t h i r t y t w o

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Mein Blick schnellte bei diesen Worten ungläubig zurück zu seinem Gesicht, und dann wieder auf die Waffen. Ich sollte kämpfen? Waffen aussuchen? Jetzt? Natürlich, Chris hatte gesagt, dass ich im Umgang mit Waffen geschult werden würde. Aber ich hatte nicht erwartet, dass es so bald damit losgehen würde. Ich blickte Jasper noch einmal fragend an, und er nickte mir ermutigend zu, neben ihm Scarlett, die mich gespannt anschaute. Niemand von uns sagte etwas. Zögerlich ging ich ein paar Schritte auf die Waffen zu, doch noch bevor ich bei ihnen angelangt war, blieb ich abermals stehen. Die Schneiden der Schwert blitzten mir entgegen, und so aus der Nähe sahen sie doch weit gefährlicher aus als von weitem. Respekteinflößender. Und auf gewisse Weise bedrohlicher. Ich ging noch ein bisschen näher an die Kampfgeräte heran und berührte einen Schwertgriff mit der Fingerspitze. Er war kalt. Schwert waren nichts für mich. Zu fragil, ich fühlte mich damit irgendwie wehrlos. Eloise hatte mich vor ein paar Jahren mal dazu gedrängt, das Fechten auszuprobieren, weil sie es liebte, aber mein Fall war es nicht gewesen. Ich ging einen Ständer weiter. Messer. Kleiner, handlicher, doch für meinen Begriff zu unpräzise, wenn man nicht gerade Experte war.

Also wieder weiter. Diesmal waren es Schwerter. Lang, scharf, gefährlich und um einiges stabiler als die Schwert zuvor. Das sah irgendwie cool aus, so elegant, aber doch scharf und gefährlich. Vorsichtig und fasziniert zugleich streckte ich wie in Trance meine Hand nach dem Griff aus. Ich zog die Waffe langsam aus dem Regal und war mir der beiden blicke, die gespannt auf meinem Rücken lagen, durchaus bewusst. Das lag jetzt vollständig in meiner Hand, und ich stellte fest, dass er überraschend leicht war, viel leichter, als ich erwartet hatte. Trotzdem legte ich auch meine zweite Hand an den Griff und hielt die Waffe senkrecht vor mich in . Ich vertiefte mich in die Betrachtung des Schwerts. Er war aus einem Metall, komplett silber und der griff war mit einem dunkelbraunen Lederband umwickelt. Über dem Lederband Befand sich etwas wie eine Querstange aus Silber, genau so kalt wie der Rest. Das war wahrscheinlich ein Schutz für die Hand. Ich ließ den Schwert durch die Luft sausen.

Es machte Spaß.

Es machte mir Spaß, eine Waffe zu schwingen, die jemanden verletzten konnte. Eine Waffe, die jemanden umbringen, eine Waffe, die ein Leben kosten konnte. Und ich hatte Spaß. Ich ließ das mordgerät langsam sinken. Wollte ich im Notfall dafür verantwortlich sein, dass ein Lebewesen nicht mehr weiterleben durfte? Nein. Aber wie es schien, führte kein Weg daran vorbei. Ich wollte eigentlich noch nicht mit dem Training anfangen, aber ich musste, wenn ich hierbleiben wollte. Hinter mir konnte ich Scarlett und Jasper leise tuscheln hören, aber ich ignorierte sie geflissentlich.

Gerade hatte ich den Beschluss gefasst, mit der Waffe zu trainieren, zu kämpfen, aber nicht zu töten, als hinter mir ein lautes Geräusch ertönte. Ich wirbelte herum und erblickte jemanden, der in der nun offenen Tür stand hatte eine entschlossene, gerade Körperhaltung und sah bedrohlich aus. Der Typ trat hinein, und als das Licht auf ihn fiel, stockte mir der Atem. Er war verdammt blass, und seine Augen waren Rot, und zwar blutrot. Schwarze Haare, schwarzer Umhang. Ich hatte schon eine Sehr böse Vorahnung, doch um sie zu Bestätigung fehlte nur noch ein kleines Detail. Also blickte ich auf seinen Mund, der sich just in diesem Moment zu einem, für mich sehr bedrohlichen Lächeln verzog. Und ich sah, was ich befürchtet hatte: Strahlend weiße, unnormal lange Eckzähne. Ich versuchte, zurückzuweichen, aber schon nach ein Paar Schritten stieß ich mit dem Rücken an das Waffenregal, welches leise klirrte.

Er kam leise auf mich zu, und bleckte seine Zähne. Ein Vampir. Was zur Hölle hatte dieser Scheißvampir hier zu suchen?! Und warum Taten weder Scarlett noch Jasper was dagegen sondern lächelten nur vor sich hin?

Instinktiv hob ich den Schwert und hielt ihn wie ein Schutzschild vor mich, doch davon ließ sich der Vampir nicht abschrecken, im Gegenteil, seine vorher schlendernden Schritte beschleunigten sich. Ich musste etwas tun. Ich konnte mich doch jetzt hier nicht aussaugen lassen, aber abstechen konnte ich ihn auch schlecht.

,,Warum macht ihr denn nichts?", rief ich Scarlett und Jasper panisch zu. ,,Macht doch was!"

Jasper setzte dazu an, etwas zu sagen, doch Scarlett unterbrach ihn mit Worten, die ich nicht verstand. Und sie machten immer noch nichts. Aber warum denn nicht?!

Der komische Vampir war jetzt nur noch zwei, drei Meter entfernt von mir. Er war endlich stehen geblieben, und verharrte jetzt genau so regungslos wie ich. Leider hatte ich den Eindruck, dass der Blick aus seinen roten Augen hungrig auf meiner Halsschlagader lag.

Ich schluckte und umklammerte den Griff des Schwerts noch ein wenig fester noch tat niemand etwas. Aber irgendjemand musste doch was tun, denn ich war mir sehr sicher, dass der Vampir mich gleich aussaugen würde, und bei dieser Vorstellung schüttelte es mich vor Ekel und Angst zugleich.

Jasper setzte zu etwas an, dass nur mit ,,Zoe-" begann, doch genau in diesem Moment überwand ich mich und stürzte auf den Vampir zu. Mit dem Schwert hieb ich auf seinen Arm ein, und gerade, als ich mich wunderte, dass er keinen Millimeter zurückwich, prallte der Schwert einfach an seinem Oberarm ab.

Fassungslos starrte ich auf seinen Arm, dann schlug ich noch einmal drauf.

Das gleiche wie vorhin. Gerade, als ich zu einem dritten Schlag ansetzte, schnellte eine bleiche Hand nach vorne, umgriff einfach si die Schneide des Schwertes und riss es mir auf die Hand.

Na super. Jetzt steckte ich in einer Situation, wie ich sie mir niemals hätte ausmalen können, höchstens in meinen Albträumen. Ich stand, entwaffnet und vollkommen wehrlos vor einem gemeingefährlichen übernatürlichen Wesen, an dessen Existenz ich nicht geglaubt hatte, bis sein Erscheinen mir das Gegenteil bewiesen hatte.

Zudem hatte er noch meine Waffe in der Hand und würde mir vermutlich gleich das Blut aus den Adern saugen. Außerdem standen kaum fünf Meter entfernt zwei Shadows, die zwar ganz sicher dazu imstande gewesen wären, mir zu helfen, sich jedoch keinen Millimeter bewegten.

Nein, so eine Situation hätte ich mir tatsächlich niemals ausdenken können.

Und jetzt hatte ich nur noch eine Option übrig, die zwar eine erbärmliche war, aber das letzte was mir noch einfiel. Ich sank vor im auf die Knie, sah dem Vampir in die Augen und flehte: ,,Bitte, bitte lassen sie mich am Leben. Ich habe ihnen doch wirklich nichts getan. Und wenn sie schon mein Blut wollen, dann können sie ja nur ein bisschen nehmen, oder? sie brauchen doch sicher nicht alles, da können sie mir doch was übrig lassen."

Oh Gott, schoss es mir durch den Kopf, wenn das jetzt deine Lebensentscheidende Rede war, Zoe, dann hast du sie komplett verkackt. Und das hatte ich anscheinend auch, denn der Vampir packte mich am Arm und zog mich wieder auf die Beine. Seine Berührung war genau so kalt, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich war wie gelähmt vor Angst denn der Mund des Vampirs war nur noch wenige Zentimeter von meinem Gesicht und meiner Halsschlagader entfernt.

Doch dann tat er etwas, mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte: Er brach in schallendes Gelächter aus, und Scarlett sowie Jasper mit ihm. Er ließ meinen Arm wieder los, doch ich konnte mich immer noch nicht rühren. Diesmal jedoch nicht vor Angst, sondern vor Überraschung. Warum lachten sie denn jetzt?!

Der komische, lachende Vampir schüttelte jetzt meine Hand, und ich war außerstande, sie ihm zu entziehen. Mit einer überraschend normalen und freundlichen Stimme sagte er: ,,Hallo, ich bin Tobias. Und wie du gerade vermutlich richtig erkannt hast, bin ich ein Vampir. Aber keine Sorge, ich werde dir nicht das Blut aus den Adern saugen." Er grinste immer noch amüsiert, und ich konnte nur verdattert ,,Aber wie ... was..?" stammeln.

Jasper kam jetzt auch zu uns rüber und tätschelte mir behruhigend die Schulter. Der Blick aus seinen braunen Augen war verständnisvoll.

,,Es gibt eben noch viel, was du über diese Welt zu lernen hast, Zoe."

Die Schattentänzerin | AbgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt