Ein halbes Jahr ist es heute her.
Genau ein halbes Jahr, seitdem ich sie gesehen habe.
Mein Bruder und ich waren bei Radio Bielefeld, und da habe ich sie gesehen. Und nun, nach einem halben Jahr, schickt mir unser Management eine SMS in der steht, dass wir wieder genau dort einen Interviewtermin haben. Und zwar schon übermorgen...
Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Andreas und ich waren von Radio Bielefeld für ein Interview eingeladen worden, und alles war so wie immer. Ein ganz normaler Arbeitstag halt, nur ohne Show, aber mit Presseterminen. Doch dieses Interview war... anders. Denn dort sah ich sie. Marie. Ich kann mich an jede Einzelheit dieses Interview erinnern. Nicht an die Fragen, was interessierten mich die Fragen, ich sah nur sie und das reichte vollkommen. Wir kamen rein, und im selben Moment, als sie mir in die Augen blickte, löste es etwas in mir aus. So etwas hatte ich bis dahin noch nie gespürt. Klar war ich schon verliebt, aber das musste Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, das wurde mir sofort bewusst – und ich war sehr aufgeregt und bekam Herzrasen. Es war wahre Magie, die ich gespürt hatte. Ich konnte meine Augen nicht mehr von ihr abwenden. Sie war so wunderschön... Sie hatte blonde, wellige Haare, eisblaue Augen, ein wunderschönes Lächeln und ihr Outfit passte perfekt zu ihr und ihrer Figur. Sie redete, doch ich konnte mich nur auf den Klang ihrer Stimme konzentrieren. Sie war wie ein Engel. Wirklich. Marie hieß sie; das Schöne war, dass sich bei der Redaktion alle duzten. Die Zeit verging leider wie im Flug, und wir mussten wieder weiter. Das Problem war, dass ich die Magie zerstört habe; ich habe alles weggeworfen, weil ich den Moment verpasst habe, sie nach ihrer Nummer zu fragen. Ich fragte mich noch, soll ich es machen oder nicht?, und alles schrie Ja! in mir, doch dann habe ich zu lange gezögert. Und es war zu spät. Wir waren draußen. Ich war so benebelt, dass ich erst da checkte, dass ich sie nun wohl oder übel nie wieder sehen werde... und das gab mir den ersten Stich ins Herz. Andreas schaute mich damals an: „Hey, was war das denn Bruder? Da bist du so geflasht von der und fragst die nicht nach der Nummer, man man Brüderchen was mach' ich mit dir..." Und ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. Er hatte vollkommen recht. Ich habe versagt und hatte ich meine Chance vertan. Er lachte darüber, klar, es gibt noch tausend Frauen da draußen, aber dass sie so viel für mich bedeuten würde, hätte ich da auch noch nicht gedacht.
Ich träumte von da an von ihr, beinahe jede Nacht. Dies hielt fast einen Monat an, und auch danach bekam ich sie nicht mehr aus meinem Kopf – ich versuchte alles, aber vergebens. Ich konnte sie nicht vergessen, dabei wäre es das Beste gewesen, ich mein' – was sollte ich schon groß tun? Radio Bielefeld anrufen und nach Marie fragen? Sehr lustig. Das konnte ich einfach nicht tun. Also beschloss ich, es aufzugeben und mich weiter umzuschauen, doch wie gesagt – vergebens.
Und jetzt, nach einem halben Jahr, sehe ich sie wieder. Ich sitze hier allein Zuhause, starre auf die Nachricht vom Management und bin total durcheinander. Ich bekomme also doch noch eine Chance- oder? Bestimmt ist sie eh vergeben. So eine wunderschöne Frau, als ob. Ach, lass es! Wie oft habe ich mir die letzten Monate darüber Gedanken gemacht. Viel zu viele. Trotzdem werde ich nervös... so oft habe ich mir ein Wiedersehen gewünscht und geträumt, was dann passieren würde oder könnte. Andy meinte damals nämlich, dass man die Funken auf tausend Kilometer Entfernung gespürt hätte. Das hieß also, dass auch sie wohl Interesse gezeigt hatte, wenn Andreas das schon auffiel. Noch so eine Sache, die mich damals total aus der Bahn warf und noch mehr Kummer verursacht hat. Bis heute. Plötzlich klingelt mein Handy und zeigt eine WhatsApp an. Sie ist von Andy. „Na Bruderherz, schon aufgeregt?", steht da. Verwirrt lese ich es nochmal, doch so steht es da. Andreas weiß es noch, schießt es mir durch den Kopf, aber... kann das denn sein? Das ist so lange her... „Was meinst du?", schreibe ich zurück. „Na was wohl?! Das weißt du doch wohl am besten", kommt von ihm. Da ruft er mich plötzlich an. „Natürlich weiß ich das noch. Du und die Kleine von der Redaktion. Wie kann man das vergessen, das war magisch, Bruder!", erklärt er später. Unsicher renne ich in meiner Wohnung auf und ab, während wir weiter darüber reden. Ich gebe es zu und erzähle ihm, dass ich Marie nie aus meinem Kopf bekommen habe, die ganzen sechs Monate nicht. Das wusste er nicht, sagt er. Er dachte, das hielt so für einen Monat an, denn da war ich noch etwas durch den Wind und launisch. Naja, das Leben ging weiter, und man gewöhnt sich an den Schmerz. Zeit heilt alle Wunden. Scheißspruch. Erinnerungen bleiben nämlich, und die taten jeden Tag weh. „Also Chris, übermorgen fragst du nach ihrer Nummer und schnappst sie dir, ansonsten werde ich ungemütlich. Und du kennst mich! Ich meine das ernst, ja!" „Jaja, ist ja gut, Bruder, chill'. Ich mach' das schon." „Nichts anderes wollte ich hören. Du packst das, Kleiner. Die gehört dir-" „Ja, ist ja gut jetzt... ich muss jetzt noch was machen", versuche ich, ihn abzuwimmeln, da es langsam unangenehm wird. „Ja, dann mach du mal. Bis dann", sagt er, und ich lege schnell auf. Ich muss Ruhe bewahren, das wird alles schon gut gehen. Hoffentlich.

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A half year later - Ehrlich Brothers - One Shot Kurzgeschichte
ФанфикEin halbes Jahr ist es heute her. Genau ein halbes Jahr, seitdem ich sie gesehen habe. Nie habe ich sie vergessen können - sie war ein Engel, und ich dachte ich habe meine Chance vertan, und würde sie nie wieder sehen. Doch nun sehe ich sie wiede...