Die Sonne versank hinter tief hängenden dunklen Wolken und der Himmel wurde so düster, als würde der Abend schon längst in die Nacht übergehen. Das Meer begann sich zu bewegen, es begann wach zu werden und seinen Zorn freien Lauf zulassen. Das große dunkle Holzschiff, mit 12 Besatzungsmitgliedern, schwankte bedrohlich und laute Rufe durchschnitten die Ruhe. „
Begibt euch ans Steuerbord!"
„Hisst die Segel!"
„Sieht nach, ob alles fest verschlossen ist!"
Die jungen Männer rannten wild umher, stoßen sich hier und dort mal gegenseitig an und betrachteten kritisch den Himmel. Auch Paul Jansen rannte über den Holzboden hin und her, half seinen Kollegen und spürte langsam die Kälte, die sich über ihn legte. Ganz nah, fast schon über ihnen, ertönte ein lautes Grollen und die Wolken ließen den Regen freien Marsch. Wie kleine Kugeln prasselten die Regentropfen nieder und durchtränkten Pauls dünne Kleidung. Nasse Haarsträhnen hingen ihm im Gesicht. Er schüttelte sich vor Kälte und zwang seinen Körper weiter zu arbeiten. Den anderen zu helfen. Schneller wurde der wind beißender und die Wellen schlugen krachend gegen das Schiff und ließen es wackeln, sodass der Holzboden sich immer weiter mit Wasser füllte. Paul hielt sich an einem Mast fest, als das Schiff nach rechts kippte und dann wieder nach links ausschwenkte. Er schloss die Augen, hörte die Schreie der anderen Besatzungsmitglieder, das harte aufprallen von manchen, die nicht mehr aufrecht stehen konnten und gegen die Reling krachten. Als Paul seine Augen öffnete, ließen auch seine Hände den Mast los und er wurde mit dem Wind hoch gewirbelt. Er verlor den Halt unter seinen Füßen, schwebte durch die Luft und merkte wie kalter Regen in sein Gesicht knallte, so hart und klein, dass kleine blutende Punkte zurück blieben. Er wurde über Bord gerissen. Der Sog war so stark, dass er für einen kleinen Moment den Atem anhielt. Er erblickte sie, als er schon fast ins Wasser eintauchte. Sirenen. Abertausende, wunderschöne Sirenen bildeten einen Kreis um das Schiff, das langsam versank. Ihre Haare waren voll und lang und schimmerten im Sommerlicht, das nicht vorhanden war. Ihre Haare waren trocken, obwohl der Regen noch lange nicht versiegt war. Paul erzitterte.
Sie existierten wirklich.
Es war keine Sage, was die anderen Fischer und Bootsflüchtlinge erzählt haben. Sie waren da um ihn und die anderen zu holen. Er hörte ihr Gesang. So lieblich, so betörend, dass er, als er in dem Ozean eintauchte, vergaß sich zu bewegen und sich den Sirenen hingab. Er schwebte durch das Meerwasser und merkte die starke Bewegung und die Schuppen der Sirenen auf seiner Haut. Sie stritten sich um ihn, bis eine seine Hand nahm und Paul zu sich heran zog. Ihre Haare waren in einem unglaublichen feuerrot und ihre Haut makellos glatt. Ihre Schwanzflosse schlängelte sich um seine Beine und ganz nah an seinem Ohr sang sie ihm ein Lied. Paul war wie benebelt, er wollte atmen, doch anstatt Luft, nahm er Wasser auf. Die Sirene, seine Sirene, gluckerte aufgeregt und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Er gehörte ihr und im grausamen Glück zieht sie ihn mit sich in die Tiefe. Voller Freude endlich jemanden gefunden zu haben, dass sie vergas das ihr Liebhaber ertrinken wird. Sie war ihr ganzes Leben lang alleine gewesen. Und wenn er unten in der Tiefe in ihren Armen sterben wird, wird auch sie an den Schmerzen der Liebe sterben. Das wusste sie aber nicht. Das wusste keiner von ihnen.
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The Fear Of Being Forgotten
PoetryTexte Gedichte Worte Gedankenfetzen, die es wert sind niedergeschrieben zu werden, aber zu klein sind, um eine Geschichte daraus zu weben. Vielleicht findet ihr euch in dem ein oder anderem Text wieder. || Genau wie Augustus Waters (The Fault In Our...