten und bei einer Person habe ich dann doch mal zugestimmt.

Wäre ich nicht Anon geworden, würde ich viele Dinge anders sehen, weil ich den Kontakt zu vielen Menschen niemals gehabt hätte. Sie hätten mir niemals ihre Gedanken mitgeteilt und ich wäre unwissend geblieben.

Wäre ich nicht Anon geworden, wäre ich nicht ich.

Und auch, wenn kaum jemand weiß, wie ich aussehe, werde ich gesehen.

Ich bin Anon. Und ich habe kein Gesicht.

Was ich nun gleich machen werde? Ich weiß nicht. Vielleicht klappe ich den Laptop zu, vielleicht lade ich den Teil direkt hoch. Ich weiß es nicht. Ihr werdet es sehen.

Heute ist der 17.12.16 und wir haben 23:05

Und es überkam mich, ich wollte etwas zu mir schreiben. Etwas, was ich ernst meine, was sich auf mich bezieht. Etwas, was vielleicht doch etwas über mich verraten könnte, ohne, dass ich verraten werde.

Ich weiß nicht, was das hier ist. Ein OneShot? Ein einfacher Text? Es ist einfach eines meiner Werke. Ein Werk Anons.

Ich danke euch für vieles. <3 Wirklich. Danke

- Anon

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 17, 2016 ⏰

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Mein Name ist AnonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt