Lucie, so heiße ich. Eigentlich heiße ich nicht so, aber ich mag den Namen, also nenne ich mich so. Ich bin 7 Jahre alt und gerade auf einem Kindergeburtstag. Meine Eltern sitzen oben und lachen und reden. Ich bin glücklich, wie ich es sein sollte als 7-jähriges kleines Mädchen. Aber wer würde ahnen, dass mein Leben sich in jungen Jahren schon so ändern wird?
Ich lebe mit meiner Mama Susi, meinem Papa Bruno und meiner kleinen Schwester Lissi in einer kleinen, aber perfekten Wohnung in einer kleinen aber perfekten Stadt. Meine Grundschule ist um die Ecke, Lissis Kindergarten praktisch vor unserer Haustür und meine ganze Familie lebt im selben Dorf. 0-8-15 Familie halt. Bis zu diesem einen Tag.
Meine Mama ist auf einem Mädels-Wochenende, meine Schwester bei meiner Tante und ich mit meinem Papa alleine zu Hause. Papa hat gekocht, es gibt Spagetti Bolognese und ich weiß noch, dass ich mich tierisch unwohl gefühlt habe als er eine Kerze anzündete. Sowas machen doch nur Erwachsene wenn sie ausgehen, dachte ich mir. Die Gedanken beiseite geschoben, aßen wir still bis es auf einmal an der Tür klingelte. Wer war das wohl?
"Ich geh schon", sagte ich zu meinem Vater der nur mit vollem Mund nickte. Als ich auf unserem Treppen Absatz stand um zu schauen wer denn so spät noch klingelte, sah ich einen Mann mit langen grauen Haaren, einem Hut und einem langen schwarzen Ledermantel.
"Hi süße, ich würde gerne einmal kurz mit deinem Vater reden, ist er da?"
Stumm und eingeschüchtert nickte ich und verschwand in die Küche um meinem Vater von dem Mann zu erzählen. Eilig sagte er, dass er schnell "hallo" sagen geht und wieder hoch kommt.Es fühlte sich an wie Stunden. Ungeduldig ging ich auf unseren Balkon um zu schauen, ob ich was erkennen kann. Doch die Nacht war so dunkel, dass ich noch nicht mal das Haus gegenüber erkennen konnte.
Plötzlich hörte ich die Haustür aufgehen und sah meinen Vater. Ich wollte schon anfangen zu meckern, als ich sah, dass irgendwas nicht stimmte. Er war blass und der Gürtel seiner Hose auf. Er konnte nicht laufen, also krabbelte er förmlich die Treppe hoch. Erschrocken stand ich wie angewurzelt in unserem Flur und wusste nicht was ich sagen sollte. Wusste nicht wie ich fühlen sollte. Warum krabbelt mein Vater wie ein Baby die Treppe hoch?
Warum mein Vater? Mein Held, mein Vorbild. Mein bester Freund.
"Mach dir keine Sorgen. Ich bin hingefallen und habe mich am Bein verletzt."
Soll ich das glauben? Natürlich sollte ich das. Wieso auch nicht? Er ist mein Papa.Tage vergingen und ich hatte den Vorfall schon längst vergessen und erst recht keinem erzählt. Ich liege in meinem Bett und kann mal wieder nicht schlafen. Die Dunkelheit macht mir angst und die Träume, die die Dunkelheit mitbringt erst recht. Also blieb ich wach und lauschte der Diskussion meiner Eltern.
"Du dreckiges Arschloch, wie kannst du uns das nur antun?" hörte ich meine Mama unter Tränen sagen. Danach einen Knall der sich eher wie ein Schlag anhörte. Stille. Schreie. Weinen. Schmerzverzehrtes stöhnen. Stille. Ohne groß nachzudenken ging ich aus meinem Zimmer unter dem Vorwand zur Toilette zu müssen, welche direkt neben dem Schlafzimmer meiner Eltern liegt. Die Tür war offen und ich sah meinen Vater im Bett liegen. Schweißgebadet, mit gequälten Blick. Diesen Blick habe ich noch nie gesehen. Nirgendwo. Er machte mir angst.
Meine Mama stand über ihn und ich sah sie auf ihn eingeschlagen.
"Du Arschloch, du nichtsnutziges Arschloch" wieder ein Schlag in seinen Bauch. Wieso schlägt Mama meinen Papa? Ich höre sie oft streiten, aber schlagen?
Scheinbar fing ich im Türrahmen an zu weinen als meine Mama mein Schluchzen und wimmern hört.
"Was machst du denn hier?!" Schrie sie mich an. Noch immer unter Schock konnte kein Wort über meine Lippen bringen. Und schon wurde mir die Tür vor der Nase zugeknallt.
"Siehst du was du angestellt hast? Was du verursachst mit deiner scheiße? Mit deiner Sucht? Du nichtsnutz. Ich hätte auf meine Mutter hören müssen als sie gesagt hat, dass ich dich nicht heiraten soll. Ich hasse dich!!" Das waren die letzten Worte meiner Mutter die ich hörte, als ich benebelt und wie in Trance wieder auf mein Zimmer ging und mich unter meiner Decke versteckte.
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Aber eigentlich, eigentlich geht es uns gut.
Non-FictionDa steh ich nun. Vor meinem Spiegel, in meinem kleinen Zimmer. So wie jeden Tag schaue ich mich an, doch heute mal genauer. Was bin ich eigentlich? Wie bin ich eigentlich? Wer kann mir diese Frage beantworten? Diese eine Frage, die ich jetzt schon s...