Kapitel 4

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„Ich werde dich so vermissen, Leo!“ Schluchzend umarmte ich meine beste Freundin. Ich konnte nicht glauben, dass ich nicht wusste wann ich sie zum nächsten Mal sehen würde. Was sollte ich nur ohne sie machen? Ich heulte, wie ein kleines Baby. Einerseits konnte ich es natürlich kaum erwarten nach Irland zu fliegen und Rickie wiederzusehen. Aber andererseits wollte ich Leo nicht einfach so hinter mir lassen. Aber ich hatte diese Entscheidung getroffen, also musste ich hier durch. „Jetzt hör auf zu weinen, Fizzy. Ich werde dich auch vermissen, aber es gibt ja auch sowas wie Skype und Facebook. Du musst mir alles erzählen! Ich will schließlich alles von Nialls Mutterland wissen, und solltest du ihm begegnen, will ich die erste sein, die es erfährt!“ Sie wischte mir meine Tränen weg und drückte mir noch einen letzten Kuss auf die Wange. „Stell nicht allzu viel an, jetzt wo ich nicht mehr auf meinen Tollpatsch aufpassen kann.“ „Ja ja, Mummy. Ich kann schon selbst auf mich aufpassen!“ Tadelnd sah sie mich an. „Ich trau dir wirklich alles zu und dass du auf dich selbst aufpassen kannst, hab ich in den letzten drei Jahren ja gesehen.“ Sie zog ihre Augenbrauen nach oben und sah mich mit ihrem typischen wers-glaubt-Blick an. Vielleicht hatte sie ja recht aber ich hatte jetzt keine Zeit mehr mit ihr eine Diskussion anzufangen. Also drückte ich sie ein letztes Mal, schnappte mir meine zwei Koffer und ging zum Check-In. Von meinen Eltern hatte ich mich bereits verabschiedet. Nachdem die freundliche Dame meine Bordkarte kontrolliert, meinen Koffer auf das Band gelegt hatte und ich durch die Sicherheitsschleuse gegangen war, ging ich in die Wartehalle und suchte mir einen Platz. Da ich noch eine Stunde Zeit hatte bis ich mein Gate aufsuchen musste, stöpselte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und drehte meine Musik auf. Die Stimme von John Mayer beruhigte mich auf der Stelle. Ich schloss meine Augen und entspannte mich. Mich beeindruckte es jedes Mal aufs neue, welche Wirkung die Musik auf mich hatte. Ich konnte alles um mich herum vergessen. Meine Sorgen waren wie weggeblasen. Hörte ich Musik, war ich glücklich. Alles war perfekt. Ruhig zu bleiben war für mich dabei fast unmöglich. War ich alleine hüpfte ich durch mein Zimmer und sang lauthals mit. War ich unter Leuten wippte ich zumindest mit dem Fuß oder trommelte mit meinen Fingern im Takt zur Musik mit. Ein Leben ohne die Musik könnte ich mir nicht vorstellen.

Gedankenverloren betrachtete ich mein linkes Handgelenk an dem ein kleiner Notenschlüssel zu sehen war. Jeder soll einfach wissen, wie wichtig mir die Musik war. Deswegen hatte ich mir zum 17. Geburtstag ein Tattoo gewünscht und es auch bekommen. Zwar nicht zur Freude meiner Eltern aber da sie wussten, dass ich schon immer davon träumte, hatten sie es mir widerwillig erlaubt.

Letzter Aufruf für den Flug Nummer 237 nach Dublin. Schnell sprang ich auf und rannte zu meinem Gate. Da war ich doch tatsächlich eingeschlafen. Peinlich. Endlich war ich am Gate 5 angekommen und zeigte meine Bordkarte dem jungen Mann vor. Er zwinkerte mir zu und wünschte mir einen schönen Flug. Da ich sehr gut drauf war, winkte ich ihm noch kurz zu bevor ich über den Gangway im Flugzeug verschwand.

Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe verlassen und beginnen mit dem Anflug auf unseren Zielflughafen. Bitte vergewissern Sie sich, dass Ihr Handgepäck wieder sicher verstaut ist. Schnallen Sie sich wieder an und bringen in Vorbereitung zur Landung Ihre Rückenlehne wieder in die Senkrechte und klappen Ihren Tisch hoch. Vielen Dank. Müde rieb ich mir über die Augen und befolgte die Anweisungen des Flugpersonals. Wir waren gerade mal eine gute Stunde geflogen und trotzdem war ich eingeschlafen. Noch so eine Eigenschaft von mir. Ich konnte immer und überall einschlafen. Manchmal wachte ich zwar mit Rückenschmerzen auf, aber dass ich nicht gut geschlafen hätte, könnte man nie sagen.

Ich schlenderte meine zwei Koffer hinter mir herziehend über den Flughafen in Richtung Ausgang. Ich summte leise vor mich hin. Ich würde meinen Bruder nach zwei Jahren endlich wieder sehen. Und da sah ich ihn. Er stand lässig an eine Säule gelehnt circa 20 Meter entfernt von mir und grinste mich an. Ich rannte auf ihn zu und lies auf halbem Wege meine Koffer fallen. Ich sprang ihm in die Arme und drückte ihn so fest an mich wie ich konnte. Er hatte anscheinend das gleiche im Sinn. Jedoch hatte er ein paar mehr Muskeln als ich und so kam es, dass ich kaum noch Luft bekam. Stöhnend versuchte ich mich von seiner Umarmung zu befreien. „Rickie, ich hab dich ja auch vermisst, aber ich kriege keine Luft!“ Lachend gab er mich frei. Wie mir dieses Lachen doch gefehlt hatte. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und blickte zu ihm nach oben, denn er war eineinhalb Köpfe größer für mich. „Du hast mir auch gefehlt meine kleine!“ Er wuschelte mir einmal kräftig durch meine Haare. „Also gewachsen bist du ja nicht gerade!“ Normalerweise würde ich ihm jetzt 'beleidigt' sein, aber dafür war ich viel zu glücklich. Ich schlang meine Arme um seine Mitte und würde ihn am liebsten nicht mehr loslassen. Ich spürte eine Träne meine Wange hinunter laufen. „Hey. Fizzie? Weinst du?“ „Ich freu mich einfach so meinen großen Bruder wieder zu haben!“ Beruhigend strich er mir über meine Haare, so wie er es immer tat.

Er nahm mir meine Koffer ab und führte mich zu seinem Auto. Ich stieg in den dunkelblauen Mini ein und während Rickie das Auto zu seiner Wohnung lenkte, betrachtete ich ihn von der Seite. Mit seinen dunklen Haaren, seinen wunderschönen, grünen Augen und seinen perfekten Gesichtszügen war er schon immer ein Mädchenschwarm gewesen. Seitdem ich ihn nicht mehr gesehen hatte, sind seine kindlichen Züge verschwunden und er ist zu einem Mann geworden. Wenn ich das als seine Schwester so sagen darf: Er war echt richtig heiß geworden. „Schwesterchen, was starrst du denn so?“ Schmunzelnd blickte er zu mir herüber bevor er seinen Blick wieder auf die Straße heftete. „Ich..du..du bist so erwachsen geworden.“ „Du meinst wohl ich bin heiß geworden, oder?“ Fassungslos sah ich zu ihm herüber bevor er in schallendes Lachen ausbrach. Entschuldigend hob er ein Hand vom Lenkrad und strich mir über die Wange. „Keine Sorge, kleine. Ich bin nicht abgehoben, oder sowas! Ich bin immer noch der alte Rickie, den du so sehr liebst!“ Lachend schlug ich seine Hand weg. Mal wieder typisch. Mich zu necken war eine Sache, die er wohl nie lassen würde. Nach wenigen Minuten hielt das Auto an und wir stiegen aus. Wir standen vor einem hübschen Häuschen mit einem kleinen Garten. Wow. Es war wundervoll. „Mund zu!“ Peinlich berührt machte ich den Mund zu und lief Rickie nach, der meine Koffer ins Haus schleppte. Er führte mich die Treppe nach oben in den Raum, der mein Zimmer werden würde. Im Türrahmen blieb ich jedoch stehen. Ich war überwältigt. Ich wusste ja, dass er einen guten Geschmack hatte. Aber dieses Zimmer hätte ich ihm nicht zugetraut. Es war ein Traum von Zimmer. Es war sehr hell mit zwei großen, hohen Fenstern. Die Wände waren hellblau gestrichen, nur die Wand gegenüber der Tür, war in dunklerem Blau gehalten. In der Mitte des Raumes stand ein schneeweißes King-Size Bett. An der rechten Wand stand ein riesengroßer Kleiderschrank und links erblickte ich ein schönes, großes Regal. Ich stürmte in den Raum hinein und schmiss mich mit voller Wucht auf mein neues Lieblingsbett. Ich gluckste nur so vor mich hin. „Ich lass dich dann mal allein, Schwesterherz!“ Dann drehte sich mein Bruder um und verschwand zur Tür hinaus. „Rickie!!“ Sein Kopf erschien nochmal im Türrahmen. „Danke. Danke für alles!“ „Für dich doch alles.“ Er lächelte mich noch ein letztes mal an als ich ihn auch schon die Treppe hinunter springen hörte. Ich kroch unter meine Decke und kurz darauf fielen mir auch schon meine Augen zu.

The little Hole in my HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt