Die Gänge waren kaum beleuchtet. Vera hatte Probleme sich zurecht zu finden. Als sie an der schmalen Wendeltreppe ankam, kannte sie sich wieder aus. Luise hatte ihr diesen Gang gezeigt, es war eine Abkürzung, die direkt in die Küche führte. Sie wusste, dass es verboten war, sich selbstständig in der Küche zu bedienen.
Vera stieg die Treppe hinab und erstarrte, als sie Stimmen hörte.
''Du hassst dich an mich gebunden, schhhon vergesssen?'' zischte eine Stimme. Vorsichtig ging Vera eine weitere Stufe hinab und spähte um die Ecke. Sie sah Aaron, Kevin und Nina, die in einem Dreieck standen. ''Das weiß ich'' fauchte Aaron zurück. ''Du brauchssst sie nur einmal zu verletzzzten und du bissst MEIN'' zischte Nina.
Ninas Stimme hatte sich verändert, statt melodisch zu klingen, klang sie gefährlich und ungewöhnlich zischelnd.
Wovon reden die da? Aaron ist an Nina gebunden? Wie soll das denn funktionieren? Und warum ist Kevin dabei?
''Du weißt genauso gut wie ich, dass ich eher sterben würde'' sagte Aaron resigniert. Vera setzte sich lauschend auf die Stufen und verfolgte das Gespräch.
''Das wissen wir'' räumte Kevin ein ''du musst nur noch eine Weile aushalten, dann hebt sich das Versprechen auf.'' Geschockt sah Nina zu Kevin hinauf. ''Wasss hassst du getan?'' zischte Nina gefährlich. ''Pia und ich haben den Bann aufgehoben. Du kannst also nichts mehr machen'' antwortete Kevin und verschränkte die Arme vor der Brust. Er klang ruhig, aber Vera konnte die angespannten Muskeln sehen, die sich unter seinem Shirt verbargen.
''Dasss ist jetzzzt egal. Sssie wird esss bald herausss finden, sssie ist nicht ssso doof, wie sssie ausssieht'' Von wem redeten die denn?? Was hatte das Alles zu bedeuten?
Vera zog sich eine Stufe hinauf und konnte die Drei nicht mehr sehen. Ein gewaltiges Zittern erfasste Veras Körper, das sie nicht verhindern konnte.
Plötzlich ertönten Schritte und Vera erstarrte aus Angst erwischt zu werden. Ihr Herz klopfte wild und sie hielt die Luft an, doch die Schritte entfernten sich und
verhallten. Erleichtert atmete sie aus.
''Kevin, sorg dafür, dass es Vera gut geht, ja?'' bat Aaron. Was zum Teufel läuft hier?!
''Ich muss für ein paar Tage weg und ich weiß nicht genau, ob ich wieder komme'' sagte Aaron bedrückt. ''Das kannst du nicht machen. Aaron, denk doch mal nach'' erwiderte Kevin. Sie standen sich nicht feindselig gegenüber, sondern wirkten wie Freunde.
Erschöpft ließ Aaron sich gegen die Wand fallen. ''Ich habe nachgedacht, es ist wahrscheinlich das Beste, wenn du deinen gewohnten Platz einnimmst und ich verschwinde'' sagte Aaron leise. Wütend packte Kevin ihn an den Schultern und schüttelte ihn.
''Bist du vollkommen durchgeknallt?! Du kommst wieder Aaron! Ich werde dich suchen und finden und dann, mein Freund...'' Kevin unterbrach sich selbst und schüttelte den Kopf. ''Ich überleg es mir'' sagte Aaron.
Vera stand auf und lief ein paar Stufen hinauf.
Wieder waren Schritte zu hören, doch sie entfernten sich nicht, sondern kamen nähern. Fuck!
''Und Aaron,'' setzte Kevin an ''sie liebt dich, und auch ich kann Gefühle nicht ändern.''
Die Schritte verstummten. ''Woher...?'' fragte Aaron mit erstickter Stimme. ''Sie hat vorhin geweint. So weinen Mädchen nur, wenn sie etwas verlieren, dass sie lieben'' antwortete Kevin. Wieder ertönten Schritte, die immer näher kamen.
Veras Herz machte einen Satz und ihre Atmung wurde schneller.
Aaron erschien an der Treppe und sie tat so, als würde sie gerade hinunter kommen. Ihre Nervosität konnte sie allerdings nicht vertuschen.
Bei seinem Anblick stiegen ihr wieder Tränen in die Augen und sie blinzelte heftig, in der Hoffnung, dass er sie nicht sehen würde. Aaron kam ein paar Stufen hinauf und blieb vor ihr stehen.
Sie sah zur Seite und atmete zitternd ein.
Er war noch immer größer als sie, selbst wenn sie eine Stufe über ihm stand. Vera fühlte sich winzig und zerbrechlich.
Er nahm ihre Hand und überrascht sah sie zu ihm auf. ''Alles ok bei dir?'' fragte er so liebevoll, dass ihr wieder Tränen in die Augen schossen. Nein, es ist nicht alles ok, sagte eine Stimme in ihr. Blinzelnd nickte sie, doch sie ertrug es nicht, ihn weiter anzusehen und sah zu Seite. Aaron stieg eine weitere Stufe hinauf und stand neben ihr.
''Was machst du hier?'' fragte er und ließ ihre Hand los. Vera räusperte sich, ''das Selbe könnte ich dich fragen.'' Ein schwaches Lächeln erschien auf seinen Lippen. ''Bin auf dem Weg zu meinem Zimmer'' erklärte er ruhig. ''Ich wollte zur Küche'' murmelte sie.
Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde in tausend Teile zerspringen. Jede Faser ihres Körpers, wollte ihn umarmen, ihn küssen und festhalten. Die Art, wie sie miteinander redeten gefiel ihr nicht - so distanziert und betrübt.
''Sei vorsichtig, die Köchin könnte noch Vorort sein'' sagte er und wollte weiter gehen, doch bevor er an ihr vorbei laufen konnte, stellte sie sich ihm in den Weg. Verwundert sah er zu ihr herab. Vorsichtig stellte sie sich auf Zehenspitzen und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Verwirrt musterte er Vera.
''Komm wieder...'' flüsterte sie und lief die Treppe hinab. Entgeistert sah er ihr nach, bis sie um die Ecke verschwunden war.
Kevin lehnte an der Wand und bemerkte Vera erst, als sie direkt vor ihm stand.
''Wohin willst du denn?'' fragte er irritiert. ''Küche'' murmelte sie und lief an ihm vorbei, drehte sich noch einmal um und fragte: ''Kannst du mitkommen?'' Kevin nickte und folgte ihr.
Schweigend liefen sie neben einander her. Der Weg zur Küche war nicht weit, doch es kam ihr, wie Kilometer vor.
''Vera? Könnte ich kurz mit dir reden?'' fragte Kevin. ''Worüber?'' Vera malte sich sämtliche Gespräche aus, die sie geführt hatten.
Sein Liebesgeständnis und viele andere Situationen.
''Ich weiß, es ist viel schief gelaufen und ich weiß auch, dass ich der Falsche für dich bin. Trotzdem mache ich mir Sorgen um dich und...'' er brach ab. In seinem Blick lag etwas, das Vera nicht deuten konnte. ''Ich wollte dich vor Nina und Mia warnen. Sie sind nicht die, die sie vorgeben zu sein.'' Das hab ich schon bemerkt, trotzdem danke für die späte Warnung, fauchte die innere Stimme. ''Ich weiß'' murmelte Vera. Allerdings, ist hier niemand so wie er vorgibt zu sein.
Aaron und Kevin hassten sich anscheinend nicht, ganz im Gegenteil, sie waren sogar befreundet. Nina war nicht ihre Freundin, sondern eine Art Feindin. Niemand war so, wie Vera gedacht hatte.
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Vom Engel geküsst
ParanormalVera, 18Jahre alt, muss das Shadow and Light Internat besuchen. Verschlossen, wie sie ist, freundet sie sich nur langsam mit anderen an. Als sie dann 6Jugendlichen begegnet ist die Katastrophe schon im vollem Gang. Eigenartige Dinge geschehen. Träu...