Kapitel 28

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Henry

Ich sitze Eva gegenüber und habe ihr gerade Toris Antwort vorgelesen. Dieses Mal schreibt sie sich alles auf und lächelt sogar.
„Ich sehe, Sie sind enttäuscht über Toris Antwort", meint sie fachmännisch.

„Ja, das bin ich. Ich habe mir mehr erhofft. Aber wahrscheinlich sollte ich das nicht", sage ich.„Tori ist in derselben Situation wie Sie, Henry. Auch ihr Leben geht weiter und sie muss sicherst wieder daran gewöhnen, dass Sie wieder Kontakt zu ihr haben wollen. Bestimmt hat sie sich schon damit abgefunden, Sie nie wieder zu sehen", erklärt sie mir ruhig.

Ich schüttele den Kopf. „Das ist es nicht. Es liegt an ihrem Freund."Eva zieht eine Augenbraue nach oben.

„Tut es das? Inwiefern?"

„Sie liebt ihn und will ihn nicht verärgern, indem sie sich mit mir trifft. Das ist doch logisch!Ich würde auch so reagieren."Eva schreibt jedes Wort mit. Was macht sie damit eigentlich?

„Nach allem was Sie mir von dem Gespräch auf der Toilette berichtet haben, glaube ich kaum, dass die Liebe zwischen den beiden so stark ist. Sie ist sich nur unsicher, was sie tun soll, mehr nicht", lautet ihre Einschätzung der Dinge.

„Glauben Sie das wirklich?", frage ich nach.Eva nickt.
„Ich glaube nicht, ich weiß es. Und Sie wissen es auch, das kann ich in Ihrer Aura erkennen."„Gut, was soll ich jetzt tun?", frage ich nach ihrem Rat. Eva ist eine wirklich gute Therapeutin und ich werde ihr dafür einen kleinen Bonus überweisen lassen.
„Lassen Sie ihr noch einen oder zwei Tage Bedenkzeit. So geduldig müssen Sie sein. Wenn sie sich nicht von allein meldet, haken Sie vorsichtig nach", erklärt sie mir. Es ist schlimm,dass ein Mann meines Alters sich erklären lassen muss, wie er mit einer Frau umzugehen hat.
„Tori nennt Ihnen einen Tag und Sie organisieren alles. Aber bitte gehen Sie nicht davon aus,dass sie noch tiefere Gefühle für Sie hegt. Es kann sein, muss aber nicht", fährt Eva fort.
„Aber Sie sagten doch gerade, dass sie mich vielleicht noch liebt."Eva schüttelt den Kopf.
„Ja, aber auch Therapeuten kennen nicht die wahren Absichten aller Menschen. Und ich kenne Tori nur aus Ihren Erzählungen. Das ist eine subjektive Betrachtungsweise, die nicht unbedingt erfolgversprechend ist."Ich kralle meine Finger in die Lehne des Sessels.
Das ist nicht gerade hilfreich, Eva!"Sie nickt verständnisvoll.
„Ich kann Ihre Wut auf mich sehen, Henry. Lassen Sie sich nicht davon beherrschen, sondern schwächen Sie diese Gefühle bitte ab, damit sie noch klar denken können. Impulsive Menschen wie Sie haben es schwer im Leben."Ich frage mich, ob ich sie feuern soll. Aber dann fällt mir ein, dass die Queen sie bezahlt, also geht das schon mal nicht.
„Sie haben mir gerade zum ersten Mal nicht weitergeholfen", beschwere ich mich.
„Das war der Plan", sagt sie lächelnd. „Ich werde nicht ständig da sein, um Ihnen zu helfen.Ziel ist es doch, dass Sie sich selbst helfen können. Finden Sie nicht?"Nein, finde ich nicht! Ich brauche jemand zum Reden, dem ich vertrauen kann und der nicht in das Palastleben involviert und somit eine objektive Sicht auf alles hat.
„Wollen Sie mir damit sagen, dass sich unsere Zeit dem Ende nähert?", frage ich ungläubig.Eva nickt.
„Gut aufgepasst! Ich werde noch wenige Male eine Sitzung vereinbaren, aber dann sind wir fertig miteinander. Henry, Sie sind dann kein therapeutischer Notfall mehr, das ist doch gut! Selbstverständlich können Sie mich jederzeit kontaktieren, aber ich stehe nicht mehr allein für Sie zur Verfügung."Ich bin mehr als traurig über ihre Worte. Eva ist mir eine Freundin geworden und ich weiß,dass ich ihr vertrauen kann. Wieso müssen einen die guten Menschen immer verlassen,während die schlimmen bleiben?
,,Würden Sie mich bitte so lange begleiten, bis ich mein Ziel erreicht habe?", frage ich freundlich.„Welches Ziel?"
„Ich möchte Tori zurückerobern. Sie soll für immer an meiner Seite sein", vertraue ich mich ihr an.

„Da haben Sie sich viel vorgenommen, Henry", warnt Eva mich. „Dennoch vertraue ich darauf, dass Sie es schaffen werden. Sie haben gute Freunde und ein Herz aus Gold. Ich bleibe bei Ihnen, bis Sie das klärende Gespräch führen konnten. Dann muss ich Sie aber wirklich verlassen, mein Prinz."Eva deutet eine Verbeugung an. Ich muss sie wohl gehen lassen, stelle ich enttäuscht fest.
„Ich könnte Sie zwingen zu bleiben", versuche ich es auf diese Weise.Evas Lächeln wurde breiter.
„Könnten Sie, das stimmt. Tun Sie aber nicht. Und wissen Sie warum?" Ich schüttele den Kopf.„Weil Sie anders als Ihre Großmutter und der Rest Ihrer Familie sind, deswegen. Sie sind wie Ihre Mutter, Henry. Lernen Sie, diese Gabe an sich zu schätzen und lassen Sie sich nicht von anderen verleiten."Mit diesen Worten verlässt Eva den Raum. Nur ihr penetranter Geruch und ich bleiben zurück.

Story of my Life - VerlassenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt