Was Liebe einträgt

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Kapitel 25:

„So lieb ich dich, und darf mich nicht beklagen: Was Liebe einträgt, hat sie zu ertragen."- William Shakespeare

„Oh, sie nur lehrt den Kerzen, hell zu glühn!

Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,

So hängt der holden Schönheit an den Wangen

Der Nacht, zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen.

Sie stellt sich unter den Gespielen dar

Als weiße Taub in einer Krähenschar.

Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: Ein Drücken

Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.

Liebt' ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht!

Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht."

( Romeo als er zum ersten Mal Julia sieht aus William Shakespeares Romeo und Julia)

Romeo sieht Julia nur einen kurzen Augenblick und weiß, dass er sie liebt, dass sein Herz für immer ihr gehören wird. Ich hatte Romeo und Julia mit dreizehn gelesen und geliebt wie fast kein anders Werk Shakespeares und doch hatte ich nie an die berühmte Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Ich war eines besseren belehrt worden, ich hatte ihn gesehen und etwas gespürt, das ich nicht einordnen konnte, mich dagegen gesträubt, einzusehen, dass man sich in jemanden verlieben konnte, den man gar nicht richtig kannte. Die Einsicht, dass ich mich in Florian verliebt hatte, war schleichend gekommen, die Erkenntnis, dass ich ihn liebte, vielleicht sogar so sehr wie Romeo seine Julia liebte und umgekehrt, hatte mich aus heiterem Himmel überrollt, in einem Moment, der nicht hätte schrecklicher sein können.

Nun lag ich hier auf dem Bett meiner besten Freundin, umringt von ihr, Nikkie und Zack, mit der Erkenntnis, mein Herz verschenkt zu haben und wollte um jeden Preis die Zeit zurückdrehen, kein Teil einer verfluchten Liebestragödie werden. Ich musste aussehen wie ein Mädchen, das gerade aus einem expressionistischen Gemälde gefallen war, mit den krebsroten, geschwollenen Augen, den blauen Strähnen und den dicken, klebrig, trockenen Maskarastreifen, die von meinen Augen bis zum Kinn verliefen, und ich fühlte mich, als wäre ich von einen Vierzigtonner überrollt worden, obwohl ich mich nach diesem Ereignis sicher besser gefühlt hätte. Wahrscheinlich machte ich gerade jeder dramatisch aufgebahrten Tatortsleiche ernstzunehmende Konkurrenz und die Filmcrew von „Dawn of the Death" hätte mich sofort mit Kusshand als Untote verpflichtet. Zombies...würde ich mich nicht so fühlen, als stünde mein Ableben kurz bevor, hätte ich jetzt bitter aufgelacht, Florian liebte Zombies. Das war dann wohl ein einwandfreies Beispiel für die Bezeichnung Ironie des Schicksals.

In Em's Zimmer herrschte Totenstille...bis auf mein trockenes Schluchzen, das wie ein Leichentuch zu wirken schien. Alle Versuche mich auch nur ansatzweise aufzubauen, hatte ich reaktionslos über mich ergehen lassen. Ich wollte Totenstille, Dunkelheit und wieder ein kleines Mädchen sein, das sich im Schrank versteckt, bis ihr Vater kommt und ihr beweist, dass alles nur halb so schlimm ist und es kein Problem gibt, was man nicht lösen konnte. Florian hatte die gleiche beruhigende Aura wie mein Vater, ein Grund, weshalb ich ihn so gern um mich hatte, er konnte sogar denselben unergründlichen Blick aufsetzen. Anstatt die Person festzuhalten, die es schaffte, an mir so viele verschiedene Seiten hervorzubringen und mir Sicherheit spendete, hatte ich ihn von mir gestoßen, ob nun unbeabsichtigt oder nicht. Früher oder später hätte ich ihn sowieso angelogen, lügen war alltäglich für mich geworden, zumindest das Verbreiten von Halbwahrheiten. Lügen hatten mir noch nie wehgetan oder mir auch nur Ansatzweise ein schlechtes Gewissen beschert, manchmal war es eben besser, sein näheres Umfeld nicht an allem teilhaben zu lassen.

Ausgerechnet diese kleine Notlüge hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen, aber vielleicht war das ja auch der Preis für die ganzen Anderen, die ich im Laufe der Zeit in die Welt gesetzt hatte. Lügnerin!

Der Sturm aus Gefühlen in meinem Inneren war längst abgeebbt, nur eine erdrückende, alles verschlingende Leere war zurückgeblieben, ich schauderte und verkroch mich noch mehr in die Decke, in die ich mich eingewickelt hatte. Mir war eiskalt, obwohl es draußen sicher noch über dreißig Grad warm war. Sterben wäre schöner, alles wäre schöner als das hier.

Ich wollte dieses brennende Feuer, das in meiner Brut getobt hatte, als wir uns auf den Weg zu Emilie gemacht hatten, wieder fühlen, ich wollte diesen zerreißenden Schmerz spüren, der mein Herz erdolcht hatte, als ich in Florians wütende und traurige Augen gesehen hatte, ich wollte qualvoll vor mich hinsiechen und danach verrecken, alles war besser als diese dumpfe, endlose Leere, die sich in meinem Brustkorb eingenistet hatte und mir schier die Luft zum Atmen raubte.

Die Leute, die Stück für Stück an ihrem Liebeskummer zugrunde gingen, hatte ich ehrlich gesagt nie richtig verstanden, das Aus meiner beiden Beziehungen hatte mich nicht einmal wirklich tangiert, Menschen kamen und gingen, ich hatte es einfach so hingenommen.

Wen selbst noch nie 'ne Wunde quälte, der macht sich über Narben lustig.

Obwohl ich mit einem heißen Tee nach dem anderen versorgt wurde und meine Freunde Wake me up when september ends stumm in Endlosschleife ertrugen, fühlte ich mich nicht besser, die zahlreichen tröstenden Worte konnte ich nicht hören.

Nicht Florian war es, den ich hasste, nein, ich konnte ihn gar nicht hassen, warum auch?

Weil er mir ins Gesicht gesagt hatte, dass er mich für meine Lügen verachtete oder für die Unterstellung, ihn die ganze Zeit über angelogen zu haben? Wenn man einmal in Rage geriet, sagte man oft Sachen, die man nicht so meinte, meine Wenigkeit gehörte ebenfalls zu den Menschen, die auf emotionaler Ebene im Streit ziemlich unfair werden konnten. Ich hasste mich, denn ich war schuld, dass er mich jetzt hasste. Man konnte fast behaupten, ich säte Misstrauen, Hass und Unglück, Schlechtigkeiten schienen an mir zu haften, wie das verfluchte Pech an der Pechmarie.

Ich nahm nur noch das Rauschen meines Blutes wahr und wünschte mir, dass alles anders gekommen wäre. Aber wahrscheinlich hatte ich es genauso verdient, weil ich meine Mutter dafür verachtet hatte, dass sie jemandem erlaubt hatte, ihr Herz zu flicken. In einer der schwersten Zeiten ihres Lebens hatte ich sie von mir gestoßen, sie kurzerhand ausradiert.

So sehr ich es auch wollte, ich konnte mich nicht dazu überwinden den ersten Schritt auf sie zuzugehen, obwohl ich mir am Dienstag fest vorgenommen hatte, alles zu ändern. Ich verdiente es nicht, geliebt zu werden. Ich hatte es verdient, einsam und allein zu bleiben und stumm über eine verlorene Liebe vor mich hin zu philosophieren, als wäre ich gefangen, in einem Shakespeare Drama, das nie ein Ende nimmt.

Erneut sammelten sich Tränen in meinen Augen, der Schmerz, den ich mir vorhin noch so sehnlichst zurück gewünscht hatte, explodierte förmlich in meiner Brust, er liebte mich nicht, aber ich liebte ihn.



*****


So ihr Lieben, da ich anscheinend das einzige Opfer der Nation in unserer kleinen Runde bin, das schon zur Schulde muss, hoffe ich, ich habe euch die Ferien mit diesem Kapitel etwas versüßt :) Wir lesen uns morgen wieder!


If you're going through hell, keep going (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt