Magical

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Mit einer kleinen Handbewegung zündest du den Docht der Laterne an und hälst sie an die abertausenden Bücher, die sich vor dir erstrecken. Ein zufriedenes Grinsen breitet sich über dein Gesicht aus, als du über den Rücken eines besonders dünnen Exemplares streichst.
"Hier ist es", wisperst du gegen die Stille.
In deinen Magen rumort es. In diesem Buch wäre wohl die Lösung für Alles, es könnte dir deine Freiheit schenken, ein neues Leben. Man würde dich nicht mehr nur als seine Frau kennen, sondern würde dich für deine Fähigkeiten zu schätzen wissen.
Plötzlich hörst du die Tür aufgehen und ziehst angespannt die Nadeln aus deinem Kimono.
"(Name)? Bist du hier?"
Augenblick beginnt dein Herz, schneller zu schlagen. Dass schon seine Stimme eine solche Reaktion hervorrufen kann ärgert dich. Dieser blöde...
Als keine Antwort kommt, schließt sich die Tür wieder und du atmest erleichtert auf. Wenn er dich hier erwischt, bist du erledigt.
Sachte stellst du die Laterne auf den Holztisch, gemacht aus Edelpinie, wie du erkennst, legst das dünne Buch vor dich und nimmst auf dem kleinen Hocker Platz.
Du hast noch nie so ein schönes Buch gesehen. Die verschiedenen, rankenartigen Muster aus wohl purem Silber umfließen den großen Amethyst in der Mitte. Die Ränder sind verziert mit weiteren, winzig kleinen Edelsteinen.
Bevor dich das Äußere weiter fesseln kann, schlägst du die erste Seite auf. Ein Inhaltsverzeichnis springt dir ins Auge.
Gegenstände, die Zuneigung auslösen, Tränke, die besänftigen und natürlich die Liebeszauber. Und wie sie zu beheben sind. Du stößt ein stilles Gejubel aus, bevor die angegebene Seite für das Kapitel aufgeschlagen wird und du eifrig zu lesen beginnst. Doch sofort hälst du wieder inne.
Hier ist noch jemand.
In Panik geraten, schnappst du dir das Buch und willst es sofort wieder an seinen Platz zurück stellen, aber da schließt sich schon eine Hand um deinen Arm.
"Hey, wieso liest du nicht weiter? Die ganzen Bücher hier verstauben nur, wenn du damit was anfangen kannst ist das gut."
Obwohl du Angst vor ihm hast, läuft dir ein wohliger Schauer den Rücken hinunter.
Liebeszauber sind echt ätzend.
Lächelnd wendest du dich deinem Ehemann zu, hoffend, er würde das Buch nicht sehen. Dabei ist dir doch klar, dass er schon längst bescheid weiß. Er tut so dämlich, hat aber immer eine Ahnung.
"Also? Liest du weiter?"
Sein Lächeln wirkt gefälscht, und das macht dir nur noch mehr Angst. Wird er dich gefangen nehmen lassen? Oder gar Schlimmeres? Hat er noch ein paar bösere Zauber parat?
Während du dich weiter mit diesen Fragen beschäftigst, zieht er dich an den Handgelenken zurück auf den Hocker. Er selbst lässt sich auf einen Sessel nieder, nicht weit entfernt, und beobachtet dich schweigend. Dabei leuchten seine braunen Augen verräterisch auf. Einer seiner Zaubertricks. Blöd, dass er weiß, wie sehr du seine Augen liebst.
Zögerlich blätterst du auf das Kapitel mit den Liebeszaubern zurück. Auch wenn es dir unter seiner Beobachtung schwer fällt, gehst du Zeile für Zeile durch.

Es dauert nicht lange bis du die Seiten gelesen hast. Entsetzt schaust du von dem Buch auf, in sein lächelndes Gesicht. Er lächelt immer, wirklich. Diesmal allerdings wirkt es ein wenig entschuldigend, hat etwas Mitfühlendes an sich.
"Hast du das wirklich gemacht?", wispern deine Lippen. Du kennst die Antwort doch schon. Trotzdem hast du noch einen kleinen Funken Hoffnung in dir, der dir sagt, dass er niemals so weit gehen würde. Das ist er bei anderen Frauen ja auch nicht.
Doch natürlich erfüllt sich deine Hoffnung nicht.
Als er langsam nickt, legt sich ein stiller Schleier der Enttäuschung um dich. Du fühlst dich betrogen, ausgenutzt, all die schönen Momente mit ihm waren inszeniert, vorgespielt durch einen dämlichen Zauber. Seit 3 Jahren bist du seine Frau, ohne ihn wirklich geliebt zu haben.

Ruckartig stehst du auf, gehst auf ihn zu und verpasst ihm eine deftige Ohrfeige. Sofort hält er sich eine Hand an die Wange und murmelt einen kühlenden Zauber. Im selben Moment tut es dir wieder leid, das getan zu haben, nur dein Kopf weiß dass er es verdient hat.
"Ich gehe jetzt. Und du wirst diesen Zauber beheben."
Mit diesen Worten verschwindest du aus der Bibliothek.

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