Es war eine Woche vor den Prüfungen.
Felix hatte gesagt, ich würde mich wegen des ganzes Stresses, den ich mir ja angeblich selbst zuzuschreiben hatte, in ein schrecklich fieses, hormonverwirrtes Biest verwandeln, welches am Besten nicht mehr zum Essen erscheinen sollte.
Vermutlich hatte er das nicht mal ernst gemeint, allerdings traf es mich schon ziemlich. Doch ich war ja schon an sowas gewöhnt, also war es mir dann herzlich egal.
Was mir aber nicht egal war, lief auf zwei Beinen und hieß James.
Der Typ sah mich seit zwei Wochen nicht mal mehr mit dem Arsch an... Okay, das war übertrieben.
Er sprach noch mit mir, umarmte mich ein paar mal, und das war's.
Im Ernst, mehr war nicht.
Irgendwie fand ich das seit der Sache in seinem Wagen etwas enttäuschend.
Alle Geheimnisse offenbaren, um uns besser kennenzulernen? Pah, von wegen.
Zum Glück konnte ich nicht allzu lange am Tag darüber nachdenken. Ich hatte nur Zeit, darüber zu grübeln, wenn ich eigentlich schlafen sollte.
Aber Schlaf und Student in einem Satz passte sowieso nicht, also was soll's.
Wenn man es wagte, mein Zimmer zu betreten, bot sich einem folgendes Bild: ein stickiges, verdunkeltes, unordentliches Zimmer, eine unheimliche Aura vom Schreibtisch ausgehend und passend dazu ein gruseliger Typ, von dem diese Aura ausging.
Es wunderte mich nicht, dass James nicht mal in mein Zimmer kam, um sich etwas von mir zu borgen. Es war furchtbar.
Jedoch hatte ich weder Zeit, noch Kraft, um wenigstens mein Fenster zu öffnen.
Mein Leben hatte sich zu einem billigen, beißenden Trott gewendet.
Dafür würde ich aber bestimmt nicht durch die Prüfung fallen.
Ich sortierte gerade meine Notizen, als es klopfte.
Ich dachte erst, es wäre eine Halluzination, da sonst niemand freiwillig bei mir klopfen wollte, jedenfalls nicht in diesem Zustand, doch es klopfte erneut und ich rief "Herein".
James öffnete die Tür, mit Sorge in den Augen, aber als er ein Stück in mein Zimmer trat, änderte sich seine Mimik schlagartig.
Er rümpfte die Nase.
"Oh Gott, Davin! Wann hast du das letzte Mal gelüftet?!"
Ohne eine Antwort abzuwarten lief er zum Fenster und riss es förmlich auf.
Dann stemmte er die Hände in die Hüften und sah mich mit einem undefinierbaren Blick an.
"Was?"
Es wunderte mich, dass ich überhaupt sprechen konnte, so müde und erschöpft fühlte ich mich.
Das Ganze war mir eindeutig zu Kopf gestiegen. Klasse, Davin.
James ließ seine Arme wieder locker hängen, kam ein Stück auf mich zu und hockte sich vor den Stuhl, auf dem ich saß.
Dann legte er seine Hände auf meine Knie und schenkte mir einen besorgten Blick.
"Wie geht es dir, Davin? Sei bitte ehrlich."
Ich war erst verwirrt und dann unendlich gerührt. Er hatte bemerkt, wie ich mich in letzter Zeit verkrochen hatte und sorgte sich nun um mich. Jedenfalls war das meine erste Schlussfolgerung.
Ich weiß nicht mehr, woran es genau gelegen hat, entweder an seinem Interesse an mir und seiner Sorge oder daran, dass ich durch das ganze Ackern komplett am Ende war.
Auf jeden Fall hatte ich nach seinen Worten direkt angefangen, Rotz und Wasser zu heulen.
James hatte diese Reaktion wohl erwartet, denn ein kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, bevor er mich vom Stuhl in seine Arme zog.
"Das dachte ich mir schon. Du musst wirklich fertig sein, oder?"
Ich nickte schluchzend in seine Schulter und krallte mich in seinen Pullover. Ich fühlte mich besser, viel besser nach dem Stress in letzter Zeit. James war wieder mal da für mich und ich war der glücklichste Mensch auf der Welt.
Ich war glücklich, ihn zu haben, verdammt glücklich.
Als ich mich endlich einigermaßen beruhigt hatte, ließ James von mir ab und betrachte sorgfältig mein Gesicht.
"Würdest du mich heute zu einem Ort begleiten, Davin?"
Meine Alarmglocken läuteten sofort.
"Aber ich muss doch für die Prüfungen ler-"
Er legte einen Finger auf meine Lippen, um mich zum Schweigen zu bringen.
"Sag das nicht. Heute wird gechillt, mein Lieber!"
Damit half er mir auf die Beine, legte einen Arm um meine Schultern und zog mich aus der Hölle heraus.
Keine fünf Minuten später saßen wir in seinem Wagen und fuhren zu einem mir noch unbekannten Ort.
"Wohin entführst du mich, James?", fragte ich lustlos.
Im Ernst, ich fühlte mich wie ein Depressiver.
James jedoch schien sich schon riesig auf unseren Ausflug zu freuen.
"Lass dich überraschen, Kleiner.", sagte er nur und grinste wie ein Honigkuchenpferd.
Irgendwie fühlte ich mich...wesentlich besser.
Unabhängiger.
Nach einer Weile fühlte ich mich allerdings etwas unbehaglich, weil wir einfach schwiegen wie die Lämmer. Wir hatten schon so lange nicht mehr miteinander gesprochen...
Und jetzt, wo wir die Gelegenheit dazu hatten, taten wir es nicht.
Woran lag das?
War nur ich es, den diese Stille störte?
Ich sah zu James, musterte ihn, doch mir fiel nichts weiter auf.
Nur, dass er wie immer total gut aussah und strahlte wie die Morgensonne.
Plötzlich zuckte es unerwartet in meinem Bauch. Es tat nicht direkt weh...es war nur sehr ungewohnt. Mein Herzschlag vervielfachte sich, während meine Hände schwitzig wurden.
Frühlingsgefühle? Ha, nope.
Ich liebte ihn. Ich liebte James.
Das war die ganze Wahrheit.
Irgendwann, ich hatte die restliche Fahrt kaum wahrgenommen, so weggetreten war ich, kamen wir an unserem Ziel an.
Noch konnte ich nicht viel erkennen.
Wir waren am Rande eines Waldstücks angelangt, vor dem Wagen erstreckte sich eine Treppe in die Höhe.
Der Wald bedeckte den gesamten Hügel, weshalb man von hier unten aus nicht sagen konnte, was auf der anderen Seite war.
Ich war neugierig, das gebe ich zu.
James und ich stiegen aus, liefen um seinen Wagen herum und blieben am Fuß der Treppe nebeneinander stehen.
James sah zu mir herunter und sah ein wenig verwundert aus.
"Wow, du siehst auf einmal so frisch und fröhlich aus!"
Ich lächelte ihn scheu an.
"Liegt wohl an der Luft.", sagte ich.
James schnappte empört nach Luft.
"Was, es liegt nicht an mir?"
Dann lachte er herzlich.
"Schätze, ich muss mir wohl mehr Mühe geben."
Auf einmal griff er nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger miteinander.
Verdammt, Tomatenalarm.
Doch James störte das nicht im Geringsten.
Er zog mich näher zu sich, sodass sich unsere Seiten berührten.
Wohlige Blitze heizten mir ordentlich ein.
"Wollen wir?", flüsterte er lächelnd.
Für einen ganz kurzen Moment hatte ich geglaubt, er meinte etwas anderes damit.
Etwas...Endgültiges.
Ich nickte nur.
DU LIEST GERADE
Grown up now (boyxboy)
RomanceDavin und James begegneten sich zufällig, ein Aufeinandertreffen zwei fremder Kinder, die noch nichts von der Welt begriffen. Doch beim zweiten Mal kann es unmöglich nur ein Zufall sein... "Danke...", flüsterte er mir liebevoll ins Ohr. Ich verstand...