Ich seufzte laut. Ich hatte noch nie so wenig Lust auf Schule gehabt wie heute. Müde stieg ich aus meinem Bett, streckte mich und gähnte. Danach schleppte ich mich zu Evans Bett und weckte ihn vorsichtig, um anschließend in das Zimmer meiner kleinen Geschwister zu gehen und dasselbe zu tun. Im Gegensatz zu Evan und mir waren die drei total motiviert und munter. Voller Elan sprangen sie aus ihren Betten und rannten in die Küche, wo wir gleich frühstücken würden. Lächelnd schüttelte ich meinen dunklen Haarschopf, bevor ich ihnen folgte.
In der Küche angelangt bereitete ich für jeden ein Brot zu. Als ich mich endlich selber setzten konnte, hatten die Zwillinge schon aufgegessen und hüpften zurück in ihr Zimmer. Amy folgte kurz darauf.
Ich nippte an meinem Tee, als Evan aufstand, um sich fertig zu machen. In Ruhe aß und trank ich weiter, bis ich hörte, wie Evan aus dem Badezimmer trat. Ich packte mir meine Klamotten, die ich heute anziehen wollte und lief ins Badezimmer. Dort schloss ich die Tür ab und begann mich zu versorgen. Als letztes zog ich mir die hellblaue Jeggins und das schwarze enganliegende Langarm-Shirt an. Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel und lächelte mein Spiegelbild an. Der Dutt, der sich auf meinem Kopf befand, war mir erstaunlich gut gelungen und die getuschten Wimpern rahmten meine blauen Augen ein. Ich warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, bevor ich mit meinem Pyjama unterm Arm das Badezimmer verließ.
Im Flur huschten meine Gedanken wieder zu Eric und das Stechen in meiner Brust trat wieder ein. Morgen bei der Suppenküche würde ich mit ihm reden. Ich verstand, wenn er nichts mit mir zu tun mit mir haben wollte, aber den gleichen steinernen Blick von gestern könnte ich nicht ertragen. Trotz allem bereute ich es nicht, ihn nicht geküsst zu haben. Ich mochte ihn, aber ich glaubte nicht, im Gegensatz zu Mum, das er etwas übrig für mich hatte. Wahrscheinlich war er nur sauer auf mich, weil er einen Korb bekommen hatte, was sonst wohl er nicht geschah. Den Schmerz in seinen Augen hatte ich mir vermutlich eingebildet, weil ich es gerne gesehen hätte. Meine Gefühle hatten mir einfach einen Streich gespielt.
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"Hey." Tony umarmte mich zur Begrüßung.
"Und wie war dein Wochenende, Zoey? Ich hab dich am Samstag beim Boxen vermisst", erkundigte sich der dunkelblonde Junge lächelnd.
"Gut, es war sehr interessant", antwortete ich knapp. "Und dein Wochenende?", lenkte ich unauffällig von mir selber ab.
"Nicht spannend. Ich war die meiste Zeit zu Hause und am Samstag mit deinem Bruder beim Boxen", erwiderte er gut gelaunt. "Das einzig spannende war, als gestern plötzlich ein Freund vor meiner Nase stand. Du erinnerst dich an Eric, oder?", fragte er vorsichtig und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.
Mein Herz setzte für einen Moment aus. Hatte Eric etwa mit Tony über mich geredet?
"Ja", meinte ich zögernd. Ich spürte wie Evan neben mir versteifte. Ich wusste, dass er ihn nicht mochte, wegen dem Vorfall an der Bushaltestelle. Eric hatte mich angeschnauzt und uns alle beleidigt, nur weil ich seine blauen Flecken im Gesicht angestarrt hatte.
"Der Freund." Mehr sagte Tony dazu nicht. Einfach nur diese zwei Worte. Eigentlich hätte ich erwartet, dass er weiter erzählen würde.
Ich wollte nicht neugierig sein und in seine Privatsphäre eindringen, indem ich fragte, warum er da gewesen war. Deshalb hielt ich meinen Mund, so schwer es mir auch fiel.
"Da kommt auch schon der Bus", informierte uns Evan und wir stellten uns an den Straßenrand.
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Die erste Schulstunde verlief schnell, genauso wie die zweite. In der Pause saßen dann Evan, Tony, Oliver und ich zusammen an einem Tisch.
"Morgen wird Evan 19", teilte Tony Oliver mit und legte einen Arm und die Schulter meines Bruders.
