Alles ist wie immer. Die Sonne wirft ihre hellen Strahlen auf die noch frischen, grünen Blätter, die ich durch das Fenster sehen kann. Der Himmel ist strahlend blau, keine Wolke lässt sich blicken. Ich bin mir sicher, viele hätten alles für dieses Wetter gegeben. Doch für mich ist es normal, das Wetter, den strengen Blick unseres Kursleiters Mr.Eliot, die schwarze, polierte Uhr, dessen Zeiger sich einfach nicht bewegen wollen, alles. Außer ich, ich bin nicht normal. Aber wie können Menschen auch in meiner Welt normal sein? Ich meine, in einer Welt ohne Geheimnisse! Ich bin mir sicher, nicht nur ich finde das absolut unmöglich! Selbst wenn ich nur für ein paar Sekunden in einer Menschentraube eingequetscht bin, so erzählt man mir, dass man gestern seinem Ex eine Abfuhr verpasst hat. Oder so ähnlich. Das mag zwar nicht sonderlich viel bedeuten, aber wenn man ein Geheimnis hüten muss, deshalb keinen Körperkontakt haben darf , ist das ziemlich schwierig. Ich habe keine Freunde. Auch das ist normal. Und
,,Mrs Leech?", hörte ich eine entfernte Stimme. ,,Lis!" Ruby, ein Mädchen mit der ich mich relativ gut verstehe, schaute mich genervt an. Ich zuckte zusammen. ,,Nun, Elisabeth, möchtest du uns dein hübsches Buch einmal zeigen, oder hörst du freiwillig auf, dort hinein zu schreiben?" Der durchlöchernde Blick von Mr.Eliot ließ mich gefrieren. Schnell packte ich mein Tagebuch, ein roséfarbenes Buch mit goldenem Rand und geheimnisvoller Schrift, ein und stammelte noch: ,,T-Tut mir Leid". Er nickte, schaute mich noch einmal mit diesem typischen Blick an, ging dann aber weiter. Ich betrachtete unser Klassenzimmer. Die Wände waren mit gelber Tapete bepinselt, die mit der Zeit aber schon sehr heruntergekommen war. An den Wänden hingen ein paar Poster und eine Weltkarte. Die Tische und Stühle wurden in den Typischen Zweier-Reihen platziert. Wir waren genau 19 Schüler, dass heißt, fast jeder hatte einen Sitznachbarn. Außer ich, was mir aber auch mehr als Recht war. Es klingelte. Ich packte mein Mathebuch in meine Tasche, wollte Grade gehen, doch da konnte sich Mr.Eliot eine Bemerkung nicht verkneifen: ,,Du solltest aufpassen, Elisabeth. Du schaffst deinen Abschluss nicht..." Ich blieb kurz stehen, ging dann aber weiter. War das mein Ziel, den Abschluss zu schaffen? Eigentlich wollte ich nur raus aus der Schule!
Ein paar Minuten später schloss ich die verfärbte, alte Tür auf. Ich wohnte mit meiner Mutter in einer kleinen Wohnung am Stadtrand. Meine Mutter, ja, sie ist immer weg, wenn ich da bin und kommt erst spät abends wieder. Sie interessiert sich nie für mich, das ist auch einer der Gründe, warum sie mein Geheimnis auch nicht kennt. Ich ging den schmalen Flur bis zu meinem Zimmer entlang und schmiss mich auf das hölzerne Bett. Was war das nur für eine schreckliche Welt?
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Tell your Secrets
Romance,,Es ist ein großer Fehler, zu denken, dass ein Mensch immer gleich ist. Ein Mensch ist nie lange derselbe. Er verändert sich ständig. Nicht einmal für eine halbe Stunde bleibt er gleich" ~ G.I. Gurdjieff Jeder Mensch hat manchmal Wünsche, auch die...