Kapitel 33

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''Wo seid ihr gewesen?'' Luise kam auf sie zugerannt und fiel Vera um den Hals. ''Ich hab mir Sorgen gemacht.''
   ''Waren in Italien'' sagte Aaron nüchtern. Ungläubig starrte Vera Aaron an, der nur die Achseln hob.
   Innerhalb von 20 Minuten in Italien gewesen zu sein, irritierte sie. ''Wie ist das möglich?'' stotterte Vera. ''Aaron ist der Schnellste von uns, nur er schafft das in so kurzer Zeit'' erklärte Luise grinsend.
   ''Ich bin nicht nur der Schnellste'' maulte er beleidigt. ''Stimmt, aber den Rest will ich dir bestimmt nicht unter die Nase reiben'' meinte Luise und lief Richtung Haus. ''Was meint sie damit, dass du noch andere Fähigkeiten hast?'' fragte Vera und sah zu Aaron hinauf.
   ''Als ihr weg wart, hat Vera wieder eine Nachricht bekommen, aber diesmal auf deutsch'' sagte Kevin, der wie aus dem Nichts kam. Ich werde mich nie daran gewöhnen..  
   Aaron nahm Veras Hand und führte sie in den Garten. ''Was stand drin?'' fragte Aaron angespannt und ignorierte Veras Frage. ''Du wirst sehen, dass das nur der Anfang war'' rief Lea von der Terrasse und sprang zu ihnen, Lea landete direkt neben Kevin.
   ''Von wem kam die Nachricht?'' fragte Aaron. ''Nina'' murmelte Lea. 
   Abrupt blieb Vera stehen. Angst erfüllte sie, wenn Nina auf der Suche nach Vera war, dann war sie in der Tat nicht sicher. Aaron sah sie an, drückte kurz ihre Hand und ließ sie los. Er lief Kevin hinterher.   
   ''Du siehst schon besser aus'' bemerkte Lea. ''So fühl ich mich aber nicht'' flüsterte Vera immer noch geschockt. 
   Mias und Ninas Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf: ''Hassst du wirklich gedacht, du würdessst Aaron bekommen?'' Vera erschauderte. Ihre hasserfüllten Gesichter, die roten, gefährlichen Augen und die scharfkantigen Zähne zeichneten sich vor ihrem inneren Auge ab. 
   ''Vera?'' Lea stupste sie an, ''hörst du mir überhaupt zu?'' Entschuldigend sah Vera zu ihr ''tut mir leid, was hast du gesagt?'' ''Ich hab gefragt, ob es gut tat hier raus zu kommen'' wiederholte Lea. Als Antwort nickte sie und folgte den Jungs. 
   ''Weißt du, wieso Kevin so abweisend ist?'' fragte Vera ohne zu überlegen. ''Wegen Aaron und dir, denke ich'' Lea zuckte die Achseln. ''Er hat mich nicht einmal angesehen, seit wir zurück sind..'' murmelte Vera. 
   Lea lotste sie zu einer Bank, die unter einer Eiche stand und forderte Vera auf sich zu ihr zu setzen. ''Ich glaube, er versucht dich auf Abstand zu halten'' meinte Lea und sah zu Aaron und Kevin, die sich mal wieder stritten. 
   ''Und warum streiten sie wieder?'' fragte Vera genervt. ''Kevin ist der Ansicht, dass Aaron vorsichtiger sein soll. Er sagt, dass es unklug ist, dich ohne Verstärkung nach Italien zu bringen'' sagte Lea. ''Und Aaron ist der Ansicht, dass Kevin übertreibt. Ich zitiere: Du weißt genauso gut wie ich, dass ich sie besser beschützen kann als jeder andere. Mach nicht so ein Drama.'' Vera lachte. ''Das ist Aaron..'' gab sie grinsend zu.
   ''Luise hat vorhin von Aarons Fähigkeiten geredet, was hat er denn für Fähigkeiten?'' fragte sie und beobachtete die Streithähne. 
   ''Er ist schneller, stärker und sieht am besten von uns'' erklärte Lea. ''Es gibt nur wenige Vampire, die irgendwelche Fähigkeiten haben. Man kann sie an zwei Händen abzählen.'' ''Ok, also bist du und auch Aaron einer davon?'' hakte Vera nach.
   ''Ja. Für die Meisten sind wir eine Gefahr und deshalb sehr beliebt. Ich musste Jahrhunderte kämpfen, damit man mich in Ruhe lässt'' sagte Lea, stand auf und bedachte Vera mit einem Lächeln. ''Ich suche mal Pia, sie soll dir eine Tinktur für deine Verletzungen machen.'' Mit diesen Worten rauschte sie davon.

''Wen suchst du?'' fragte Kevin hinter ihr. Erschrocken zuckte sie zusammen. ''Dich'' antwortete Vera.
   Schwungvoll sprang er über die Lehne der Bank und ließ sich neben ihr fallen. ''Und wieso?'' grinste er. Nervös knetete Vera ihre Finger und sah zu Boden. ''Weil ich mit dir reden wollte.''
   Kevin sank nach hinten und wartete darauf, dass sie fortfahren würde, doch es blieb still. In ihrem Hals steckte ein Kloß, den sie nicht weg bekam. Sie hob den Blick und sah zu ihm.  
   Lässig saß er auf der Bank, sah in den Himmel und fuhr sich durchs Haar. Sein goldblondes Haar war geschnitten worden und hing ihm bis zum Halsende. Die entspannten Muskel lagen versteckt unter dem großen Pullover, den er trug.
   Vera sammelte all ihren Mut und sagte: ''Ich will nicht, dass sich zwischen uns etwas ändert. Du bist mir wichtig und mein bester Freund.'' Kevin sog hörbar die Luft ein. ''Vera..'' setzte er an, aber Vera unterbrach ihn. ''Ich weiß, warum du mich auf Abstand hältst. Aber hast du dich auch mal gefragt, wie ich mich dabei fühle?'' Kevin schüttelte den Kopf ''wir sollten nicht über so etwas reden.''  
   Seine Worte versetzten ihr einen Stich in den Magen. Er kann doch nicht ewig vor mir abhauen, dachte Vera.  
   ''Ich will aber darüber reden'' sagte sie trotzig. Kevin stand auf und funkelte sie an ''was soll ich deiner Meinung nach machen?'' Wütend schüttelte er den Kopf. ''Ist dir eigentlich klar, dass es weh tut in deiner Nähe zu sein und dich doch nicht haben zu können?'' schnaubte er und lief weg.
   In ihr brodelte der Hass. Wie kann man ihr nur zwei Jungs geben und verlangen nur einen zu wollen? Vera hasste den Fluch, wenn sie die Möglichkeit hätte, Gott und Satan gegenüber zu stehen, würde sie ihnen gehörig die Meinung geigen. Ich will nur meinen besten Freund wieder, schrie es in ihr.   
   ''Es ist unmöglich'' sagte eine Stimme neben ihr und sie sah auf. Lea hatte sich neben sie gesetzt und starrte auf ihre Hände.
   ''Tut mir leid, aber deine Gedanken sind ziemlich laut.'' Vera war es unheimlich, dass Lea in ihre Gedanken eindringen konnte.  ''Ich weiß, dass du ihn als einen Freund behalten möchtest, aber lass ihm Zeit'' sagte Lea und tätschelte Veras Bein. 
   ''Wieso muss mir all das passieren? Warum ich?'' entfuhr es Vera.
   ''Ich weiß es nicht. Aber du musst schon eine besondere Rolle spielen, wenn das Alles passiert. Und diese Gewissheit, ist all den Stress wert'' lächelte Lea sie aufmunternd an. 

Müde lief Vera ins Haus. Sie stand in einem langen grauen Flur, nur eine alte Birne erleuchtete den Gang. Auf ihrer rechten Seite befanden sich zwei geöffnete Türen, aus denen lautes Stimmengewirr drang. Auf der linken Seite befand sich eine morsche hölzerne Treppe. Vera hoffte, dass die Treppe ihr Gewicht aushalten würde.
   Langsam stieg sie hinauf und befand sich wieder in einem langen grauen Gang. Am Ende des Flures erhellten zwei Fenster den Flur. Die Wände waren mit alten Gemälden ausgestattet. Auf jedem war Lea zusehen, allerdings sah sie immer anders aus. Mal in einem langen pompösen Ballkleid, dann in Reitermontur. Ein Bild trug ein Datum: 1680, Lea Dupont. Sie trug Renaissance Kleidung. Ihr Haar war lang und zu einer hochgesteckten Flechtfrisur zusammen gesteckt. 
   ''Ich glaube da war Lea 16 Jahre alt'' sagte eine Stimme hinter ihr. Vera sah sich um und entdeckte Pia, die an der gegenüberliegenden Wand lehnte.
   ''Sie sieht.. anders aus'' murmelte Vera. ''Wenn du mich fragst, sah sie damals hübscher aus'' gestand Pia. Zustimmend nickte Vera.
   ''Ich hab dir etwas zusammen gemischt, dass du auf deinen Oberschenkel schmieren kannst. Es wirkt schneller und besser als dieses menschliche Zeug.'' Pia reichte ihr eine kleine Dose und verschwand ohne ein weiteres Wort in ihrem Zimmer. 
   Vera lief zu dem Zimmer, dass sie mit Luise bewohnte. Der Raum hatte eine schwarz-weiße Mustertapete. Zwei Betten standen sich gegenüber und zwei Schränke waren provisorisch in die Ecken gequetscht. Luise hatte ihren Koffer bereits ausgepackt und unter ihrem Bett verstaut, Veras hingegen lag geöffnet auf dem Bett.
   Müde kramte sie eine Jogginghose und ein weites Shirt heraus und zog sich um. Den Koffer stellte sie vor den unbenutzten Kleiderschrank.
   Es klopfte und Aaron steckte seinen Kopf ins Zimmer.
   ''Kann ich rein kommen?'' fragte er, Vera nickte und ließ sich aufs Bett fallen. ''Müde?'' Aaron setzte sich neben Vera und sie ließ ihren Kopf gegen seinen Arm sinken.
   ''Müde ist gar kein Ausdruck..'' flüstere Vera erschöpft. ''Dann lass ich dich mal schlafen'' er küsste sie auf die Stirn und wollte gerade gehen, als Vera seine Hand ergriff.
   ''Bleib bei mir.'' Nickend setzte er sich ans Bett und hielt ihre Hand, müde legte sie sich hin.   
   Vera grinste, zog ihn zu sich ins Bett und küsste ihn. Aaron lag ihr gegenüber und wirkte leicht überrumpelt. Behutsam kuschelte sie sich an ihn und schlief ein.

Vom Engel geküsst Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt