schreien

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Ich schreie.

Durchgehend schreie ich.

Brülle die Geschichten raus, um nicht daran zu ersticken, kreische in allen erdenklichen Farben, um diese schwarz-weiße Welt zu bemalen.

Du siehst mich still schattieren und konturieren, meinen Pinsel in der Hand, ruhig, mit klassischer Musik im Hintergrund. Du siehst mich, friedlich zeichnend, eine Farbe nach der anderen auftragend, erst grün, dann blau, dann rot.

Du siehst die Ruhe, die Entspanntheit, den Frieden, nicht wissend, dass meine Bilder ein Schlachtfeld sind. Nicht ahnend, dass jeder einzelne Pinselstrich ein Schwerthieb gegen die Dunkelheiten der Realität sind, mit dem einfachen Ziel zu atmen in einer erstickender Welt wie dieser. Du erblickst mich, aber gleichzeitig bist du blind.

Kunst, nennen sie es, auf meine Kreationen blickend und ich lache, schüttle still den Kopf und versuche meinen Spott zu verbergen. Kunst, sagen sie, unwissend was es ist.

Sie kennen es, aber wissen es nicht, haben keine Ahnung wie viel in diesem einen Wort steckt.

Van Gogh war Künstler, antworten sie auf meine Frage, nicht ahnend, wie wenig sie verstehen. Sie erkennen nicht, dass Van Gogh kein Künstler aufgrund seiner malerischen Fähigkeiten war. Sie denken, man kann nur Maler oder Künstler sein mit einem Talent, mit einer Gabe.

Dabei ist es so viel einfacher. Und jeder Satz, der ihren Mündern entspringt, zerreißt mich innerlich und äußerlich, lässt mich schreien. Kunst ist nicht malen, musizieren oder schreiben. Malst du ohne deinen Gefühlen, ohne deine tiefsten Emotionen, so ist es schon gewagt es eine Zeichnung zu nennen.

Es war die Leidenschaft, die Van Gogh zu einem Künstler machte, seine Gefühlsregungen, die seine Bilder von allen Seiten ausstrahlen, ein eigenes Universum, ohne wirklichen Mittelpunkt in all der Farbenpracht.

Und ich zeichne stundenlang lustlos an dem perfekten Auge, so lange, dass man es mit einem Foto verwechseln kann und die Leute staunen, reißen ihre Mäuler auf, beglückwünschen und bewundern. Kunst nennen sie es, das Wort Talent kommt mir mehrmals zu Ohren.

Male ich jedoch einfach was mir gerade in den Sinn kommt, zwei imperfekte Augen eine misslungene Nase und schmale Lippen, klein und kaum erkennbar mit voller Begeisterung, setze ich Glitzersteine darauf, male ich die Haut grün und die Augen hautfarben oder teste andere stille Techniken, ist es nur ein Bild. Ein etwas Misslungenes, um ehrlich zu sein, denn das eine Auge ist unfassbar klein, das andere merkwürdig schief. Die Nase ist krumm und die Lippen merkwürdig, das Gesamtbild passt nicht zusammen.

Die Leidenschaft, die mich beim Malen erfasst hat und wie Feuer durch meine Adern pulsiert wurde zählt nichts, die Kunst ist verborgen, für all die blinden Menschen in dieser Welt voller Wunder. Nur die Wenigsten können verborgene Schönheiten erkennen, sind nicht taub und blind, sondern fähig wahrzunehmen. Nur die Wenigsten, sehen den Sinn. Das Staunen der Restlichen hämmert auf mich ein, scheint mich zu zerstören, und immer wieder durchbohrt mich der Wunsch nach mehr, danach, endlich atmen zu können, ein Zeichen zu setzen in dieser einfärbigen Welt. Erkennen sie denn nicht, dass die Bilder, die sie vergöttern nur Hilfeschreie sind, eine Kritik an die Perfektion?

Sie sehen nicht, dass ich weder male noch schreibe.

Ich schreie.

Durchgehend schreie ich.

In meinen Texten, in meinen Bildern, in meinen Gedanken.

Mit dem Wunsch nach mehr.

Die Botschaften, die ich überbringe rutschen in den Hintergrund, der Schreibstil oder die Maltechnik nach vorne.

Ich schreie.

Und trotz der vielen Tonlagen, der vielen Emotionen und den lauten Rufen hören sie es nicht.

schreienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt