Hilfe

31 4 0
                                    

Es war Montag und an diesem Tag war Hime pünktlich in der Schule.

Und das ist kein Zufall, dachte sie sich im Stillen, während sie in der Nähe ihres Klassenzimmers auf einem Fensterbrett saß und ab und zu aus dem Fenster sah. Doch in Wahrheit ruhte ihr Blick eigentlich auf der großen Treppe, die in regelmäßigen Abständen Schülergruppen hinaufstiegen, um sich dann fröhlich plappernd in ihre Klassenräume zu verteilen. Es wäre dumm, mir irgendetwas vorzumachen ... Sie seufzte. Natürlich hoffte sie insgeheim, Azusa wiederzusehen.

Als sie sich am Samstagabend schließlich, nachdem er ihr noch mehr von dem riesigen Anwesen gezeigt hatte, wieder von ihm verabschiedet hatte, an der Bushaltestelle, zu der er sie zuvor noch gebracht hatte, war es ihr merkwürdigerweise schwergefallen, sich von ihm zu trennen. Es war das erste Mal, dass sie sich im Haus eines Fremden so wohlgefühlt hatte ...

Wenn sie an all die verschiedenen „Freunde" dachte, die sie innerhalb der siebzehn Jahre ihres Lebens gehabt hatte, vor allem im Grundschulalter, dann war unter ihnen kein einziger gewesen, der sie sonderlich geprägt hatte. Zwar erinnerte sie sich an manche Namen, an Gesichter, an Charakterzüge ... aber das hatte im Grunde ja nichts zu heißen. Ja ... niemals hatte sie sich in der Gegenwart eines anderen so unbeschwert gefühlt.

Und so denke ich von ihm, obwohl Azusa-kun wollte, dass ich ihn mit einem Messer verletze, dachte Hime und musste plötzlich grinsen, obwohl ihr das bei dem Gedanken an seinen beinahe verzweifelten Gesichtsausdruck unangebracht schien. Er hat es sich wirklich gewünscht. Aber so einem Wunsch darf man doch nicht nachkommen, oder? ... Das war vielleicht verrückt ... aber ich habe die Situation irgendwie entschärft. Sie seufzte erneut und schielte zum wiederholten Mal zur Treppe hin.

Immer, wenn sie mit Klassenkameraden oder anderen Gleichaltrigen zusammen gewesen war, sei es im Kindergarten gewesen, auf dem Pausenhof, bei ihnen zu Hause oder später auch in einer Karaoke-Bar, war da immer dieses Gefühl gewesen, sich verstellen zu müssen, um nicht so sehr aufzufallen, um den anderen keinen Anlass zu geben, sie auszuschließen ...

Inzwischen schloss sie sich aus freien Stücken selbst aus, weil sie keinen Gefallen fand an solchen Menschenaufläufen wie im Schwimmbad, im Kino oder in Bars, aber das war ihre eigene Entscheidung. Viel schlimmer jedoch wäre es, von anderen verstoßen zu werden.

Aber bei Azusa war es anders gewesen. Hime konnte den Grund nicht einmal wirklich benennen. Vielleicht hatte sie von Anfang an gespürt, dass er anders war als die meisten anderen und das hatte sie ihm gegenüber offener sein lassen. Und vielleicht war da diese stille Hoffnung in ihr gewesen, endlich jemanden zu finden, der ihr das Gefühl gab, dass sie wirklich sie selbst sein durfte. Ja, denn ... im Grunde war doch niemand wirklich gerne ein Einzelgänger. Insgeheim sehnte sich doch jeder nach jemandem, der ihm Halt gab. Viele jedoch gaben die Suche irgendwann auf, weil sie zu lange erfolglos gewesen waren und mit den Jahren den Eindruck gewonnen hatten, dass es vergebens war.

Und auch ich sollte mir noch nicht allzu viele Hoffnungen machen, sagte Hime sich und sah auf den Boden. Denn um genau zu sein ... bin ich Azusa-kun vermutlich viel zu sehr auf die Pelle gerückt. Sie seufzte zum wiederholten Mal und mit einem Mal spürte sie, wie sie rot wurde, als sie an ihre vollkommen überstürzte Umarmung dachte. Und dass ich so viel darüber nachdenke, ist gar nicht gut, setzte sie im Stillen unruhig hinzu. Ich sollte die Angelegenheit besser erst einmal ruhen lassen ...

Sie sah auf, als eine neuerliche Schülergruppe die Treppe hinaufkam. Aber es waren nur vier Mädchen aus ihrer Klasse. Was erwarte ich auch?, fragte Hime sich müde. Wahrscheinlich kommt Azusa-kun diesen Gang gar nicht entlang ... Die drei Mädchen gingen einfach, ohne Hime zu begrüßen oder sie auch nur eines Blickes zu würdigen, an ihr vorbei ins Klassenzimmer.

Diabolik Lovers ~ Bloody IncisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt