Kapitel 11

614 49 9
                                    

Es war tatsächlich wahr. Anakin würde nicht zurückkommen. Das sah ich schwarz auf weiß vor mir, auf dem Brief, den ich mir schon etliche Male durchgelesen hatte, so dass ich ihn schon auswendig aufsagen konnte.
Doch das viele Durchlesen änderte auch nichts an der Tatsache, dass mein Meister gegangen war, oder besser gesagt mich und den Jedi-Orden zurückgelassen hatte.
Nachdem ich Anakins Brief das erste Mal gelesen hatte, verließ ich Morgans Zimmer wieder und ging zurück in die Küche zu Meister Fisto, wo ich, ohne Alec eines Blickes zu würdigen, zum Schiff ging und diesen schrecklichen Planeten endlich hinter mich ließ.
Nun befand ich mich auf dem Schiff in meinem Quartier. Ich saß im Schneidersitz auf dem Boden und meditierte, in der Hoffnung, meine Gedanken ordnen zu können, doch obwohl ich Panatha verlassen hatte, waren meine Erinnerungen an die Geschehen auf diesem Planeten immer noch präsent und mein Kopf wollte einfach keine Ruhe lassen.
Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken und ich öffnete misstrauisch mein rechtes Auge.
"Herein!", gab ich monoton von mir. Hätte ich jedoch gewusst, wer vor der Tür stand, hätte mein Tonfall ganz anders geklungen.
Jetzt riss ich auch mein anderes Auge auf, als ich sah, wer in den Raum trat.
"Alec?!", fragte ich erstaunt und wütend zugleich "Was tust du hier?"
"Kit Fisto meinte, ich solle mit zum Rat kommen, um Auskunft über Anakins Verschwinden zu geben.", sagte Alec in ruhiger Stimme. Ich nickte, musterte ihn aber immer noch mit finsterer Miene.
Es kehrte Stille in den Raum ein, die Alec jedoch nach einiger Zeit wieder brach.
"Ahsoka, hör zu", räusperte er sich.
Ich wendete den Blick vom Boden ab und sah ihm nun in die Augen.
"Ob du es glaubst oder nicht, aber du bist nicht die einzige, die jemanden, der einem am Herzen liegt, verloren hat."
Alecs trübe Augen versetzten mir einen Stich ins Herz und eine Welle von Schuldgefühle stieg in mir auf. Wie konnte ich auch nur so naiv sein? Morgan hatte Alec, ihren Bruder, verlassen, ohne ihm überhaupt Bescheid zu geben und jetzt war Alec mindestens genauso verletzt wie ich. Wenn nicht sogar noch mehr, wenn man bedenkt, dass sie sich schon ihr ganzes Leben kannten
Ich riss meinen Blick von seinen Augen weg, da ich seinen traurigen Blick nicht länger ertragen konnte, und starrte stattdessen auf meine Pritsche.
Was war, wenn das Ganze auch wieder nur ein Spiel von Alec war und er mich nur manipulieren wollte, damit er mit mir genauso wie Morgan mit Anakin abhauen kann.
Mein Blick versteifte sich wieder und ich verschränkte die Arme vor der Brust, so wie Anakin es immer tat, wenn er jemandem misstraute.
"Und woher soll ich wissen, dass das kein Trick von dir ist?"
Alec stieß die Luft aus.
"Ahsoka, du musst mir einfach vertrauen." Er hielt mir seine rechte Hand hin. Seine Geste erwiderte ich jedoch nur mit dem Hochziehen einer Augenbraue.
Vertrauen... Wieso sollte ich ausgerechnet dem Bruder des Mädchens, das meinen Meister entführt hat, vertrauen? So naiv ich auch sein mochte, ich würde ganz sicher nicht auf seine Masche reinfallen.
"Na gut", setzte Alec erneut an "wenn du mir nicht vertraust, muss ich dir eben beweisen, dass ich auf deiner Seite stehe." Er setzte sich auf meine Pritsche und bedeutete mir, mich neben ihn zu setzten.
Mit zögernden Schritten ging ich auf das Bett zu und setzte mich mit ausreichendem Abstand neben ihn.
Kaum hatte ich mich gesetzt, fing er auch schon an zu erzählen.
"Wie du ja schon erfahren hast, sind Morgan und ich Kopfgeldjäger. Als wir noch jünger waren, haben wir oft Aufträge zusammen erledigt. Heute machen wir das nicht mehr, da wir uns immer wieder mit der Bezahlung in die Quere gekommen sind, aber das willst du mir ja eh nicht glauben. Jedenfalls hatten wir damals auf Rodix, einem Nachbarplaneten von Panatha, ein Geheimversteck, das wir manchmal für unsere Aufträge nutzten. Ich kann auch ganz falsch liegen, aber vielleicht finden wir da irgendeinen Hinweis, wo Morgan und Anakin sein könnten."
Ich sah zu Boden und dachte über die neugewonnenen Informationen nach.
Ich konnte Alec immer noch nicht ganz trauen, schließlich war er ebenfalls ein Kopfgeldjäger und diese waren unberechenbar.
Wollte ich Anakin jedoch tatsächlich wiederfinden, war dies meine einzige Chance.
"Na gut", sagte ich nach einiger Zeit, "wie sollen wir aber nach Rodix kommen, wenn wir uns auf einem Kreuzer befinden, der sich immer weiter von diesem Planeten wegbewegt?", fragte ich anschließend.
Alecs Lippen umspielten ein Grinsen und im nächsten Moment hatte er sich aufgerappelt.
"Wir gehen zum Hangar, nehmen uns ein Schiff und fliegen nach Rodix. Ganz einfach.", er sagte dies mit voller Überzeugung und hielt mir erneut seine Hand hin.
Ich sah Alec zuerst ungläubig an, bis mir auffiel, dass es Anakin genauso tun würde.
Er hätte sich den selben schrägen Plan wie Alec ausgedacht und würde ihn mit dem selben überzeugten Ausdruck vortragen.
"Also gut", ich ergriff seine Hand und stand ebenfalls von der Pritsche auf, "dann lass uns keine Zeit verlieren!"
Und somit widersetzte ich mich mal wieder den Befehlen meines Meisters, obwohl er mich in seinem Brief klar und deutlich dazu aufgefordert hatte, nicht nach ihm zu suchen.
Aber ich wäre doch nicht seine Schülerin, würde ich mich nicht seinen Befehlen widersetzten.

Desperate Souls | Ahsoka x AnakinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt