"Kurzschlussreaktion"

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[Perspektivenwechsel]

Ich hatte die letzte Nachricht abgeschickt, als sich zwei Arme um meine Taille schlangen.
"Gott du riechst so gut."
Ich lächelte, dann drehte ich mich um.
"Wir treffen uns morgen mit einem alten Schulfreund von mir."
Alex zog die Augenbraue hoch.
"Schulfreund?"
"Ja..."
"Etwa Julian?"
"Woher..."
"Hast du etwa noch andere männliche Schulfreunde?"
"Woher weißt du, dass er männlich ist?"
"Dein Tonfall."
"Ja es ist Julian."
"Ist doch okay. Julian und du, das ist Vergangenheit."

Ich schwieg.

War er wirklich Vergangenheit?
Gestern...

Gott, er hat selbst total durchnässt noch super ausgesehen.

Natürlich, sagte ich ihm das nicht.
Stattdessen nickte ich.

"Gut!"
"Er bringt auch seine Freundin mit."
"Ist doch nett."
"Jetzt tu nicht, als wäre dir das total gleichgültig."
"Jaaaa, vielleicht passt es mir doch nicht so ganz, dass es ausgerechnet Julian sein muss."

Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange.
"Genau deshalb hab ich nicht mit der Sprache rausgerückt."
"Ach, das wird morgen ganz entspannt."
"Wir frühstücken auch nur!"
"Umso besser!", sagte Alex anschließend, rieb sich den Bauch und verließ den Raum.

War er jetzt einverstanden damit oder nicht? Störte es ihn?

Ich war so verwirrt.

-------------

Verabredet waren wir in einem kleinen Café und ich war ultra nervös.

Wie Julians Freundin wohl aussieht?
Sie ist bestimmt wunderschön..

Meine Beine zitterten. Die Hand meines Freundes hatte ich fest umklammert.

Wieso bin ich so nervös? Entspann dich!

"Heyyy, da seid ihr ja!", rief Julians alt bekannte Stimme einmal quer durch das gesamte Café.
Neben ihm, seine Freundin.
Wie erwartet war sie wirklich der wahnsinn.

Sie war groß, brünett, hatte eine wunderschöne Figur und vor allem ein puppenhaftes Gesicht, was sie einfach wie ein Topmodel aussehen ließ.
Neben ihr fühlte ich mich plötzlich total grau und fahl.
Als wäre ich unbedeutend und könnte sofort wieder gehen.
Und dennoch hatte ich einen Freund, der mich liebte.
Zufrieden konnte ich also schon sein.
Mein erster Gedanke war trotzdem:

Was, eine Schlampe.

Ich hatte zwar kein Recht das zu denken, Julian war nie mein Eigentum und ist es auch nicht, sie kann eigentlich machen was sie will und trotzdem war ich eifersüchtig.

"Setzt euch doch.", Julians Freundin machte eine ausladene Handbewegung.

Was sollte ich jetzt tun? Ihn umarmen? Mich einfach hinsetzen? Hände schütteln? Was um gottes Namen soll ich tun?!

Julian und ich schüttelten uns gegenseitig die Hände was sich wirklich seltsam anfühlte.
Alex warf mir einen komischen Blick zu, ich setzte mich.
"Alsooo Juvember ist wieder vereint?"
"Bitte was?", fragte ich gerade als ich mich ordentlich hinsetzen und meine Haare zurecht legen wollte.
"Na Juvember."
"Julian hat da sowas erzählt..."

Wieso fing sie mit so einem alten Käse an?

Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
"Na du weißt schon, damals die alte Schulzeit. Jeder hat über euch geredet und alles gewusst außer die auf die es wirklich ankam."
Julians Freundin lachte.
Julian warf mir einen entschuldigenden Blick zu.
"Tut mir leid ich Spaße nur. Ich bin Amelie."
"Das ist Alex, mein Freund."
"Ja das sehe ich.", sagte sie etwas hochnäsig und griff nach ihrem Handy.

Gott wie ist die denn bitte drauf??

"Alsoo... Habt ihr schon was?", versuchte Alex die Stille zu brechen, doch das peinliche Schweigen ging weiter.
"Wir holen mal Kaffe oder Julian?", antwortete ich nur und stand auf.
"Eh- ja klar.", sagte Julian verwirrt, stand auf und folgte mir zur Theke.

"Das ist ja oberpeinlich...", murmelte ich leise und betrachtete die Speisekarte mit schmalen Augen.
"Tut mir leid. Wir hätten uns vielleicht auf einen Kaffe treffen sollen, und zwar alleine."
"Ich dachte halt dass sie so auf falsche-"
"Auf falsche was- Gedanken kommen würden? November ich bin fast verheiratet."
"Und deine Freundin ist schwanger."
"Was wie kommen alle darauf dass sie schwanger ist?"
"Sie glotzt ständig auf ihren Bauch und auf dich... Sorry eindeutiger gehts kaum."
"Oh......"
"Oh......?"
"Ich, kann nicht Vater-"
Ich trat an ihn heran und schaute ihm in die Augen.
"Was du machst ist mir egal, ich bestell jetzt Kaffe."
An die Theke gewandt drehte ich mich weg und gab meine Bestellung auf.
"Warum haben wir uns erst so spät wieder getroffen... Wieso bist du damals eigentlich einfach weg? Wir hätten das klären können und wer weiß vielleicht wärst du jetzt schwanger oder meine Verlobte, wie auch immer." Er schüttelte den Kopf.

"Es ist aber nicht so.", sagte ich und nahm den Kaffe in die Hand.
"Ich fühle mich trotzdem sehr geschmeichelt, dass du anscheinend trotz Verlobter und Schwangerer Frau an deiner Seite einen Gedanken für mich als deine Frau übrig hast. Sehr süß, danke."
"Du bist taffer geworden.", stellte er fest und ignorierte dabei all das was ich vorher gesagt hatte.
"Sag mal nervt dich Amelie?"
"Nein wieso?"
"Du stehst hier redest von mir und ignoriest sie völlig."
"Du siehst echt hübsch aus."
Ich rollte mit den Augen und drückte mich, mit dem Kaffe in der Hand, an ihm vorbei und rempelte ihn mit meiner Schulter an.

Spinner, was denkt der eigentlich?

Vermutlich hatte ich Recht. Er ist einfach nicht dazu fähig Beziehungen zu führen. Aber ich will ganz sicher nicht die jenige sein, mit der er seine Freundin betrügt.

Allerdings finde sogar ich den Gedanken interessant. Was wäre passiert, wenn ich damals nicht weggezogen wäre?
Würde ich jetzt an Julians Seite sitzen und Julian mit Amelie an der Theke stehen?
Nein, dann würde dieses Szenario gar nicht existieren.

Wieso mache ich mir darüber überhaupt Gedanken?

-------

"Das war echt ein schönes Frühstück, das könnten wir gerne wiederholen!", lachte Amelie und kippte sich den letzten Schluck Orangensaft in den Mund.
"Ja die anfänglichen Peinlichkeiten vergessen wir einfach ganz schnell.", lachte Alex.
"Wir können uns ja mal zum Abendessen treffen!", schlug ich vor und streckte mich.

Ganz ladylike natürlich...

"Jup.", stimmte Julian nur zu und sprang instinktiv auf.
"Julian? Gehst du bitte zur Kasse und zahlst?"
"Ich geh nochmal auf die Toilette. Apropos gehen wir noch zusammen in die Stadt?", fragte ich in die Runde.
"Von mir aus gern.", meinte Amelie und zog sich ihre Jacke über.
"Gut. Dann wartet hier, ich geh noch mal schnell-"
"Julian? Ich muss nochmal mit dir reden!", forderte Amelie.
Julian nickte ihr zu und ging zu ihr.
Ich begab mich zur Toilette.

Was hatte Amelie zu sagen?

Egal was es war, mein anfänglicher Eindruck hatte sich in Luft aufgelöst, sie war eigentlich echt nett und ich glaube ich könnte mich sogar mit ihr anfreunden.

Ich war gerade am Händewaschen als ich aus den Gedanken gerissen wurde.
"Julian? Falsche Toi-"
Plötzlich lagen seine Lippen auf meinen.
Meine Hände tropfnass, völlig fehl am Platz.
Seine Lippen waren so weich, dass ich mich völlig fallen lassen konnte und völlig vergaß wo und vor allem wer ich war.
Eine altbekannte Wärme durchströmte mich.
Ich wollte nicht aufhören.
Ich hatte Verpflichtungen, einen Freund, ein Leben, ein anderes als das hier und vor allem ein Leben das nicht Julian beinhaltete.

Er löste seine Lippen von meinen.
"Kurzschlussreaktion."
Danach verließ er das Badezimmer wieder und ließ mich, völlig verwirrt, zurück.

Was zur fucking Hölle war das?

Jugendsünden [Fortsetzung Feindschaft+]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt