„Hey Chris! Wo steckst du wieder?", rief ich in unsere Werkstatt hinein, doch keine Reaktion. Sein alter VW Golf, den er damals von uns bekommen hatte stand draußen, also musste er ja hier sein. Ich lief an dem Monstertruck vorbei, der hier noch von der Probe gestern stand und rief dabei immer wieder nach meinem kleinen Bruder. Kopfschüttelnd sah ich auf meine Armbanduhr. Der Kerl konnte aber auch nicht ein Mal im Leben pünktlich erscheinen, wenn wir uns privat verabredeten. Bei den offiziellen Terminen immer 15 Minuten früher dran, aber so? Meistens war mir das ja egal, doch da ich meinen Kidies versprochen hatte nachher mit ihnen noch an den See zu fahren, hatte ich nach einer halben Stunde dann doch mal bei ihm angerufen. Chris nahm zwar nicht ab, aber durch das Küchenfenster hatte ich seinen Wagen auf dem Parkplatz gesehen und war rüber gegangen. Da ich in der Halle nichts von Chris sah, ging ich durch die Glastür die Treppe hoch zu unseren Büros. Ich trat durch die offene Tür und verdrehte die Augen. Chris saß an seinem Schreibtisch und war in eine Zeichnung vertieft. Auf mein Räuspern hin zuckte er zusammen, was mich in schallendes Gelächter ausbrechen ließ und mir einen vernichtenden Blick einbrachte. „Was ist denn?", murrte Chris und wandte sich wieder seiner Zeichnung zu. „Du hast es wieder vergessen oder?" „Boar Bruder rede Klartext. Du siehst doch das ich beschäftigt bin." „Joggen? Wir beide? Heute?", fragte ich genervt. „Ach scheiße stimmt. Sorry. Habs voll vergessen über der Arbeit", meinte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Das ist ja nichts Neues", lachte ich. „Also kommst du jetzt? Kannst dich ja bei mir drüben umziehen." „Ja klar. Gib mir noch eine Minute." Kopfschüttelnd, aber lächelnd drehte ich ihm den Rücken zu, ging wieder zurück in mein Haus und wartete auf meinen kleinen Bruder.
Verkrampft sitze ich auf dem gepolsterten Stuhl im Wartezimmer und versuche die Tränen zurück zu halten, die bei dieser Erinnerung aufkommen. Es ist zwar niemand anderes mehr hier, da ich der letzte Termin heute bin wie mir vorhin gesagt wurde, aber ich würde später vermutlich noch genug Tränen vergießen. Meine Frau Petra hatte zwar angeboten heute mitzukommen um mich zu unterstützen, doch das wollte ich nicht. Ich liebe sie über alles, doch genau deshalb soll sie nicht jedes Detail wissen von dieser Zeit über die ich heute reden werde. Die Zeit, die der Grund ist warum ich hier herkomme. Nervös schaukle ich mit dem Oberkörper vor und zurück als mich eine helle Stimme aus meinen Gedanken reißt und ich zusammenzucke. „Herr Reinelt? Sie können rein." „Danke", erwidere ich, stehe auf und gehe aus dem Wartezimmer und über den kurzen Flur. Der Boden ist mit roten Teppichboden ausgelegt, die Wände sind weiß gestrichen und ein paar Gemälde wurden aufgehängt. Einige zeigen Landschaften, andere einfach nur ein Gewirr aus bunten Farbklecksen. Wie man so etwas Kunst nennen kann verstehe ich nicht aber nunja. Geschmäcker sind halt verschieden. Am Sprechzimmer angekommen klopfe ich an. Sofort höre ich ein „Herein", und trete ein. Es sieht sehr gemütlich aus hier. Die rechte Wand besteht nur aus Fenstern, vor denen Gardinen hängen damit nicht jeder reinschauen kann. An der Wand gegenüber der Tür hängen wieder 2 von diesen Farbklecksbildern und die linke Wand ist ein großes, volles Bücherregal. Vor dem Regal stehen ein Stuhl mit einem kleinen Beistelltisch daneben und eine typische bordeauxfarbene Psychologenliege. Vor dem Fenster steht ein großer Schreibtisch mit 2 Stühlen davor und einem Schreibtischstuhl dahinter von dem sich gerade meine Psychologin erhebt und auf mich zukommt. „Hallo Herr Reinelt." „Guten Tag Frau Steiner." Wir schütteln kurz die Hände. „Wollen wir gleich beginnen?", fragt sie und macht eine einladende Handbewegung in Richtung Liege. Ich nicke und mache es mir bequem. Frau Steiner nimmt derweil auf dem Stuhl daneben Platz. „Wie geht es Ihnen?" „Ganz gut eigentlich. Bin nur etwas aufgeregt. Das ist das erste Mal das ich das alles an einem Stück erzähle." „Ja das kann ich verstehen. Legen Sie los wenn sie soweit sind. Und sagen Sie Bescheid wenn sie eine Pause brauchen. Wir machen das alles in ihrem Tempo. Schließlich soll das Ihnen helfen." Ich nicke, lehne mich an und schließe die Augen. Nach ein paar Mal durchatmen beginne ich schließlich zu erzählen...
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Ihr. Entkommt. Nicht!
FanfictionEntführung, Gefangenschaft, Folter. Jeder hat bei diesen Worten Bilder aus Filmen oder Büchern im Kopf. Aber wer rechnet schon damit soetwas selbst zu erleben? Wohl keiner. Genauso wenig wie die beiden Magierbrüder Chris und Andreas. Doch plötzlich...