Allein [Leseprobe]

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Ich werde von den unerträglichen Schmerzen aus einem unruhigen Schlaf gerissen. Ich spüre das warme Blut meinen nackten, verschwitzten Körper herablaufen. Die Schnittwunden glühen in einem dunklen rot, welches zu pulsieren scheint ... Die kahlen Wände aus grauem Stein lassen diesen Raum noch einsamer wirken. Ich lasse meinen Blick aus dem kleinen Gitterfenster über mir schweifen und blicke den hell schimmernden Mond an, welcher hämisch zu mir hinab zu schielen scheint. "Warum?", versuche ich, mit kratziger und hauchiger Stimme zu schreien. Zuerst schockiert mich meine Stimme, doch dann wird mir klar wie lange ich nicht mehr gesprochen habe. Ich blicke den Mond stumm an, während mir langsam ein paar Tränen die Wange hinablaufen. Je später es wird, desto wacher werde ich. Ich weiß, bald zieht sich die Sonne langsam am Horizont hoch und lässt die nassen Wände durch ihre warmen Strahlen glitzern. Die Sonne ist das einzige, was mir geblieben ist, das einzige was mich an meine Heimat erinnert. Wie sie jeden Morgen mein Gemüt erhellte und mich beschützend durch den Tag geleitete. Damals, ich war acht, ging eines Tages die Sonne nicht auf und mir wurde schmerzlich bewusst gemacht, dass ich ohne meinen Beschützer leben musste solange dies anhielt. Damals, die Straßen nass und schlammig, gezeichnet vom Regen welcher fiel. Ich hasse den Regen. Er nimmt mir mein Licht, meine Lust zu leben. Solange ich hier sitze und in den Himmel blicke, durch dieses kleine Fenster, solange weiß ich, dass es noch Hoffnung gibt. Solange, dass ich sehe, wie die Sonne den Himmel erleuchtet, solange weiß ich, dass ich noch lebe ... Ich höre die schweren Scharnieren der Eisentür quietschen und das Hecheln welches mich wieder zurück in die Gegenwart rüttelt. "Frühstück!", donnert die altbekannte Stimme des Wärters, welcher mir inzwischen wohlgesonnen ist. Er kommt um die Ecke und erblickt mich, wie ich dem Hund ein Stück Brot gebe, obwohl es nicht viel ist. "Du weißt, du musst ihm nichts geben, er kriegt genug ..." Ich blicke ihm tief in die Augen während ich dem Hund das nächste Stück reiche. Der Wärter würde es sich nie anmerken lassen wollen, doch ich spüre seinen Schmerz, welchen es ihm bereitet mich hier zurückzulassen. "Ist schon gut." hauche ich ihm gedankenverloren nach, als er langsam wieder die Eisentür schließt. Er weiß, was ich meine, er versteht mich. Langsam bewegt sich mein Blick wieder Richtung Fenster bevor ich innehalte. Da, in der Ecke. Was ist das? Es sieht so aus, als ob es mich ansehen würde. Langsam krieche ich zurück auf die andere Seite des Raumes, das Brot zurücklassend. Kauernd hocke ich jetzt hier, den Blick fest auf die zwei auf mich fixierten Punkte gerichtet. Dann mache ich meine Augen zu und schlage sie wieder auf. Das Ding, was auch immer es war, ist weg. War dies real? Oder war das völlige Einbildung? Da fällt mir auf, dass dort wo mein Brot lag, nur mehr eine kleine Pfütze aus Wasser oder ähnlichem ist. Ich habe Angst. Hunger und Übelkeit bereiten mir Probleme, mich zu beruhigen. Das Etwas, was auch immer es war, ist nicht mehr dort, wo es mich vorher beobachtete. Die Angst, es könne immer noch hier sein, bereitet mir nur noch größere Furcht. Ich fange an mir leise einzureden, dass alles nur Einbildung war, als plötzlich ein Tropfen auf den Boden fällt. Das Geräusch des aufprallenden Tropfen macht mich hellwach und schießt mir Adrenalin ins Blut. Wie in Zeitlupe nehme ich wahr, wie sich langsam eine kleine Pfütze bildet. Ich sehe hoch. Das Ding welches mir mein Brot stahl blickt hinab. "Hey!", schreie ich dem hämisch grinsenden Tier zu. "Gib mir mein Brot zurück!" Ich habe keine Angst. Wenn dies mein Ende sein sollte, war es Schicksal. Zerfleischt von einem Scheusal der Natur. Es blickt mich verdutzt an und verschwindet in einer kleinen Wolke aus Rauch. Ich bin wieder an meinem früheren Platz. "War das nur ein Traum?", frage ich mich, das Brot anschauend. Mit dem Wunsch nicht verrückt zu werden schlafe ich ein. Die Nacht, geprägt von Alpträumen und grinsenden Kreaturen an Decken, geht nur sehr langsam vorüber. Als der Uhrturm zwölf schlägt, wache ich auf. Meine Wunden, sie brennen wieder. Der Schmerz zieht sich durch mein Fleisch welches wieder anfängt zu bluten. Immer mehr Blut rinnt an meinem entstellten Körper herab, während ich hilflos versuche, die Blutungen zu stoppen. Ich höre ein Pochen im Kopf. Mein Herz? Meine Sicht, getrübt von Müdigkeit und Dunkelheit. Langsam werde ich schwächer, doch ich raffe mich auf und schreie! Ich schreie den Mond an, die Menschen welche mich hierher brachten, meine Familie, welche nur ruhig da saß, als ich fortgeschleppt wurde ... Und ich wache auf ... Die Narben sind noch da, jedoch ist nirgends frisches Blut zu sehen. Sofort wird mir klar, ich lebe noch. Ich denke an die Zeit vor dem Alleinsein ... An die Zeit damals. Als ich noch mit meinen Freunden Schneeballschlachten austrug und im Sommer mit ihnen um die Wette schwamm. Damals, als die der Morgentau noch in der Sonne glitzerte ... Als es noch das Grün der Wiesen gab... Doch die Reiter brannten alles nieder. Alles, bis auf den letzten Halm der noch wuchs. Sie nahmen mir den Bruder ... Als wir im Feld spielten und plötzlich der Nachbarsjunge aufschrie als er die züngelnden Flammen des greifbar nahen Todes sah .... Ich erwache aus meinem Tagtraum als ich die Tür quietschend aufschwingen höre und das leise Tappen von dem Hund und seinem freundlichem Besitzer. "Abendmahl ... Lass es dir schmecken." Er wirkt traurig, während er mir zusieht wie ich mit meinem abgemagerten Körper die paar Stücke Brot und Fleisch verschlinge. Doch obwohl mich der Hunger plagt, und die Schmerzen kaum zu ertragen sind, der Hund bekommt wieder sein Stück. "Er hat Angst.", der Wärter scheint überrascht mich wieder sprechen zu hören. "Wie meinst du, 'Angst'?" Ich blicke ihn an und ohne eine Miene zu verziehen spreche ich es aus wie es ist. "... Dass ich morgen nicht mehr lebe ..." ... Der Hund legt seinen Kopf in meine von Schnitten übersäte Hand und lässt ein leises Winseln von sich. "Du wirst überleben."

Mit diesen Worten verschwindet der freundliche Wärter mit seinem Hund durch die schwere Tür hinter der das Unbekannte liegt. Ob meine Familie noch lebt? Ob es da draußen noch Gerechtigkeit gibt? Vielleicht ist dies ja eine neue Art der Gerechtigkeit, eine zynische, vom Teufel erschaffene Art ... Ich senke meinen Kopf zwischen meine Knie und weine leise in mich hinein. Von Schmerzen geplagt strecke ich mich und blicke den kitzelnden Sonnenstrahlen entgegen, sodass ich für einen kurzen Moment nur das erfüllende Licht der Sonne sehe und einfach vergesse wo ich mich gerade befinde... Ohne Zeitgefühl und auch nur einer leisen Ahnung wo ich mich befinde, sitze ich hier... Allein. Meine Knochen knacken während meinen Versuchen aufzustehen, doch ich schaffe es und erhasche einen Blick ins Freie. Ich sehe lediglich den Blauen Himmel und die Sonne. Der Boden, gepflastert mit Steinen, gleich denen der Wände in diesem Kerker... Das trostlose Grau lässt mich ins jetzt zurückkehren, ehe ich eine Stimme vernehme. "Wie lang willst du noch aus dem Fenster starren?" Ich drehe mich schlagartig um und blicke meinem Bruder in die Augen. Sein Gesicht glänzt rötlich da das verbrannte Fleisch sichtbar ist. Sehnen und Fasern lassen sich erkennen. Die Augen blass und der Blick starr... Ich schreie.

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Dies ist das Ende der Leseprobe! Ich hoffe es hat euch gefallen! Falls ja lasst doch nen Stern und ein Kommentar da :)

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 17, 2018 ⏰

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