Kapitel 32

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Wir waren nun auf der Autobahn und langsam wurde es echt anstrengend. Die Katze hatten wir in einem Transportkorb, hinten auf die Rückbank gestellt und man merkte, dass Autofahren nicht unbedingt zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehörte. Sie miaute kläglich von Zeit zu Zeit. Auch zutrauliches Zureden half wenig.

Außerdem fuhren wir von einem Stau zum nächsten. Ich merkte wie Connor immer nervöser wurde, er hasste es im Stau zu stehen. Er schlug plötzlich mit der Faust aufs Lenkrad sodass ich erschrocken zusammen zuckte.

„Beruhig dich, wir haben doch Zeit.“ Versuchte ich ihn zu beruhigen. Normalerweise konnte ich das ganz gut, doch heute schien es anders zu sein.

„Nein kann ich nicht!“ Wütend starrte er auf die lange Autoschlange vor uns.

„Was ist los? Ich hab das Gefühl, je länger wir hier sitzen, desto gereizter bist du?“ fragte ich vorsichtig nach.

„Ja!“ erwiderte er leicht genervt. Ich wartete darauf, dass er weiter redete. Wenn er etwas loswerden wollte, dann fing er alleine an zu reden. „Ich will nicht nach Hause. Zurück zu den Problemen. Die letzten zwei Tage mit dir waren einfach nur…“ Er sprach nicht weiter, aber ich verstand. Zu Hause wo ihn alles an seinen Vater erinnerte. Nun sah er mir endlich in die Augen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, also lehnte ich mich einfach zu ihm rüber und küsste ihn. Er erwiderte ihn nicht, was mich leicht verunsicherte, doch dann strich er mir durchs Haar und spielte wie so oft mit einer Strähne. Dann bewegte sich das Auto vor uns und der Moment war vorüber.

Schweigend fuhren wir weiter, nur die Musik spielte leise und die Landschaft draußen bewegte sich nur schleichend vorwärts. An der nächsten Ausfahrt fuhr Connor plötzlich ab mit den Worten: „Zeit zu Reden.“ Er wollte mir jetzt wahrscheinlich die Sache mit Mike erklären. Hoffte ich zumindest. Wir fuhren zu einem McDonalds und Connor holte uns was zu Essen und Trinken. Als er wieder kam, beschwerte er sich über die langsame und unfreundliche Kassiererin und ich musste laut lachen als er versuchte ihre hohe Stimme nachzuahmen.

„Hör auf!“ lachte ich und verschluckte mich auch nach an meiner Cola. Hustend lachte ich immer noch und Connor sah mir dabei grinsend zu.

„Ok jetzt fang an zu erzählen. Von vorne bitte!“ sagte ich energisch und wischte mir dabei eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Sofort wurde Connor ernst.

„Ok, ich habe noch nie jemand von dieser Zeit erzählt. Und ich will, dass du auch niemand davon erzählst.“ Ich nickte. „Natürlich, versprochen!“ Unsere Hände trafen sich wie zufällig auf dem Tisch und Connor griff nach meiner Hand und ließ sie die nächsten zwanzig Minuten auch nicht mehr los. Eine wohlige Wärme breitete sich in meinem Bauch aus.

„Also, wie du weißt war ich früher oft in dem Haus mit meinen Großeltern. Und irgendwann haben Mike und ich uns angefreundet. Wir waren ja sozusagen Nachbarn.“ Fing er an zu erzählen.

„Lass mich raten, ihr seid beste Freunde geworden?“ unterbrach ich ihn.

„Ja kann man so sagen. Wir haben alles zusammen gemacht. Damals waren wir vielleicht zehn Jahre alt. Er war mein einziger Freund damals.“

„Was war mit deinen Freunden zu Hause? Also in der Schule?“ fragte ich.

„Da hatte ich keine, nicht wirklich. Ich wurde von ihnen geärgert, weil ich damals kleiner war als sie.“ Seufzte Connor.

„Naja das hat sich ja jetzt geändert!“ grinste ich.

„Ja, aber zurück zum Thema. Mike und ich waren auch zusammen im Schwimmverein. Es war unser Hobby, das wir niemals aufgeben wollten.“ An dieser Stelle stoppte er und blickte gedankenverloren auf einen Punkt hinter mir. Ein Lächeln umspielte dabei seine Lippen. Ich drückte kurz seine Hand, woraufhin er sich aus seiner Starre löste und weitererzählte.

„Als wir älter geworden sind, ist er auf die falsche Schiene gerutscht. Also Drogen, Alkohol und das ganze Programm. Auch Gewalt war im Spiel. Und weil er mein bester Freund war, habe ich das unterstützt.“ Er sah mir verlegen in die Augen und wartete auf meine Reaktion.

„Weiter!“ sagte ich nur ruhig.

„Ich wusste natürlich, dass das was er so getrieben hat nicht toll war. Ich hab mich auch geschämt. Aber damals wollte ich nicht unsere Freundschaft aufs Spiel setzen; also hab ich mitgemacht. Zusammen waren wir die Anführer unserer Gang.“

„Was habt ihr da so gemacht? Kleine Kinder erpresst?“ fragte ich emotionslos.

„Nein.“ Connor schüttelte seinen Kopf. „Schlimmer. Drogenhandel, kleine Überfälle und Schlägereien. Und Mike hatte es besonders mit den Frauen. Jede Nacht ne Andere. Ich hab sogar beobachtet wie er sie geschlagen hat. In dieser Zeit hab ich mich etwas distanziert von ihm, aber das hat er gemerkt. Ihm hat das natürlich überhaupt nicht gefallen und unser Verhältnis wurde immer angespannter.“

„Und wie ist es dann dazu gekommen, dass ihr euch so gestritten habt, dass ihr nicht mehr miteinander geredet habt?“ unterbrach ich ihn erneut.

„Wenn du mich nicht andauernd unterbrechen würdest könnte ich es dir erzählen.“ Genervt aber mit einem belustigten Ausdruck in den Augen betrachtete er mich.

„Tut mir leid, erzähl weiter!“ beschämt blickte ich auf meinen halben Burger.

„Jedenfalls gab es dann dieses Mädchen. Sie war neu in der Stadt und jeder stand auf sie. Wir waren damals so um die sechzehn. Mike und ich wollten beide was von ihr. Und das hat sie gemerkt, wie mir später auffiel, deswegen hat sie mit uns gespielt. Sie hat hinter unseren Rücken mit jeweils anderen etwas angefangen.“ Es versetzte mir einen kleinen Stich ins Herz ihn so über ein Mädchen reden z hören, das er offensichtlich mal geliebt hatte. Seine Miene war zwar ausdruckslos, aber man merkte es an der Weise wie er es erzählte. Trotzdem versuchte ich meine Gefühle zu unterdrücken.

„Die ganze Sache führte darauf hinaus, dass Mike total ausgetickt ist, als er von unserer Affäre gehört hat, und er wollte mir nicht glauben, dass ich selber nichts von den beiden wusste. Er hatte ihr geglaubt und nicht ihr. Es gab noch eine Schlägerei, aber dann fuhr ich nach Hause und kam bis heute nicht wieder. Er hatte mich auch nie wieder angerufen oder sonst was. Das war vor fast zwei Jahren.“ So schloss er seine Erzählung. Ich saß erstmal sprachlos da.

„Und vorgestern habt ihr euch dann erste mal seit langem wieder gesehen.“ Stellte ich fest.

„Ja als du bei Anna warst, hab ich mir erst Sorgen gemacht, dass er auch da ist und noch genauso ist wie früher. Und als du ihn dann auch noch eingeladen hast…“

„Ich wusste ja nicht…!“ sagte ich bestürzt.

„Ich weiß du kannst nichts dafür. Aber im Endeffekt war es ja gut so. Wir haben uns ausgesprochen. Er hat erzählt, dass die Clique von damals nicht mehr existiert. Ohne mich ist sie auseinandergefallen. Ich fürchte du wirst nun öfter mit mir dorthin fahren müssen!“ lächelte er schuldbewusst.

„Kein Problem! Das Haus ist ein Traum!“ Tatsächlich war ich froh nochmal dorthin fahren z dürfen. „Und ihr habt den ganzen Abend und die ganze Nacht lang geredet?“ fragte ich ungläubig.

„Naja nicht ganz. Wir wollten euch beide nicht stören, deswegen haben wir dann gezockt.“ Connor grinste schief. Typisch Jungs! Ich musste Lachen.

„Danke, dass du mir das alles erzählt hast!“ er nickte nur als Antwort.

„Du weist jetzt so viel von mir, jetzt bist du mal dran mit erzählen!“ sagte Connor.

„Wann anders Mal, fahren wir erstmal nach Hause!“ Mit einem Seitenblick auf den Katzenkorb neben mir, stand ich auf und nahm meinen Becher.

„Ich hab keine Ludst auf Stau mehr, lass es uns hinter uns bringen!“

Seufzend folgte Connor mir mit dem Korb. „Wir haben es ja fast geschafft!“ 

-Kein Titel-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt