Zehntausend Gründe Dich Zu Hassen

Shine Bright

Ich war so sehr im Selbstmitleid versunken, dass ich gar nicht merkte, dass ein Auto neben mir an den Rand fuhr.

Ich schreckte erst auf, als jemand rief: "HELENA! Bist du verrückt?"

Ich sah überrascht auf.

Zoe saß im Wagen und winkte wie eine Irre. Ich ging zu ihr.

"Ich will nur nachhause, Zo", sagte ich und meine Stimme klang dabei verzweifelter als ich wollte.

"Geh nur", meinte Zoe und fügte etwas leiser dazu: "Wenn du lebensmüde bist."

"Bitte?", fragte ich verwirrt.

"Na du kannst dir sicher vorstellen, was für ein Drama gerade bei dir zuhause abgeht", erwiderte sie.

Nein, das konnte ich nicht. Mein Kopf dröhnte noch mehr bei dem Versuch mich zu erinnern.

Aua.

"Ähm, nicht so ganz", gab ich zu. "Was ist denn los?

Da lachte Zoe laut auf. 

"Scheiße, du hast sicher einen Mörder Kater, oder?"

Ich nickte.

"Steig endlich ein, ich fahr dich zu mir. Dann duscht du erst einmal und ich erkläre dir später, was los ist", ordnete sie an.

Und müde und verfroren wie ich war gab ich nach. Was hätte ich auch sonst tun sollen?

Bei Familie Klein gab es zum Glück immer eine saubere Zahnbürste und ein paar Klamotten von mir aus alten Zeiten. Perfekt für Notfälle wie diesen.

20 Minuten später saß ich frisch geduscht und wieder halbwegs lebensfähig mit einer Tasse Kaffee in der Hand bei Zoe im Zimmer auf dem Bett. Es hatte sich kaum etwas verändert. Ihre Wand war immer noch mit Fotos von uns von früher tapeziert. Es waren nur noch mehr dazu gekommen.

"Wo sind eigentlich alle anderen?", fragte ich. "Es ist so still hier."

"Wen genau meinst du? Behati ist diese Woche bei David, Jonathan ist doch ausgezogen und Ethan... naja, der sitzt bei dir zuhause. Wie meine Mom wahrscheinlich auch."

"Zoe, ich weiß wirklich gar nichts mehr von gestern Abend", gab ich zu.

"So schlimm, Helena? Oh mann. Also, so ganz kann ich dir auch nicht helfen, schließlich warst du ja davor auf der Geburtstagsfeier von ..."

"Markus, das weiß ich wenigstens noch."

"Immerhin. Dann musst du mir aber auch erzählen, was da los war. Der Teil der Geschichte fehlt mir nämlich ", sagte Zoe.

"Okay, ich kann es versuchen."

Ich nahm mir einen Moment Zeit, um durch zu atmen und die Erinnerungen zu sortieren.

"Also, ich hatte ja eigentlich schon vorab keine Lust auf den blöden Geburtstag zu gehen, sondern wäre lieber gleich mit euch mitgegangen. Aber ich wurde ja gezwungen. Auf jeden Fall war es richtig, richtig peinlich- eigentlich von Anfang an. Meine Schwester hatte Liam mitgenommen, meine Mom war mit David da, nur ich war allein. Das schon mal vorab."

Zoe sah mich an. "Komm schon, so wollten wir früher niemals sein." 

Sie hatte recht. 

"Ich weiß. Aber ich wäre ja gerne mit meiner Mutter oder Becki hingegangen. Nur ganz allein...", verteidigte ich mich trotzdem.

"Ist schon okay. Erzähl weiter."

"Schon allein die Begrüßung war mega unangenehm. Meine Schwester hat Markus natürlich direkt umarmt und meine Mom, David und er haben sich auch umarmt. Und dann habe ich ihm die Hand gegeben."