P R O L O G I

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Es war einer der Abenden, an denen Alexander unruhig durch seine Gemächer lief und keinen Schlaf finden konnte. Stattdessen stand er nun unruhig am Fenster und starrte in die Abenddämmerung hinaus.

,,Mein Herr." Einer der Bediensteten trat ein. Ärgerlich wandte Alexander den Kopf ab. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand ungefragt seine Privatsphäre störte. ,,Was gibt es?", müde erhob er sich von seinem Fensterplatz und starrte dem Diener unverwandt ins Gesicht. Das Wappen von Amantia, ein goldener mächtiger Adler, der seine Flügel breitete, bereit zum Angriff, auf blauem Hintergrund, zierte die karge Arbeitskleidung. Alexander schätzte ihn auf Anfang zwanzig, vielleicht gerade einmal achtzehn oder neunzehn, aber auf keinen Fall älter.

,,Die Königin wünscht euch zu sprechen, Sir." Der Diener verbeugte sich vor ihm und starrte auf seine Stiefelspitzen. Alexander griff sich an die Schnalle, die seinen Umhang zusammenhielt, um das Zittern seiner Hände zu verbergen. ,,Ich mache mich noch schnell fertig, dann-" Der Diener hob den Kopf. ,,Sie sagte, Ihr sollt sofort kommen.", er deutete auffordernd zur Tür.

,,Nun, dann sollten wir sie nicht warten lassen." Er durchquerte den Raum und trat hinaus auf den Gang, der Diener folgte ihm um sich zu vergewissern, dass er nicht davonlief – Etwas, was er liebend gern getan hätte.

Schluss damit, Alexander. Immerhin bist du nun schon seit fast vierzig Jahren an diesem Hof und einer der einflussreichsten Männer des Landes. Benimm dich endlich, scholt er sich selbst. Er atmete tief ein. Nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen. Nichts außer der Königin. Er schluckte. Und zu der war er gerade unterwegs.

Wortlos öffneten die Wachen ihm die Türen, als er an ihnen vorbeiging. Er betrat den Thronsaal und ging den langen Gang an den riesigen Statuen und den prunkvollen Verzierungen vorbei, ohne ihnen einen Blick zu schenken.

,,Lord Dumont!", begrüßte die Königin ihn am Ende des Saals. Sie war in ein strahlend grünes Kleid, das mit aufwendigen Stickereien aus Gold und Silber verziert war, gekleidet.

Ihre blonden Haare waren kunstvoll hochgesteckt worden, sodass ihr herzförmiges Gesicht betont wurde. Sie war Mitte zwanzig und sie wäre eine schöne Frau gewesen, wenn dort nicht der kalte, harte Ausdruck in ihren grünen Augen gewesen wäre. Mit ihren schlanken Fingern deutete sie ihm, näher zu kommen.

,,Ich bin so froh, dass Ihr gekommen seid.", fuhr sie fort und blickte ihn so eindringlich an, dass es ihm kalt den Rücken herunterlief. Er antwortete ihr nicht, sondern lächelte nur freudlos. Auf keinen Fall wollte er ihr zeigen, dass er Angst vor ihr hatte.

,,Königin Siobhan." Er verbeugte sich vor ihr.

,,Ihr fragt euch sicher, warum ich Euch habe rufen lassen.", Siobhan erhob sich und schritt elegant die Treppenstufen hinunter, bis sie kurz vor ihm stand. ,,Ich weiß es nicht, meine Königin." Alexander spürte, wie ein Schweißtropfen seinen Nacken herunterlief.

,,Nun, Ihr seid der Vorsitzende des Militärrates und außerdem ein alter Freund meiner Eltern – Gott hab' sie selig.", die Königin verschränkte ihre Arme hinter dem Rücken und schritt die restlichen Stufen herunter. ,,Ihr wart ihnen immer treu. Ich erwarte von Euch, dass Ihr mir ebenso ergeben seid." Ihre Stimme war kalt und ihre Augen funkelten, als sie sich zu ihm umdrehte. ,,Verräter haben in meinem Reich nichts zu suchen."

Alexander war nie ein Mann gewesen, der unüberlegt und impulsiv handelte. Schließlich hatte er es nicht ohne Grund so weit geschafft. Nein, er war lieber jemand, der im Hintergrund blieb, sich nur ungern die Hände schmutzig machte.

,,Natürlich, meine Königin." Alexander wagte nicht, ihr zu widersprechen. Dafür hatte er viel zu viel Angst vor ihr und was sie tun würde, falls er sich weigerte.

Bei seiner Antwort huschte ein selbstzufriedenes Lächeln über Siobhans Gesicht. ,,Sehr gut.", sie schritt an ihm vorbei und blieb an einem der großen Rundfenster, die eine wundervolle Aussicht auf die Hügel Castras boten, stehen.

Mit einem Wink ihres Armes bedeutete sie ihm, näher zu kommen. Der Mond, der inzwischen aufgegangen war, tauchte alles in ein silbriges Licht, sodass das saftige grüne Gras seltsam glitzerte.

,,Meine Vorfahren haben dieses Land aufgebaut." Andächtig fuhr sie mit ihren beringten Fingern über die Wand des alten Gemäuers. ,,Seit jeher sind wir ein mächtiges Land. Kein Königreich konnte unser Territorium betreten, kein Gegner unsere Mauern durchbrechen. Und jetzt lebt der Feind direkt unter uns!" Siobhan ballte wütend die Hände zu Fäusten.

,,Wen meint ihr?" Alexander sah sie vorsichtig von der Seite an, wobei ihn ein ungutes Gefühl beschlich.

Aufgebracht fuhr sie zu ihm herum und funkelte ihn aus kalten, grünen Augen an. ,,Ich rede von den Hexen." Sie spuckte das Wort fast aus. ,,Diese Wesen sind keine Menschen. Sie sind Monster, die sich mit dem Teufel verbündet haben, um so ihre Kräfte zu erlangen!", kreischte sie.

Alexander zuckte unter ihrer lauten Stimme zusammen und trat einen Schritt zurück. Er hatte die Königin noch nie so aufgebracht gesehen.

,,Bis jetzt haben sie sich ruhig verhalten, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihr wahres Wesen zeigen und die Macht ergreifen wollen." Ein irres Glitzern trat in ihre Augen.

,,Deshalb müssen wir ihnen zuvorkommen." Siobhans Stimme war nur noch ein flüstern, als sie die Worte aussprach. Langsam, fast andächtig, hob sie den Kopf und sah Alexander an.

,,Wir müssen sie vernichten.", sie blickte ihm eindringlich in die Augen und in diesem Moment setzte Alexanders Herz für eine Millisekunde aus.

Er wusste nicht, warum, aber sie wollte, dass er den Tod der Hexen, dieser Menschen, befahl. Er schluckte.

Einige Sekunden, die ihm wie Stunden vorkamen, hörte man nur seinen aufgeregten Atem, der laut und klar durch den Thronsaal schallte. Schließlich nickte er ergeben, wissend, dass nun das Schicksal hunderter, ja sogar tausender, besiegelt war.

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