„Lass uns fahren." murmele ich und gehe zur Tür.
Im großen Einkaufszentrum werden wir kritisch beäugt. Einige können uns wohl zuordnen, doch für viele sind wir Exoten. Ben in Lederjacke, mit langen Haaren und beringten Fingern, dagegen die brav gestylten Hausmänner und Neu- Landwirte in ihren Karo- Klamotten. Und ich im Rockabilly- Style, mit Pony, dem Pferdeschwanz und dem ausgestelltem Sommerkleid, das ich mir nach dem Duschen übergezogen habe. Ben und ich passen vom Outfit her gut zusammen, aber eben nur nicht hierher. In Berlin hat sich noch nie jemand nach meinen lila Haaren umgedreht.
„Elena?" fragt eine sanfte Frauenstimme hinter mir.
Ich drehe mich von dem Regal mit den Marmeladen weg und blicke in große, graue Augen.
„Oh, hi, Maike. Wie geht es dir?" begrüße ich sie.
„Ganz okay. Tut mir leid mit deiner Oma. Und dem Hof, natürlich."
„Wieso, was ist mit dem Hof?" frage ich erschrocken.
Sie blickt sich um und dann beugt sie sich dicht an mich heran.
„Mama sagte, er zerfällt langsam. Ehrlich, dieser Günther hat den Hof völlig herunter gewirtschaftet." raunt sie mir zu.
„Ja, so wie es aussieht, hast du recht. Aber wir sind gerade erst angekommen und müssen uns erstmal einen Überblick verschaffen." lächle ich.
Maike nickt. Plötzlich weiten sich ihre Augen und sie wird rot. Ja, ich rieche ihn schon hinter mir.
„Hey, Maike." höre ich Ben's rauhe Stimme sagen. Oh, da lief was, hundertpro!
„Hi, Ben. Schön, dich zu sehen." piepst die junge Frau, die wie Ben zweiundzwanzig Jahre alt ist.
„Oh, mir fällt ein, ich brauche noch Senseo Pads. Ich geh schonmal vor, ja?" schmunzele ich und warte nicht auf eine Antwort.
Auf dem Weg zum Gang mit den Kaffeeartikeln brummt mein Handy. Es ist meine beste Freundin Sandy. Sie ist angesagte DJane, Youtuberin und Model in Berlin. Und steht wie ich auf dunkles Zeugs und Depeche Mode.
„Ela! Wieso verschwindest du einfach? Wir wollten heute doch die neue Sushi- Bar einweihen!👿S."
Ich schmunzele und antworte:
„Hast du meine Mail nicht gelesen? Hab versucht, dich anzurufen, aber du gehst ja nie ran. ;-)"
Sandy: „Oh, sorry, war bei Tom. Wir haben ein paar neue Remixe gemacht, du musst sie dir unbedingt anhören! Und ich muss dir auch was zu ihm erzählen...vllt kannst du es dir auch denken..."
Oh, ja, das kann ich. Sie hat ihren nächsten Musikpartner flachgelegt und das Elend wird mal wieder seinen Lauf nehmen! Ich seufze.
„Guck in meine Mail. Ich bin gerade einkaufen und die machen hier gleich zu. Ruf dich nachher an, okay? Gegen acht?"
Sandy: „Jetzt schon? Was für ein Kaff ist das? Komm bloss schnell zurück! Ist gebongt, bis nachher."
„Na, schreibst du deinem Schatz? Warum hast du ihn nicht mit gebracht?" grinst Ben und nimmt mir den Einkaufswagen ab.
„Geht dich nichts an." brumme ich und werfe zwei Packungen Senseo- Pads in den Wagen.
„Zicke."
„Prolet."
Seine grünen Augen blitzen mich wütend an.
„Willst du zu Fuß nach Hause laufen?" zischt er. „Dann sei weiter so blöd zu mir. Was habe ich dir eigentlich getan, El?"
„Das weißt du." brumme ich.
„Mann, ich war vierzehn und du warst für mich die heißeste Braut, die es auf Erden gab!" entgegnet er laut.
„Ist sie doch immer noch." lacht ein Typ neben uns. Wir haben es mittlerweile bis zur Kasse geschafft.
„Äußerlich, das mag sein. Aber ihre Einstellung ist zum Kotzen." zischt Ben und packt die Sachen auf das Band.
„Ist doch egal." lacht der bullige Kerl und starrt ungeniert in meinen Ausschnitt. „Ich nehme sie trotzdem."
Ich drehe mich zu ihm und funkele ihn an.
„Paß bloß auf, dass ich dich nicht gleich nehme. Und zwar damit!" fauche ich und halte eine Salatgurke hoch.
Der Dicke grinst süffisant und kommt näher, doch plötzlich schiesst Ben dazwischen.
„Wag es nicht, meine Freundin anzurühren!" knurrt er bedrohlich.
Ich schiebe mich an Ben vorbei, dabei drücken sich meine Brüste gegen seinen Rücken und ich spüre einen Stromschlag, der bis tief in meine Eingeweiden schießt. Uh. Auch Ben zuckt unmerklich zusammen. Er funkelt immer noch den Dicken an, während ich die Ware einpacke und bezahle.
„Komm, Schatz." flöte ich und ziehe an seinem Ärmel. „Lass gut sein."
Ben nickt und dreht sich zu mir. Legt seinen Arm um meine Taille. Doch kaum draußen, lässt er mich sofort los und sagt: „Und außerdem war es nur ein dämlicher Kuss, El. Mehr nicht."
„Nein. Du hast deine Zunge gierig in meinen Mund geschoben, als wolltest du mich auffressen. Nicht wie..."
Ich stocke. Ben fragt: „Wie wer? Wie dieser Jose? Ehrlich, der ist doch schwul."
Ich lache auf, während der Lockenkopf los fährt. Halte dagegen: „Ganz im Gegenteil, er hat eine Studentin nach der anderen gevögelt! Deshalb war ich unheimlich froh darüber, dass du da warst und mich abgelenkt hast. Und dann machst du so einen Scheiß. Warum könnt ihr mich nicht einfach als eure große Cousine sehen?"
„Wieso wir? Was hat Jonas damit zu tun?" fragt Ben verwirrt.
„Er hat mich auch geküsst. Bevor ich nach Koblenz gegangen bin."
Warum erzähle ich ihm das?
„Hm. Nachmacher." knurrt Ben.
„Nein, der bist du. Und eure Küsse hatten nichts gemeinsam, bis auf die Tatsache, dass ihr beide vierzehn Jahre alt wart."
„Und wir auf unsere Cousine scharf waren." grinst Ben.
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trío de tango
General FictionTango zu Dritt. Wo sich diverse jugendliche Heldinnen aus weltweit bekannten Stories schon öfter wieder gefunden haben, wird für Elena eine Herausforderung. Sie ist der Sprössling einer wohlhabenden norddeutschen Großfamilie, die ein Gut in der Nähe...