XVI

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Ich betrat das Gebäude und stellte verwundert fest, dass Eric bereits da war. Er stand an der Rezeption und schaute gebannt auf sein Smartphone. Leider musste ich mir gestehen, dass er heute verdammt gut aussah, um ehrlich zu sein, tat er das immer. Doch änderte das nichts an seinem unausstehlichen Verhalten.

Bemerken tat der braunhaarige Junge mich erst, als ich meinen Mund öffnete und uns bei der freundlichen Dame hinter dem Tresen anmeldete für die Schicht. Danach gab sie mir einen Brief und verwundert runzelte ich meine Stirn. Die Frau meinte nur, dass es wichtig sei und Eric und ich ihn heute zusammen öffnen sollten.

Verwirrt nickte ich und verabschiedete mich, um mich zu Eric zu drehen, der wie ich nun sah, immer noch an seinem Smartphone war.

"Unsere Schicht beginnt", sagte ich zu ihm und zu meinem Erstaunen nickte er, machte sein Handy aus und steckte es in seine Hosentasche.

~

"Ist eigentlich alles okay mit deiner Mutter?", erkundigte sich Eric bei mir, als wir als Erstes unsere Hände wuschen und ich meine Haare zu einem Dutt band.

Die Tatsache, dass es ihm interessierte und er sich ernsthaft Sorgen machte, entlockte mir ein kleines Schmunzeln. Doch der Gedanke an meiner Mutter ließ mich direkt wieder ernst werden und ich erzählte ihm, was passiert war. Währenddessen wurden seine Augen dunkler und er schien wirklich betroffen und mit mir mitzufühlen.

"Das tut mir leid, Zoey. Ich hoffe, dass es ihr bald wieder gut geht. Kümmert sich euer Vater wenigstens gut um sie?" Dass Eric so mitfühlend sein konnte, war total neu und ungewohnt für mich. Jedoch war die Frage definitiv die falsche, denn meine Laune sank innerhalb wenigen Sekunden in den Keller.

"Nein", antwortete ich knapp und harsch. So wollte ich ihm zu verstehen geben, dass ich nicht darüber reden wollte. Mein Vater war tot und mein Stiefvater hatte die Flucht ergriffen, als er hörte, dass meine Mutter von Zwillingen schwanger war.

Toller Mann.

Und da ich mir sicher war, dass Eric später auch nicht viel besser sein würde, beließ ich es bei einem, vielleicht nicht gerade freundlichen, "Nein."

Ich wusste nicht, ob der Junge neben mir einfach nur ein Gehirn der Größe einer Erbse hatte oder er absichtlich meine Andeutung ignorierte, weil er unglaublich stur war.

"Behandelt er sie schlecht?", wollte Eric mit weit gerissenen Augen, in denen man seine plötzlich aufkommende Wut erkannte.

"Nein", zischte ich.

"Du kannst mir die Wahrheit sagen. Häusliche Gewalt ist ein großes Problem und nichts, wo vor man sich schämen muss. Du musst zur Polizei", riet er mir aufgebracht. Diese Situation schien ihm ziemlich nahezugehen. Vielleicht hatte er selbst schon Erfahrung damit, jedenfalls würde diese Theorie seine Reaktion eindeutig erklären.

Trotzdem labberte er totalen Quatsch, da mein Vater und Stiefvater meine Mutter nie geschlagen hatten. Und im Moment hatten sie wohl kaum eine Chance dazu, denn der eine lag unter der Erde und der andere war vermutlich auf der anderen Seite der Welt.

"Eric, hör mir mal zu. Bei uns zu Hause wird niemand geschlagen. Weder meine Mutter noch meine Geschwister noch ich. Wir leben alleine", versuchte ich ihm ein letztes Mal zu erklären mit einem warnenden Unterton.

"Okay." Der braunhaarige Junge ließ seine Arme sinken, seine Wut verrauchte wieder so schnell wie sie gekommen war und er kratzte sich verlegen an seinem Nacken.

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