Every good Thing has to end sometimes

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Ich werde von einer Hand, die zärtlich an meiner Schulter rüttelt, aus dem Schlaf gerissen. Ich setze mich sofort auf, weil ich weiß, dass es Robin ist , der da auf meinem Bett sitzt. Augenblicklich knipse ich mein Nachtlicht an und erkenne die perfekten Konturen seines Gesichts, und dieses Mal bringt mich die Tatsache seiner Anwesenheit, seiner Existenz, mehr um den Verstand als jemals zuvor. Ich sehe in seine perfekten blauen Augen und merke, wie er leicht lächelt. "Hallo, Venice. Ich hoffe, du hattest eine angenehme Nacht bis jetzt." Verschwörerisch kneift er seine Augen zusammen. "Bis jetzt schon, ja." Ich setze mich aufrecht hin, gegenüber von Robin. "Du weißt, wieso ich hier bin, Venice.", sagt er dann leise mit seiner rauen, tiefen Stimme. Ich nicke. "Ich weiß wieso du hier bist." Nun legt Robin seinen Kopf schräg. "Das klingt stark nach einem Aber, wenn du mich fragst." Ich nicke. "Oh ja. Ich frage dich. Und ich will Antworten, bevor ich dir meine Entscheidung mitteile. Und ich verlange, dass du jede meiner Fragen beantwortest." Ausdruckslos sieht Robin mich an. Wenn Augen wirklich das Fenster zur Seele sind, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist Robin eine Ausnahme oder er hat keine Seele. "Einverstanden?" Er nick monoton. "Einverstanden." Ich lächele und bin innerlich erstaunt über so viel Kooperativität von ihm.

"Also gut. Die erste Frage." Ich überlege kurz. "Robin. Denkst du, du hast dich geändert, seitdem du hier bist?", frage ich langsam. Robin denkt lange nach. "Nein. Ich habe mich nicht geändert. Ich bin immer noch ich." Ich nicke, nehme seine Antwort zur Kenntnis. Auch wenn sie so viele Hoffnungen zerstört, die leise in mir herangewachsen sind.

"Also gut. Nächste Frage. Wieso genau willst du von hier fliehen?" Kurz runzelt er die Stirn.

"Weil ich das nicht mehr aushalte. Diese Enge. Diese vier Wände um mich, errichtet von Leuten, die meinen, alles besser zu wissen, mich durchschauen zu können, weil sie ein paar Jahre studiert haben, die meinen, ich würde meine Denkweise, mein Verhalten ändern, nur weil sie mich sechs Jahre hier einsperren und durch Therapien zwingen, mir Medikamente verabreichen, mich behandeln wie Dreck." Robin sieht ins Leere, seine Gesichtszüge hart, den Mund zu einem schmalen Strich gezogen.

Ich lasse diese emotionsvolle, aufrichtige Antwort auf mich wirken. "Und wohin willst du gehen?" , frage ich ihn. Robin lächelt auf einmal wieder selbstbewusst. "Wohin der Weg mich führt. Ich habe schon einmal eine Identität gefälscht, und ich schaffe es auch ein weiteres Mal. Ich will raus hier, will frei sein, will mich ausleben." - "Das klingt wirklich sehr... toll." Mir fallen keine besseren Worte ein, weil ich von der Vorstellung, Robin Brooks, in der unzähmbaren, wilden Welt, zu sehr abgelenkt bin. Es passt perfekt zu ihm, besser als diese kahlen, farblosen Wände, hinter denen ich ihn sonst immer sehe. Ich schmunzele glücklich. "Dann komme ich zu meiner letzten Frage. Wieso willst du mich dabeihaben? Was genau liegt dir an mir? Was denkst du dir, wenn du mich ansiehst?" Robin sieht mich kurz an, gefasst. Er wusste, dass ich ihn das fragen würde. "Das sind ziemlich viele Fragen auf einmal, findest du nicht?", gibt er kurz zurück. "Beantworte sie einfach." Er atmet tief durch.

"Venice, komm schon. Du weißt genau, dass du mich vom ersten Moment an umgehauen hast. Ich habe viel und lange nachgedacht, und glaub mir, wenn man 24 Stunden am Stück in einem Raum eingesperrt ist, hat man sehr viel Zeit, um nachzudenken. Denn du hast mir auf einmal Seiten an mir gezeigt, die ich vorher noch nie in meinem gesamten Leben bemerkt habe. Du hast mich jedes Mal aufs Neue überrascht, du hast mich öfter durchschaut, als ich es je an einer anderen Person gesehen habe. Auf einmal wurde es zu einem Spiel für mich, ich wollte dich genau so sehr verwirre, wie du es tagtäglich auf Neue bei mir gemacht hast. Ich wollte dir gleichzeitig nahe sein, und dieses Gefühl spüren. Diese Vollkommenheit. Ich habe dich beobachtet, öfter als du es bemerkt hast. Saßt du an deinem Schreibtisch, stand ich hinter dir. Wenn du schliefst, saß ich bei dir. Wenn du spazieren warst, stand ich am Fenster. Ich wollte dich bei mir haben, genau so sehr, wie ich dich loswerden wollte. Deshalb habe ich das mit Timber geplant. Ich wollte dir wehtun, dich verletzen, dich einschüchtern. Denn ich kam einfach nicht mehr damit klar. Ich war zu selbstverliebt und koordiniert, als dass ich dir verfallen sollte. Und doch tat ich es. In der Nacht, in der ich dich geküsst habe, ist mir klargeworden, dass ich nichts sehnlicher will, als mit dir an meiner Seite zu kämpfen, neben dir einzuschlafen, neben dir aufzuwachen, dich bei mir zu haben. Für immer. Und ich konnte es selber nicht fassen, als ich auf einmal bei dir war und dich küsste. Aber glaub mir, von allen Momenten in meinem Leben war das der schönste. Und wenn ich dich ansehe, sehe ich eine wunderschöne Frau, die ich immer beschützen will. Und weißt du wieso? Weil ich dich liebe, Venice."

Die Intensität seiner Worte trifft mich wie ein Fausthieb. Das ist eine komplett andere Seite an Robin, die ich noch nie gesehen habe. Abwartend sieht er mich an. Ich beuge mich zu ihm vor. Wir sehen uns tief in die Augen. Tausend Gefühle, die sich gleichzeitig in mir überschlagen, entflammendes Feuer. Er legt seine Lippen fordernd auf meine, die Explosion in mir lässt mich zurücksinken, sodass sich Robin über mich lehnt, ich greife in sein Haar, schließe angestrengt die Augen, um diesen Moment intensiver wahrzunehmen, als er es ohnehin schon ist. Robin verteilt zarte Küsse an meinem Hals, sodass mir ein Seufzen entflieht. "Ich liebe dich auch... so sehr." Diese Worte sind wie eine Befreiung für mich, als hätte ich sie jahrelang zurückhalten müssen. Robin sieht mir wieder in die Augen. "Also kommst du mit?" Ich nicke und schlagartig springt Robin auf. Er greift unter mein Bett und zieht zwei volle Rucksäcke hervor, von welchen er mir einen zuwirft. "Dann sollten wir langsam mal gehen! Wir haben schließlich nicht die ganze Nacht Zeit!" Ich sehe ihn fragend an. "Ich wollte für alles vorbereitet sein." Ich stehe auf, ich habe ungewollt in einer Jeans und einem Hoodie geschlafen, da nicht einmal geplant war, dass ich überhaupt schlafe, und schlüpfe in meine schwarzen Vans.

Ich folge Robin schleichend durch das große Gebäude, besorgt, ob wir erwischt werden würden. Aber alles blieb ruhig.

Wir durchqueren den großen Eingangsbereich. Ich habe einen Flashback zu dem Moment, in dem ich das erste Mal durch diesen Raum gegangen bin und lächele. Nichts würde mich jemals wieder an diesen Ort zurückbringen. Robin öffnet leise die Eingangstür und kalte Frühlingsluft schlägt uns entgegen.

Als wir draußen sind, drehe ich mich noch einmal zu dem Gebäude um. Und lächele. Noch nie fühlte ich mich so frei wie in diesem Moment. "Bist du bereit?", fragt Robin flüstert und streckt mir die Hand. "Ich war nie mehr bereit.", gebe ich zurück und greife nach seiner Hand.

Und es stimmt. Ich fühle mich so gelöst.

Das Abenteuer kann beginnen.

Robin BrooksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt