chapter eight » news

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DAS LAUTE KLINGELN der Schulglocke wirft mich wieder in die Realität. Ich schrecke kurz zusammen, bevor ich damit anfange meine Stifte in mein Federmäppchen zu legen.

In der letzten Stunde hatten wir Physik, ich hab die meiste Zeit kleine Zeichnungen auf das Arbeitsblatt gekritzelt und nicht wirklich aufgepasst.

Als ich bemerke, dass ich einer der letzten im Klassenraum bin, beeile ich mich etwas mehr und schmeiße die restlichen Sachen, die noch auf dem Tisch liegen einfach in meine Tasche rein.

Hastig mache ich sie zu, hänge sie über meine Schulter und gehe mit schnellen Schritten aus dem Raum raus.

Meine Augen weiten sich, als ich Tate vor der Tür warten stehen sehe. Ohne etwas zu sagen, kommt er zu mir.

Schweigend laufen wir nebeneinander her, wobei unsere Füße hallende Geräusche auf dem polierten Boden erzeugen.

~

Erst vor dem Schulgebäude angekommen, fällt mir auf wie sonnig es heute ist.

Es kommt mir so vor als wäre es jetzt das erste Mal seit einer Ewigkeit, dass ich wieder draußen bin und die Sonne auf meine Haut strahlt.

Was es in gewisser Weise ja auch war.

Mehrere Wochen lang war ich nur in meinem Zimmer, die Vorhänge die meiste Zeit zugezogen.
Ich bin froh darüber über meinen Schatten gesprungen zu sein und dass ich am Ende doch wieder in die Schule gegangen bin.

Ich musste irgendwann wieder in die Schule gehen und lieber war das früher, als wenn ich noch mehr von dem Unterricht verpasse, ich verstehe die meisten Sachen sowieso schon nicht mehr.

~

In meinen Gedanken vertieft bemerke ich erst dass wir schon vor der Haustür angekommen sind, als ich fast in eine Pflanze laufe.

Tate möchte gerade gehen, als ich ihn in eine Umarmung ziehe.

Wir haben uns gestern nicht umarmt und schon nach diesem einen Tag sehnte ich mich danach, in seine Arme geschlossen zu sein und mich in ihnen sicher zu fühlen.

Ich vergrabe mein Gesicht in seinem schwarzen Tshirt und schließe meine Augen, wobei ich merke wie gut er riecht.

Der Duft ist schwer zu beschreiben, es ist eine Mischung aus Minze und noch etwas anderem, was ich nicht erkennen kann.

Für eine Weile verharren wir in dieser Position.
Obwohl ich mich nicht von ihm lösen möchte, lockere ich meine Umarmung trotzdem wieder und mache einen Schritt nach hinten.

Tate lächelt mich noch warm an, bevor er sich umdreht und weggeht.

~

Die Angst entsteht durch das Unbekannte.

Diesen Satz lese ich mir bestimmt schon zum zwanzigsten Mal durch. Ich muss zurück an Tristan denken. Und daran, wie viel Angst ich habe.

Ich weiß nicht was mit ihm ist, nicht einmal wo er ist. Verzweiflung breitet sich in mir aus und ich klappte meinen Laptop fester zu als ich beabsichtigt hatte.

Gerade möchte ich von meinem Stuhl aufstehen, als die Zimmertür aufgeht. Meine Mutter steht im Türrahmen und atmet tief durch, während ich mich frage, was sie von mir möchtet.

Seit ich vor ein paar Stunden von der Schule gekommen bin, war ich in meinem Zimmer und meine Eltern haben mich nicht gestört. Sie wissen, dass ich meine Ruhe brauche und lieber alleine sein möchte.

Ungeduldig schaue ich auf meine Mutter und warte darauf, dass sie etwas sagt.

„Tristans Eltern haben angerufen und wollten mit dir sprechen. Sie haben gefragt, ob du zu ihnen rüber gehen kannst."

Tristans Eltern? Was wollten die beiden denn von mir? Ist es etwa wegen Tristan?

Mit dem letzten Gedanken springe ich vom Stuhl auf und ziehe mir so schnell es geht meine Schuhe an. Im Laufen schnappe ich mir meine Jacke und ziehe sie auf dem Weg an.

Vor dem Nachbarhaus angekommen klingele ich an der allzu bekannten Klingel. Ich nutze die Zeit, in der noch keiner an die Tür kommt und streiche meine, eben angezogene, weiße Jacke glatt.

Die schwere Glastür öffnet sich. Vor mir steht Tristans Mutter, welche mich sofort reinwinkt. Ihr Gesicht ist rot und angeschwollen, genauso wie meins noch bis vor gestern war.

Ich betrete das riesige Haus, wobei mich eine Flut von Erinnerungen trifft. Tränen möchten sich in meinen Augen bilden, jedoch schüttele ich schnell meinen Kopf um die Erinnerungen auszublenden.

„Du fragst dich vielleicht, warum wir dich hergebeten haben", beginnt Tristans Vater, der auf dem schwarzen Ledersofa sitzt.

In seiner Hand hält er ein Glas Rotwein, welches er auf den weißen Wohnzimmertisch stellt, bevor er von dem Sofa aufsteht.

Seine Frau fährt für ihn fort: „Die Ärzte haben heute morgen angerufen und wollten, dass wir eine Leiche identifizieren."

Eine Träne entflieht ihrem Auge und sie schnieft leise in ein benutztes Taschentuch, das sie fest umklammert.

„Wir sind hingefahren und es hat sich herausgestellt, dass die Leiche nicht Tristan war."

Ein leichtes Lächeln bildet sich auf ihrem Gesicht.

„Sie haben uns dann noch erzählt, dass es einen weiteren Jungen gibt, der unserer Beschreibung entspricht, welcher aber im Koma liegt."

Erneut rollt ihr eine Träne die Wange herunter.

Der Mann räuspert sich und macht weiter:
„Es war Tristan."

nightmares || tate langdonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt