Schmerzlos

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Breit grinsend saß er vor mir auf dem Stuhl, die Füße auf dem Tisch und die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Ich schloss die Tür und legte die Akte hin. Er verfolgte mich mit seinen Augen. Meine Kollegen hatten mich schon gewarnt, dass er gerne Psychospielchen spielte und wenn er wollte sollte er sie bekommen. Mit einem lauten Quietschen zog ich langsam den unbequemen Metallstuhl nach hinten und setzte mich. Ich nahm die Akte und öffnete sie. Ganz oben lag ein riesiger Stapel Fotos. Ich schaute ihn kurz durch und legte dann drei Bilder vor ihm auf den Tisch. Alle drei zeigten fast dasselbe Motiv. Eine verkohlte Leiche.

Ich lehnte mich vor; bereit das übliche Gefasel herunterzuleiern: „Sam Lloyd...Sie wissen weshalb wir sie verhaftet haben?" „Ja", sagte er. Ich nickte und fuhr fort: „Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Nehmen sie es in Anspruch oder..." Er unterbrach mich: „Ich verzichte!" „Oh...", also diese Art von Psychospielchen, „Sind sie sich sicher?" Er nickte: „Ja, das bin ich!" Ich lächelte. Das wird ja schon fast zu leicht... „Dann bitte ich sie die Verzichtserklärung zu unterschreiben." Ich schob ihm das Dokument zu und er kritzelte seine Unterschrift drauf, dann begann er interessiert die Fotos zu betrachten. „Erstaunlich...", murmelte er vor sich hin. „Was ist erstaunlich Mr. Lloyd?", fragte ich. Nun schaute er mir direkt in die Augen und meinte: „Immer wenn ich gegangen bin haben sie noch gebrannt...Ich dachte nicht das der Mensch im Tod so unästhetisch sein kann." „Mr. Lloyd kann ich das als Geständnis werten? Haben sie Henry McIntyre, Jill Smith und Roy Meyson umgebracht?" Er grinste breit und zeigte mir eine Reihe perfekter, weißer Zähne. „Ja, ich gestehe: Ich habe die drei abgemurkst!", sagte er mit geschmeidiger Stimme. Ich zog die Augenbrauen hoch. Wenn das hier wirklich Psychospielchen sind, dann hat der arme Sammy, aber nicht gründlich die Regeln gelesen. Ich lächelte leicht. „Wenn sie mir bitte den genauen Tathergang schildern würden? Ich muss das für das Geständnis aufschreiben." „Aber gern...", lächelte er zurück. Langsam wird es gruselig. Ich nickte und zückte den Stift. Bereit alles aufzuschreiben was er von sich gab: „Fangen sie bitte bei ihrem ersten Opfer, Henry McIntyre, an." Er lehnte sich zurück, um es sich auf dem unbequemen Stuhl etwas gemütlicher zu machen, was wohl kaum möglich war. „Also...Das erste Mal als ich ihn sah war an einer Ampel. Er telefonierte aufgeregt mit jemanden. Er schien es eilig zu haben und wippte immer nervös auf uns ab. Als kein Auto mehr auf der Straße war lief er rüber, obwohl noch rot war. Später am Abend traf ich ihn nochmal, diesmal in der Metro. Ich folgte ihm bis nach Hause..."

Während ich Sam so reden hörte hatte ich das Gefühl als erzählte er mir eine Geschichte, die nur für mich bestimmt war. Doch irgendetwas störte mich an seinem Verhalten. Er schaute mir nie richtig in die Augen während er sprach und immer wenn ich versuchte Blickkontakt herzustellen wich er mir aus. Als gefiele es ihm nicht wirklich mir das hier zu erzählen, obwohl sein ganzer restlicher Körper mir das Gegenteil vermittelte. Er lächelte unheimlich und wippte fröhlich mit den Füßen, sein Körper war komplett entspannt und seine Hände locker ineinander verschränkt. Nur in seinen Augen spiegelte sich so etwas wie Nervosität und Sorge. Oder war es Angst? Komisch...

Er redete weiter: „In der Nähe gab es einen Supermarkt. Ich kaufte Spiritus, Wodka und Streichhölzer. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen auch noch einen Sack Holzkohle und ein großes Steak. Das Steak hab ich mir danach zum Abendbrot gemacht und die Holzkohle heimlich in den Keller meiner Nachbarn gestellt, die Grillen nämlich gerne. An der Tür hab ich mich dann als Pizzaboten ausgegeben und schließlich war ich bei ihm im Haus."

„Und er hat sie einfach so reingelassen?", unterbrach ich ihn. „Klar, ich meinte es sei diese Adresse bei unserem Lieferservice angegeben worden und in dem Einfamilienhaus konnte es ja kein anderer sein. Er öffnete um das Missverständnis zu klären. Ich nahm die Pistole und drängte ihn zurück ins Haus..." „Stopp! Warten sie mal bitte. Wo hatten Sie die Pistole her?", fragte ich und deutete dann auf meinen Bericht, „Der Vollständigkeit halber, Sie verstehen?" Er nickte: „Natürlich. Ich werde es ihnen, aber nur verraten wenn wir uns ab sofort Duzen. Ich bin Sam und es ist mir eine Freude dich kennen zu lernen." Er hielt mir seine Hand hin. Eine kleine Stimme in meinem Inneren riet mir darauf nicht einzugehen, aber ich war müde und wenn es bedeutet ihm meinen Vornamen zu sagen und dafür früher ins Bett zukommen war es mir recht. „Jenny", antwortete ich nur; schüttelte aber nicht seine Hand. Er ließ sie wieder sinken. „Nun gut..." Er redete weiter: „Bei mir um die Ecke ist ein hervorragendes Waffengeschäft und ich gehe prinzipiell nie unbewaffnet aus dem Haus." „Ah...", machte ich nur und schrieb es auf. Ich spürte wie er mich heimlich dabei beobachtete, doch ich wusste sobald ich ihn wieder ansah war nichts interessanter als die Flecken an der Wand. Ich hob meinen Blick und wie erwartet starrte er wieder den grauen Putz an.

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