Wirklich so klischeehaft?

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Der Zug war vor wenigen Sekunden am Wiener Hauptbahnhof eingetroffen und schon stürmten die ersten Passagiere heraus.
Ich blieb währenddessen noch gemütlich sitzen und beobachtete einige Besucher des Bahnhofes.
Die meisten hatten es eilig, mussten von zu Zug zu Zug oder waren einfach nur auf Trab.
Wiederrum andere standen minutenlang auf einer Stelle, um ihre Liebsten dann endlich in den Arm nehmen zu können.
Als ich bemerkte, dass sich mein Transportmittel langsam leerte, schnappte ich mir ebenfalls meinen Koffer und verließ den Zug.
Draußen angekommen musste ich erstmal tief durchatmen, weil ich realisieren musste, dass ich in Wien angekommen war.
Endlich nach einem Jahr hatte ich es schließlich doch geschafft, hier wieder einmal anzutanzen.
Apropos antanzen, ER war der Grund, weswegen ich hier war.
ER war der Grund, weswegen ich mich in den stickigen Zug gesetzt hatte und zu ihm gefahren war.
ER war der Grund, weswegen ich jetzt alleine an einem mir unbekannten Bahnhof stand', in einer mir unbekannten Stadt.
ABER ich konnte ihn nicht sehen, weder am Bahnhof noch irgendwo in der Ferne.
ER war zu spät zu seinem selbst vereinbarten Treffpunkt.
"Typisch..", flüsterte in mich hinein, sodass ich es nur hören konnte.
Allerdings schlich sich ein Schmunzeln in mein Gesicht.
Ich konnte ihm das nicht verübeln, ich war schließlich auch immer zu spät.
Außerdem konnte ich ihm nicht böse sein. Um Gottes Willen. Nein, dass konnte ich nicht.
Nach weiteren 10 Minuten des Wartens schnappte ich mir mein Handy, entsperrte dieses, öffnete Whatsapp und klickte auf unseren Chat. Zunächst einmal wollte ich schauen, ob er online war, aber wie Gott es wollte, war er es nicht.
Zuletzt online um 15:30 Uhr.
Toll, dass war vor vier Stunden, ihn jetzt noch anzuschreiben wäre vollkommen nutzlos. So ein Spasti.
Entnervt sperrte ich mein Handy wieder und schob es in meine vordere, rechte Hosetasche.
Plötzlich legten sich zwei Arme um meine Hüften und umschlossen diese.
Sein Kopf nahm derweil auf meiner Schulter Platz.
Ein wohlig warmes Gefühl machte sich in meinem Körper breit.
Vorsichtig legte ich meine zitternden Händen auf die, meines mir hinter Stehenden.
Meine Handflächen fingen an zu kribbeln und meine Temperatur stieg mit jedem Gedanken an ihn.
"Na Tobilein.", hauchte er ganz sanft in mein Ohr.
Eine Gänsehaut löste dies bei mir aus und das wusste er auch, denn sein Grinsen konnte ich klar und deutlich spüren.
Langsam drehte ich mich zu ihm um, sodass ich in seine perfekt braun-grün glänzenden Augen blicken konnte.
Ich konnte mich jedesmal auf's Neue in sie verlieren, so sehr faszinierten sie mich.
Behutsam setzte er einen Finger unter mein Kinn, um dieses leicht hoch zu drücken.
Er sah zwischen meinen Augen und Lippen hin und her.
Liebevoll, als wäre es unser erster Kuss, kam er meinem Gesicht schleppend langsam immer näher, bis uns nur noch ein sehr geringer Abstand von einander trennte.
"Nun küss' mich endlich.", kicherte ich, bis er unsere Lippen dann schließlich doch vereinte.
Ein zweiter und dementsprechend auch gefühlvollerer Kuss folgte.
"Ich hab' dich vermisst, Tobi .", nuschelte er gedankenverloren währenddessen. Ich hatte ihn auch vermisst, sehr sogar.
Wir waren immerhin fünf Monate voneinander getrennt.
Das war schon eine sehr lange Zeit, wenn man bedenkt, dass wir beide schon mit der Schule fertig waren und theoretisch alle Zeit der Welt hatten.
Allerdings sah die Realität etwas anders aus.
Wir lösten uns und ich kuschelte mich leicht an seine Brust.
Mir war es im Moment egal, dass sich dunkle Wolken über den blauen Himmel zogen.
Mir war es egal, dass wir uns an einem Bahnhof befanden.
Mir war es auch egal, dass uns die ganzen vorbeigehenden Menschen komisch ansahen.
"Ich hab' dich auch vermisst, Rafi.", murmelte ich in sein Shirt.
Er hauchte mir seinen zarten Kuss auf die Schläfe und verschränkte unsere Finger miteinander.
Als wir das Gebäude verließen, betrachtete ich den Himmel mit skeptischen Blicken.
Tatsächlich sah es so aus, als würde es jeden Moment anfangen zu regen.
Mit einem mulmigem Gefühl in der Magengegend setzten wir unseren Weg zu seiner Wohnung fort.
Die dunkelgrauen, schon fast schwarzen Wolken zogen über das Firmament und schon bald verschleierten sie die vollkommende Himmelsdecke.
Keine Sonne, keine Sonnenstrahlen und auch keine Hoffnung, dass diese riesigen Giganten verschwanden.
Nach einigen Meter begann es auch noch leicht an zuregnen.
Kleine Wassertropfen fielen auf den Boden und bildeten klitzekleine Pfützen.
Die Tropfen landeten ebenfalls auf meinen T-Shirt, welches ich mir mit Wissen angezogen hatte, dass es heute nicht regnen würde.
Falsch gedacht.
Mein hellblaues Oberteil hatte sich inzwischen zu einem etwas dunklerem blau entwickelt.
Auch Veni's Shirt hatte sich mittlerweile in ein nasses Etwas verwandelt.
Immer noch im Regen laufend blieb der Jüngere abrupt stehen sah nach oben in den Himmel.
Dann sah er mich mit einem undefinierbarem Gesichtsausdruck an, währenddessen ich ihm nur einen fragwürdigen Blick zu warf.
"Wäre es jetzt sehr kitschig, wenn ich dich im Regen küssen würde?", fragte er mich mit einem unverschämt schönem Lächeln auf den Lippen.
Ich boxte ihm leicht mit meiner rechten Hand, die ich zuvor von meinem Koffer gelöst hatte, in die Seite und nickte zustimmend.
Ehe ich mich versah lagen seine Lippen auch schon auf meinen, und ich spürte wie mein Herz leicht anfing schneller zu schlagen.
Mit einem wohligem Gefühl seufzte ich in den jetzt schon leidenschaftlichen Kuss.
Es war schon mehr als klischeehaft, aber auch unglaublich süß, wie er mich gefragt hatte.
Als wir uns, wieder einmal voneinander gelöst hatten, raunte er:"Ich liebe dich." in mein Ohr.
"Ich dich auch.", entgegnete ich ihm.
Glücklich und mit einem Grinsen im Gesicht fuhren wir unseren Weg weiter fort.

Venation OneShotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt