Stille lag über Loriens Wald. Nur das Zwitschern der Vögel und das Hämmern eines Spechts waren zu hören. Der Fluss sprudelte vor sich hin und erzählte seine Geschichten, die er von nah und fern herantrug.
Auf leisen Sohlen, beinahe schon unhörbar, huschte eine Elbin durch das Gebüsch.
Ein weiterer Elb lief in einigem Abstand vor ihr her, wobei er sich immer wieder suchend umsah.
Er bemerkte die Elbin, die ihn aus dem Schatten eines Baumes heraus beobachtete nicht.
Ohne jegliches Geräusch zu verursachen kam sie immer näher an ihn heran. Ein Zweig knackte, doch es war nur ein Eichhörnchen, dass von Baum zu Baum huschte. Der Elb wandte den Kopf ab und machte einen Schritt nach vorne. Genau diesen Moment wählte die Elbin. Sie stieß einen lauten Kriegsschrei aus und sprang mit einer eleganten Bewegung auf ihren Gegner zu. Der war so überrascht von diesem plötzlichen Angriff, dass er das Gleichgewicht verlor.
Er kippte nach hinten, stolperte über eine Baumwurzel.
Die Beiden rollten einen kleinen Abhang hinunter, ehe sie platschend im Fluss landeten.
Die Elbin hielt sich im Fallen noch an einer Wurzel fest und landete mit einem eleganten Sprung, doch der jüngere Elb platschte wie ein Fisch ins Wasser. Prustend tauchte er auf, ließ seinen Blick hektisch hin und her wandern. Wo war sie? Durch das Rauschen des Flusses war es beinahe unmöglich jegliche andere Geräusche wahrzunehmen.
" Alanel, was machst du im Wasser? Ich sagte wir lernen anschleichen und nicht schwimmen. Baden kannst du später. ", erklang es oberhalb seines Kopfes. Er wandte sich um und sah in ihr spöttisch lächelndes Gesicht. Er verdrehte die Augen und zog sich an einem der Büsche aus dem Wasser.
" Also, was habe ich falsch gemacht? ", fragte er und schüttete dabei das Wasser aus seinen Schuhen. Sie setzte sich mit einer eleganten Bewegung neben ihn und ließ die Beine baumeln.
" Du hast dich zu sehr auf deine Sehkraft verlassen, aber du brauchst für diese Aufgabe dein Gehör. Aber keine Angst, ich weiß schon wie wir das Problem lösen. Dein Gehör ist sehr gut, du musst lediglich lernen dich darauf zu konzentrieren. "
Verwirrt sah er sie an.
Sie lächelte.
" Pass auf, ich zeig's dir: Schließ deine Augen. Konzentriere dich darauf was du hörst. "
Angestrengt lauschte er, doch alles was er hörte, war das Rauschen des Flusses.
" Du strengst dich zu sehr an. Das musst du gar nicht. Entspann dich einfach."
Er tat was sie sagte. Völlig entspannt saß er da, hörte das Rauschen des Wassers, das leise Wispern des Windes, der die Blätter der Bäume bewegte, hörte das Zwitschern der Vögel, das Knacken einer zerbrechenden Nussschale, die ein Eichhörnchen verursachte, das Klappern herannahender Hufe-
" Da kommt jemand. ", sagte er leise, ohne die Augen zu öffnen.
Er hörte das leise Klacken, als sie einen Pfeil in den Bogen legte und hörte wie sie den Bogen spannte.
Das Wiehern eines Pferdes und dann das Zischen des abgeflogenen Pfeils, der zitternd in seinem Ziel stecken blieb: Ein Baum, knapp neben dem Reiter.
"Ein guter Schuss, Mylady. Ich habe eine Nachricht für euch, von der Herrin des Waldes.
Ihr sollt zu ihr kommen, sie sagte es sei dringend. "
Der Hauptmann der Wache verbeugte sich und sie lächelte.
" Agarnath, bitte sage meiner Mutter, ich werde zu ihr kommen, sobald ich meinen Unterricht beendet habe. Alanel und ich haben noch einiges zu tun. "
" Mit Verlaub, Lady Silmariel. Eure Mutter verlangt sofort nach euch. Sie hat angeordnet, dass ich den Unterricht des jungen Elbs fortführe.", widersprach Agarnath. Silmariel hob die Augenbrauen und erhob sich dann seufzend.
" Es tut mir leid ,Alanel. Wir werden morgen fortfahren.
Hauptmann, ich habe noch etwas mit euch zu besprechen, bitte begleitet mich. "
Ohne sich zu versichern, dass er ihr folgte, lief sie los.
Sie lief langsam, sodass er sie nach mehreren hundert Metern bereits eingeholt hatte.
" Was hat Frau Galadriel gesagt? Hat sie irgendetwas erwähnt? "
" Nein, Mylady. Die Herrin sagte mir nur, ich solle euch holen und es sei dringend. Alles was ich ansonsten weiß, ist dass sie einen Brief in Händen hatte. Edles Papier und mit elbischen Buchstaben bezeichnet. Außerdem ein Siegel.
Das Siegel der Waldlandelben. " ,berichtete er.
Silmariel nickte.
" Wie stehen wir zu ihnen? ", verlangte sie zu wissen.
" Momentan nicht sehr gut. "
Silmariel beschleunigte ihre Schritte. Sie waren mittlerweile an der kleinen Brücke angelangt.
Die Elben, denen sie begegneten verbeugten sich ererbietend vor beiden. Silmariel lächelte ihnen allen zu und erwiderte ihren Gruß freundlich. Agarnath lief an den meisten vorbei. Seine Begleiterin warf ihm dafür einen strafenden Blick zu, doch auch den ignorierte er gekonnt, doch eine leichte Röte stieg ihm in die Wangen.
Ein Lachen erklang.
" Es ist wirklich eine Seltenheit euch erröten zu sehen, Hauptmann. "
Das lange, goldene Haar wallte der Herrin des Waldes offen über den Rücken und gab ihr die Erscheinung einer Valar.
Silmariel zollte ihr mit einem Kopfnicken den gebührenden Respekt.
" Herrin. Ihr verlangtet nach mir."
Bei der förmlichen Anrede verzogen sich die Lippen der Herrin des Waldes zu einem schmalen Strich.
" Ich danke euch, für eure Dienste, Hauptmann. Ihr könnt nun gehen, ich möchte alleine mit meiner Tochter sprechen. "
Der Elb nickte knapp und verließ die Lichtung in die Richtung aus der sie gekommen waren.
Gespannt wartete Silmariel darauf, dass ihre Mutter etwas sagen würde, doch sie hielt ihr lediglich den Arm hin.
" Bitte. Lass uns ein Stück weit gehen. "
Verwirrt ließ sich die junge Elbin mitziehen.
"Wie dir Agarnath sicher bereits mitgeteilt hat, haben wir Botschaft aus dem Grünwald erhalten. Eine Einladung zum Sternlichtfest. "
Schweigend lauschte sie den Worten ihrer Mutter.
" Nun, wie du weißt, steht es derzeit nicht gut um die Beziehungen zwischen Lorién und Grünwald, weshalb wir auf den Besuch des Festes nicht verzichten können. "
An einem kleinen Teich blieben sie stehen. Seerosen schwammen auf ihm. Sie waren noch geschlossen und würden sich erst gegen Abend öffnen, doch dann würden sie das funkelnde Licht in ihrem Inneren Preis geben und den kleinen Teich in glitzerndes Licht tauchen.
" Ich verstehe natürlich, weshalb diese Einladung unverzichtbar ist, doch was ich nicht weiß, ist warum ihr mir davon erzählt, Herrin. " ,meinte Silmariel leise.
Sie hatte sich ein wenig entfernt und stand nun auf der anderen Seite des Teiches. Die Herrin des Waldes berührte mit einem Fuß kurz das Wasser und schritt dann über den Teich, als sei es kein Wasser über das sie laufe, sondern harter Boden.
" Dein Vater und ich können Lorién nicht verlassen, zu viele wichtige Dinge passieren im Moment. Als unsere Tochter ist es deine Aufgabe unser Volk an unserer statt bei König Thranduil zu vertreten. "
Silmariel riss die Augen auf.
" Wie bitte? Ich soll was? Aber, aber das geht nicht. Ich habe so viel anderes zu tun. Ich muss mich um die Tiere kümmern. Und ich muss Alanel unterrichten. Und..."
"Um die Tiere werde ich mich kümmern. Und Alanel wird dich begleiten. Er und Fírnen. ", unterbrach ihre Mutter sie.
" Es ist beschlossen, meine Tochter. Morgen brecht ihr nach Grünwald auf. "