Ja, mein Bruder hatte morgen Geburtstag. Feiern würde er ihn nicht richtig, keiner von uns tat es. Im kleinen Familienkreis würden wir am Nachmittag einen selbst gemachten Kuchen essen und Evan seine Geschenke überreichen. Natürlich hatten wir kein Geld für etwas Großes, aber meine Mutter und ich hatten dieses Jahr etwas Geld zusammen gelegt, um für Evan eine mittelklassige Uhr zu kaufen. Meine Mutter hatte den größten Teil gezahlt und sich geweigert den Betrag nur zur Hälfte zu bezahlen. Wie bereits erwähnt, würde das ganze erst am Nachmittag stattfinden, weil meine Mutter erst gegen acht Uhr morgens wieder da sein würde und Evan nach der Schule seinem Nebenjob, genau wie ich auch, nach gehen würden. Danach aber würden wir singen, Kuchen essen, Geschenke geben und am Abend traditionell ein paar Gesellschaftsspiele spielen. So verlief in etwa jeder Geburtstag bei uns. Für aus essen, riesige Geschenke und einen Ausflug reichte das Geld nicht, was weder mir und Evan etwas ausmachte.
"Gut zu wissen. Sonst stünde ich morgen ziemlich blöd da", schmunzelte Oliver.
"Und freust du dich schon auf Chemie in der letzten Stunde?", fragte er breit grinsend an mich gerichtet.
"Aber sicher. Immerhin sind wir Mr. Coastals Lieblingsschüler", lachte ich.
Die Jungs begannen loszuprusten, weil sie die Geschichte mit der Explosion auch kannten.
Wir redeten und lachten zusammen, bis die Klingel, das Ende der Pause verkündete.
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Der nächste Gong beendete unseren langweiligen Chemie Unterricht. Die Stunde war voller Theorie, die Oliver und ich nicht verstanden. Zudem bekamen wir unsere Aufgaben vom Nachsitzen zurück und ich hätte glatt ein Freudenstänzchen aufgeführt, als ich sah, dass wir beide ein Plus bekommen haben.
"Danke", flüsterte Oliver und lächelte mich an. "Ohne dich wäre es wohl er ein Minus geworden."
Mittlerweile liefen wir nebeneinander den Flur entlang Richtung Ausgang. Auf dem Flur wimmelte es nur so vor Schüler und wir bahnten uns einen Weg durch die Masse. Oliver stieß die Tür nach draußen auf und wir schlenderten weiter, bis wir den Parkplatz erreichten.
Mein Atem stockte. Das konnte nicht wahr sein. Ich erkannte Tony, aber er war nicht allein. Er und Eric standen an der Mauer gelehnt, auf der ich gesessen hatte, als ich Eric zum ersten Mal sah. Mein Herz begann zu rasen und ich öffnete meinen Mund, um mich bei Oliver zu verabschieden und noch hause zu rennen, als mich Tony sah.
"Ich muss jetzt gehen", nuschelte ich schnell und umarmte Oliver.
Er legte seine Arme auf meinen Rücken und fragte: "Alles gut?"
"Ja, ich muss nu...", mitten im Satz wurde ich von Tony unterbrochen.
"Hey, Zoey und Oliver kommt mal!", rief der Idiot so laut, dass ich nicht so tun konnte, als hätte ich ihn nicht gehört.
Ich trat einen Schritt zurück und wollte einfach nur Weg, doch da machte mir Oliver einen Strich durch die Rechnung. Ohne mich zu fragen, ob ich überhaupt wollte, packte er meinen Unterarm und zog mich mit sich direkt zu Tony und Eric.
Ich blickte auf und sah in die stechenden Augen von Eric. Er guckte zwischen Oliver und mir hin und her, während er alles andere als glücklich aussah. Doch als sein Blick auf Olivers Hand, die meinen Unterarm hinter sich her zog, fiel, wurden seine Gesichtszüge hart. Seine Augen funkelten gefährlich und als wir bei den zwei Jungs ankamen, schluckte ich schwer.
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Oh, oh. Was passiert wohl als nächstes ?
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- Laura
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All About Him | ✔️
Fiksi RemajaEine Geschichte zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Doch er trägt ein Geheimnis mit sich, das er um jeden Preis schützen will. Reicht ihre Liebe aus, wenn der Weg schwer wird? 🔹 ...